Volleyball in Deutschland Masterplan mit Mängeln

Vor zehn Jahren spielten die meisten Volleyball-Bundesligisten noch in Schulturnhallen, heute treten sie in Multifunktionsarenen auf. Die Sportart tut sich aber weiter schwer, populärer zu werden.

Wenn die Berlin Recycling Volleys am Mittwoch in Westsibirien aufschlagen, ist das Ergebnis zweitrangig. Selbst bei einem Sieg gegen den russischen Spitzenklub Kuzbass Kemerovo haben sie in der Champions League keine Chance mehr. Einmal mehr ist für den deutschen Branchenprimus in der Gruppenphase Schluss.

"Für uns ist die Champions League existenziell. Wir brauchen eine zweite Schiene neben der Bundesliga, um unser Produkt voranzubringen. Wir müssen eine interessante Liga für uns schaffen", sagt Kaweh Niroomand, Geschäftsführer der BR Volleys.

In der Bundesliga sind die Berlin Recycling Volleys auf dem Weg zur fünften Meisterschaft

In der Bundesliga sind die Berlin Recycling Volleys auf dem Weg zur fünften Meisterschaft

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Andreas Gora/ picture alliance/dpa

In der Volleyball-Bundesliga (VBL) ist Berlin seit 23 Spielen ungeschlagen. Das Team um Ausnahmezuspieler Sergei Grankin befindet sich mal wieder auf Titelkurs, es wäre der fünfte in Serie. Den DVV-Pokal haben sie bereits gewonnen. Das Finale gegen die Powervolleys Düren (3:0) war eine klare Angelegenheit. Doch Niroomand sagt auch: "Der Masterplan hat uns zwar vorangebracht, besonders die Frauen. Aber bei den Männern hapert es."

Dieser viel zitierte Masterplan entstand 2014 und ist ein breiter Maßnahmenkatalog der VBL - mit großem Ziel: Gleichziehen mit Basketball, Eishockey und Handball. Damit das klappt, sollen die Vereine sich professioneller aufstellen, größere mediale Präsenz erzeugen und mehr Sponsorengelder akquirieren.

Sport als Produkt, Spiele als Event

Volleyball soll zum Produkt, die Spiele zum Event werden. Das war mit harten Auflagen seitens der Bundesliga verbunden. Die Vereine mussten ihre Geschäftsstellen aufstocken und ein einfarbiges Spielfeld samt modernem LED-Bandensystem anschaffen, Kostenpunkt rund 300.000 Euro. Kein Schnäppchen für Teams, deren Budgets sich zwischen 600.000 und 2,8 Millionen Euro bewegen.

Tatsächlich haben vor allem die Volleyballerinnen eine rasante Entwicklung genommen. Etats, Zuschauerzahlen, Fernsehzeiten: Alles hat sich positiv entwickelt. Die Spielerinnen des Nationalteams schmettern größtenteils in der VBL. International setzt Meister Stuttgart Ausrufezeichen. Bei den Männern aber ist das anders: Die Nationalspieler wechseln ins Ausland. Branchenriese Berlin ringt in Europa um Anschluss.

Großer Aufschlag: Jennifer Geerties serviert für Deutschland

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Dean Mouhtaropoulos/ Getty Images

Trotzdem findet Bundesliga-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung: "Wir sind auch bei den Männern weit gekommen." Denn auch da gibt es vielversprechende Ergebnisse. Zum Beispiel in Frankfurt. 2015 von Unternehmer Jörg Krick gegründet, um deutsche Talente zu fördern, haben sich die United Volleys als Spitzenteam etabliert, auf Sport1 läuft neuerdings die klubeigene Dokuserie.

Oder bei den Alpenvolleys aus Innsbruck, die nach dem Zusammenschluss mit dem Konkurs gegangenen TSV Unterhaching per Wildcard in der Bundesliga spielen, weil dem Serienmeister die österreichische Liga zu eintönig wurde.

Oder bei den Volleys Herrsching, die sich selbst "geilster Club der Welt" nennen, schon zu Auswärtspartien getrampt sind und sich ihr Budget einst per Spendenaktion sicherten, jetzt aber vor einem Umzug in den Münchner Audi Dome stehen. Zudem überträgt Sport1 diese Saison 60 Spiele. "Keine andere Spielsportart hat mehr Zeiten im freizugänglichen Fernsehen", sagt Jung.

Keiner will aufsteigen

All das klingt erst mal gut. Ob es aber in Frankfurt und Haching weitergeht, ist fraglich. Rekordmeister VfB Friedrichshafen steckt finanziell in der Krise. Der Liga fehlt ein Sponsor, laut Masterplan Aufgabe der VBL. Bisher aber hat sich nichts getan.

Aufgrund der klammen Finanzlage will kaum ein Zweitligist ins Oberhaus. Zuletzt wollte in dieser Saison der VC Eltmann, der erste Aufsteiger seit vier Jahren. Der hatte sich aber finanziell übernommen und musste mittlerweile Insolvenz anmelden. Kein Einzelfall: Bottrop, Dresden, Coburg, Solingen – alle strichen in den vergangenen sechs Jahren die Segel.

Vom großen Ziel, mit Basketball, Handball und Eishockey gleichzuziehen, ist der Volleyball weit entfernt. Während der Mindestetat bei den Volleyballern bei 250.000 Euro liegt, sind es bei den Basketballern drei Millionen Euro. Den niedrigsten Etat bei den Handballern - Ludwigshafen mit 1,2 Millionen Euro - würden sich in der VBL die meisten wünschen.

Ganz zu schweigen vom Zuschauerzuspruch. Lediglich 1500 Fans ziehen die Volleyballer pro Spiel an. Mit Handball (4884), Basketball (4178) oder Eishockey (5539) kann nur Meister Berlin mithalten. 5000 Zuschauer strömen regelmäßig in die Max-Schmeling-Halle. Spitzenwert in Europa. Geschäftsführer Niroomand sagt daher: "Wir wollen weiterhin als Lokomotive für Volleyball-Deutschland fungieren. Aber von den anderen Vereinen muss noch mehr kommen." Die zarten Erfolge des Masterplans stehen auf einem wackligen Fundament.

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