Walters Handschrift
Als die Deutschen von hüben und drüben 1956 erstmals gemeinsame Olympiamannschaften aufstellten, fehlte die erfolgreiche DDR-Turnerin Vera Matschulat: Sie erwartete ihr erstes Kind. Verantwortlich für die Panne in der Terminplanung war der Ehemann -- Manfred Ewald.
Seiner Karriere schadete das falsche Timing nicht. Er stieg auf zur Nummer Eins im DDR-Sport und verwirklichte den Plan des SED-Generalsekretärs und Staatsratvorsitzenden Walter Ulbricht, den Sport noch konsequenter politisch einzusetzen, als es Hitler oder Stalin gelungen war. In einem neuen Buch über den Sport in der DDR arbeitete Willi Knecht, einer der kenntnisreichsten Spezialistendes DDR-Sports im Westen, die entscheidende Rolle Ulbrichts am Welterfolg seiner Athleten besonders heraus*.
Als die »Gruppe Ulbricht« 1945 kurz hinter den sowjetischen Truppen landete und im östlichen Teil Deutschlands einen kommunistischen Staat aufzubauen begann, brachte sie feste Pläne für einen Staatssport mit.
Zunächst zerschlug Ulbricht den bürgerlichen Sport. Auch der Deutsche Fußballmeister-Klub Dresdner SC verfiel der Auflösung. Frühere
Mitglieder führten die Tradition jedoch in einer von der SED zugelassenen Ortsteil-Sportgemeinschaft fort, der »SG Friedrichstadt«, bis Ulbricht auch den Nachfolgeklub sprengte.
Die Mannschaft setzte sich geschlossen nach West-Berlin ab. Einer der Dresdner Stars wurde Bundestrainer -- Helmut Schön; ein anderer, Hans Kreische, kehrte 1954 mit seinem Sohn Hans-Jürgen, damals 7, nach Dresden
* Willi Knecht: »Das Medaillenkollektiv. Fakten. Dokumente. Kommentare zum Sport in der DDR«. Verlag Gebr. Holzapfel, Berlin. 156 Seiten: 880 Mark.
zurück. Hans-Jürgen Kreische entwickelte sich bei Dynamo Dresden zum Netzer der DDR. Er half der DDR-Mannschaft 1972 in München eine olympische Bronzemedaille erkämpfen.
Kreische spielte auch 1974 bei der Weltmeisterschaft im DDR-Kollektiv, das Schöns Mannschaft in Hamburg 1:0 besiegte. Bundesfinanzminister Hans Apel verlor seinerzeit eine Whisky-Wette gegen Kreische, der trotz DDR-Sieg den Bundesdeutschen -- richtig -- den Welttitel vorausgesagt hatte. Aus allen offiziellen Veröffentlichungen über die Kreisches in der DDR tilgte die Zensur ihre Jahre in der Bundesrepublik.
Hartnäckige Anhänger des aufgelösten Dresdner SC verfolgte das SED-Regime: Arno Neumann, 73, einst Nationalspieler, und Alexander Schreiber, 74, hielten Kontakte mit ehemaligen Klubmitgliedern und bereiteten 1958 das 60. Stiftungsfest vor. Ein DDR-Gericht verurteilte sie wegen »Wühl und Zersetzungsarbeit« sowie für den »Aufbau einer illegalen Organisation« zu je fünfeinhalb Jahren Zuchthaus.
Doch der Neuaufbau eines kommunistischen Sports nach seinen Vorstellungen enttäuschte Ulbricht anfangs. Seine ersten drei Sportchefs feuerte er wegen Unfähigkeit. Einen schickte er auf eine Maschinen-Ausleihstation in die Provinz nach Brandenburg, einen anderen degradierte er zum Sekretär der Betriebsparteiorganisation im VEB Horch Zwickau. Erst in dem ehemaligen Jungbannführer Ewald fand er den Funktionär, der seine Sportpläne verwirklichte.
Ulbricht selbst hatte zeitlebens Sport getrieben. Beeinflußt von seinem Vater, einem aktiven Turner und Schwimmer, war er früh dem Leipziger Arbeiterturnverein »Eiche« beigetreten. Bis zuletzt hielt er sich mit Frühgymnastik fit, er schwamm, ruderte, spielte Volleyhall, lief Ski und lernte noch mit 60 Jahren Eislaufen bei seinem Eishockey-Verbandstrainer Gerhard Kießling, der später die DDR verließ und zur Zeit die Eishockey-Bundesligamannschaft des Kölner SC trainiert.
Der SED-Chef prägte selber Slogans für den Gesundheits-Sport: »Jedermann an jedem Ort, mehrmals in der Woche Sport.« Staat machte Ulbricht mit dem Leistungssport. 1950 gründete er gegen Widerstand im SED-Politbüro die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig, die sich zur erfolgreichsten Medaillen- und Sportkaderschmiede der Welt entwickelte.
Damals, erinnerte sich Ulbricht 1960, »gab es in der DDR noch manche Leute, die sagten: Müssen wir soviel Geld für den Sport ausgeben?« Er antwortete: »Heute gibt es niemanden mehr, der etwa sagte: Wir hätten damals das Geld für nützlichere Zwecke anwenden sollen.« Insgesamt steckt die DDR jährlich schätzungsweise drei bis 3,5 Milliarden Mark in ihren Sportbetrieb.
»Wir sind der Auffassung, daß ein Spitzensportler für unseren Arbeiter- und-Bauernstaat mehr leistet und dessen Ansehen fördert«, wies Ulbricht Kritik an Sportler-Privilegien zurück, »als wenn er an seinem Arbeitsplatz einer von vielen ist.«
Dialektisch löste er das Amateurproblem für seine Staatsathleten: »Seine Kollegen delegieren ihn auf den Sportplatz zu intensivem Training«, ordnete Ulbricht an. »Zeigt er sich dieser Delegierung nicht würdig, dann wird er zurückbeordert. So einfach ist das, Genossen.«
Der Vorturner der DDR überschüttete seine Olympiasieger und Weltrekordler mit Orden und Ehrenrenten, Prämien und Stipendien. Er zeigte sich mit ihnen, so oft als möglich. Einige, wie Radweltmeister Gustav Adolf ("Täve") Schur, zogen sogar in die Volkskammer ein.
»DDR-Sportler auf den Siegespodesten«, rechnete Ulbricht, »das ist die beste Antwort an die Adresse der Bonner Alleinvertreter und Revanchisten.« Über sportliche Erfolge setzte er eine eigene Olympiamannschaft durch (1965).
Schließlich stellte Ulbricht 1969 den Sport, »die am höchsten entwickelte Teilkultur der DDR«, den anderen Bereichen als Vorbild hin. »Wir haben es vermocht, die wissenschaftliche Leitung des Spitzensports mit Erfolg zu meistern. Wir werden diese Qualität der Leitung in den anderen Teilsystemen ebenfalls schaffen.« Sie seien zwar »wesentlich komplizierter«, aber »vom gleichen Typus«.
Heute wird Sport-Freund Ulbricht, ohne dessen Zutun der DDR-Spitzensport überhaupt nicht denkbar wäre bei offiziellen Anlässen ebenso unterschlagen wie der Dresdner SC und alle Klubs, die er einst auslöschen ließ.
Aus der DHfK Leipzig sind die Bilder ihres Gründers verschwunden, das Ost-Berliner Walter-Ulbricht-Stadion heißt längst »Stadion der Weltjugend«.
FECHTEN
»Wer, für wen, wozu?«
Gegendarstellung zu: »Wer, für wen, wozu?« in der Ausgabe vom 10. 7. 1978 auf S. 130
1. Es wird behauptet, ich sei als Geschäftsführer des Kölner Studentenwerks entlassen worden. Richtig ist, daß das Dienstverhältnis fortbesteht, wie das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 27. 4. 1977 festgestellt hat.
2. Es wird behauptet, ich hätte in zwölf Monaten 115 000,- DM aus Steuergeldern kassiert. Richtig ist, daß es sich bei der mir vom Deutschen Fechter-Bund gezahlten Vergütung nicht um eine Zahlung aus einer öffentlichen Kasse handelt. Beide Arbeitgeber, nämlich das Kölner Studentenwerk und der Deutsche Fechter-Bund, bestreiten ihre Ausgaben sowohl mit Hilfe eigener Einnahmen (Beiträge u. Entgelte) als auch durch staatliche Subventionen.
3. Es wird der Eindruck erweckt, ich hätte entgegen einer bestehenden Rechtspflicht das Bundesministerium des Innern (BMI) nicht vollständig über meine Vereinbarungen mit dem Deutschen Fechter-Bund unterrichtet: daher sei mir gekündigt worden. Richtig ist, daß ich durch nichts verpflichtet hin, meine Vertragsvereinbarungen mit dem Verein Deutscher Fechter-Bund dem BMI mitzuteilen. Die Kündigung erfolgte wegen Geschäftsvorfällen innerhalb des Deutschen Fechter-Bundes, die vor meinem Diensteintritt (1. 7. 1977) und damit außerhalb meiner Verantwortung liegen.
Bergisch-Gladbach 3, den 25. Juli 1978 F. Weiler