Zur Ausgabe
Artikel 30 / 69

WELTMEISTERSCHAFT Untergang durch Siege

aus DER SPIEGEL 27/1966

Für die Weltmeisterschaft Im Fußball werden die Deutschen als 14:1 Außenseiter gewettet. In einem verwandten Mannschaftsspiel lohnt keine Wette. Ein deutscher Weltmeisterschafts-Sieg gilt als sicher.

»Die Bezeichnung ,Weltmeisterschaft' ist ein Witz«, kritisierte allerdings der Züricher »Sport« die Titelkämpfe Im Feldhandball vom 26. Juni bis zum 3. Juli in Österreich. »Mit Ach und Krach« kam die Mindestzahl von sechs teilnehmenden Ländern zusammen.

Deutschland hatte das Handballspiel 1917 eingeführt. Am ersten Olympia-Turnier (Sieger: Deutschland) beteiligten sich 1936 sechs Mannschaften. Um die Weltmeisterschaft 1955 bewarben sich schon 17 Länder.

Aber die ständige Überlegenheit der Deutschen schadete ihrem Lieblingsspiel. Denn sie blieben nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit einer gesamtdeutschen Mannschaft bei den Weltmeisterschaften im Felde unbesiegt. So fanden sie immer weniger internationale Partner. Die Skandinavier und die meisten Ostblock-Staaten konzentrierten sich bald völlig - in der Halle und im Freien - auf das Kleinfeldspiel.

Um ihr Feldspiel zu retten, missionierten deutsche Handball-Experten sogar in Amerika, Japan und Israel. Aber 1959 mußte bereits eine österreichische B-Mannschaft mitspielen, nur damit die Weltmeisterschaft in zwei Vierer-Gruppen ausgetragen werden konnte. Das US-Team spielte mit eingewanderten Deutschen, die noch nicht einmal eingebürgert worden waren.

1963 traten erstmals zwei Mannschaften aus Ost- und Westdeutschland an. Im Endspiel gewann das DDR-Kollektiv gegen die Bundesrepublik. So verloren die meisten Ausländer endgültig die Lust. Sie sahen keine Chance mehr, gegen die doppelte deutsche Konkurrenz wenigstens - wie vorher - das Endspiel zu erreichen. Für die diesjährige Weltmeisterschaft sagten die Amerikaner und Israelis ab. Die Deut*schen konnten nur noch auf Österreicher und Schweizer sicher zählen.

Der drohende Untergang des Feldhandballs vereinigte - ohne Absprache - die Anstrengungen der DDR- und Bundesdeutschen: Um nicht eine sichere Medaille mangels Konkurrenz zu verlieren, bewog der Zonen-Verband die benachbarten Polen teilzunehmen. Die Bundesdeutschen keilten dafür Holland, dessen Mannschaft der frühere deutsche Nationalspieler Käsler trainiert.

Dabei waren sogar im westdeutschen Lager Schwierigkeiten aufgetreten. Die meisten guten Spieler haben sich für den Hallenhandball entschieden. Der Rest in der Feld-Nationalmannschaft schnitt in Testspielen so miserabel ab, daß Bundestrainer Werner Vick den Rekordtorschützen Herbert Lübking und den Hildesheimer Bernd Munck aus dem Hallen-Team ausleihen mußte.

Die Weltmeisterschaften begannen zwar wie Olympische Spiele: Zur Eröffnung flatterten 1500 Brieftauben. Das bevorstehende Ende des Feldhandballs zeichnete sich dennoch ab.

Resignierte Wilhelm Bubert, der Auslandsreferent des Deutschen Handball-Bundes: »Ich glaube nicht an eine weitere Feld-Weltmeisterschaft.« Und ein Nationalspieler ulkte: »Die Weltmeisterschaft ist nur zu retten, wenn Westfalen, Württemberg, Sachsen und Mecklenburg eigene Mannschaften zugebilligt werden.«

Handball-Nationalspieler Lübking

Aus der Halle ausgeliehen

Zur Ausgabe
Artikel 30 / 69
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren