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Formel 1 WILLIS GOLDADER

In seinem Rennwagen zählt Michael Schumacher zu den schnellsten Piloten der Welt. Doch an die Millionengagen der anderen Stars kommt der Deutsche nicht heran: Sein Manager Willi Weber, ein Mann, der im Rotlicht-Milieu groß geworden ist, verschreckt Sponsoren und Teamchefs.
aus DER SPIEGEL 46/1993

Im Foyer eines Stuttgarter Verlagshauses haben sich die Spitzen des deutschen Motorsports zu einem Symposium versammelt. Da fährt draußen eine schwere Limousine vor. Der Chauffeur steigt aus, öffnet den hinteren Schlag und reicht dem Mann aus dem Fond beflissen einen schwarzen Aktenkoffer.

Die geladene Gesellschaft beobachtet durch die Fensterscheiben, wie der späte Gast, die graumelierten Haare akkurat nach hinten gekämmt, den Trenchcoat-Kragen hochgestellt, betont lässig zum Eingang strebt. »Typisch Willi«, raunt ein Autoindustrieller abfällig.

Wilhelm F. Weber, 51, liebt die Selbstinszenierung. Und er glaubt, sie sich leisten zu können; schließlich ist er der Manager von Deutschlands schnellstem Rennfahrer. Wer von Michael Schumacher etwas will, kriegt es mit Willi Weber zu tun.

Im Windschatten des Formel-1-Wunderknaben gelang dem ehemaligen Gebrauchtwagenhändler Weber der gesellschaftliche Aufstieg. Ob Galas, Fernsehshows oder Industriefeste: Schumacher kommt selten ohne seinen Berater. Doch der Mann, der an den Einkünften seines Klienten mit 20 Prozent beteiligt ist, entpuppt sich zunehmend als Bremsklotz für die Karriere des Rheinländers.

Mal bringt Webers dubiose Vergangenheit im Rotlicht-Milieu den Grand-Prix-Piloten im Zusammenhang mit einer Erpressung in die Schlagzeilen. Mal legt sich das Geschäftsgebaren des Möchtegern-Impresarios wie ein Schatten auf Schumachers strahlend-sauberes Image: Die Werbepartner fühlen sich von Weber geprellt.

In der PS-Branche gilt der Manager längst nicht mehr als salonfähig. Unternehmen, die als Sponsoren in Frage kämen, halten seinetwegen Abstand zu Schumacher. »In dieser Liga«, urteilt Ford-Vorstand Rainer Nistl, »ist Weber kein Player mehr.«

In der Kölner Konzernzentrale - Schumacher fährt mit Ford-Motoren - stapeln sich die Beschwerdebriefe über die Öffentlichkeitsarbeit des Duos. »Eine miserable PR-Arbeit«, entnimmt Nistl den Reklamationen, Weber verteile Interviewtermine »offenbar nach Gutdünken«.

Auch aus anderen Gründen sind Fords Beziehungen zu Weber gespannt. An sechs Tagen im Jahr hat Schumacher, so sieht es der Vertrag vor, dem Werk zu Werbezwecken bereitzustehen. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung diente der Jungstar anderthalb Tage ab. Daß der Ford-Mann zwischendurch auf dem Messestand von Mercedes-Benz auftauchte und sich vor dem neuesten Modell der Konkurrenz fotografieren ließ, löste in Köln heftige Irritationen aus. Der Unmut wuchs, als Ford beim Manager einen zusätzlichen Werbetag buchen wollte: Weber verlangte 50 000 Mark. Was die Ford-Manager als Unverschämtheit empfanden, hält Weber für eine marktgerechte Vergütung. Stolz verkündete der geschäftige Sekundant, Schumacher werde »seine Zeit nicht mehr für 15 000 Mark vertrödeln«.

Auf der Suche nach der schnellen Mark fordert Weber, als gäbe es kein Morgen mehr. Das Schumacher-Vorwort zu einem Formel-1-Bildband sollte 20 000 Mark kosten - Größen wie Niki Lauda oder Ayrton Senna verfassen so was gratis. Vom Süßwarenfabrikanten Vivil verlangte er für das Autogrammschreiben auf einem Messestand gar 100 000 Mark Honorar.

Dabei hatte die Firma Schumacher bei seinem Einstieg in die Formel 1 geholfen, knapp eine Million Dollar für ein Werbe-Logo auf den Overalls der Benetton-Piloten gezahlt. Eine Vertragsverlängerung für 1993 war an Webers Bedingung gescheitert, Vivil müsse fortan auch auf den Rennwagen werben - zum Preis von drei Millionen Dollar. Vivil-Chef Axel Michael Müller strich sein Engagement für Schumacher daraufhin: »Ich hatte keine andere Wahl.«

Anderen Unternehmen mißfällt das »Rambo-3-Image«, das der muskulöse Rennfahrer pflegt. Oder ihnen ist das Werbeumfeld nicht fein genug. So verhökerte Weber seinen Star für eine Sechs-Monats-Kampagne an eine Kette von Auspuff-Werkstätten.

Daher kommt der Manager rasch ins Stocken, wenn er Schumachers aktuelle Geschäftspartner aufzählen soll. Außer dem TÜV-Konkurrenten Dekra, der ihm rund eine Million Mark zahlt, hat der Grand-Prix-Sieger keine nennenswerten Werbekontrakte.

Laut und gern beklagt Weber, der deutsche Markt sei an Formel-1-Piloten nicht sonderlich interessiert. Diese Schutzbehauptung zieht nicht mehr, seitdem der Autopflegemittel-Produzent Sonax für seine PR-Kampagne Ayrton Senna engagierte, obwohl der das Dreifache des Schumacher-Tarifs verlangte. Mit zwei weiteren deutschen Firmen, einem Kosmetikhersteller und einer Brauerei, steht der dreimalige Weltmeister aus Brasilien kurz vor dem Abschluß.

Motorsport-Manager Domingos Piedade, der Weltmeister wie Walter Röhrl und Emerson Fittipaldi betreute, hält Weber im Formel-1-Business für heillos überfordert. Er sieht in dem Berater »die Oma, die dem achtjährigen Enkel das Schwimmen beigebracht hat«. Wenn der bei Olympia um Medaillen schwimmen wolle, sei aber »ein professioneller Trainer« nötig. Der frühere Mercedes-Rennleiter Jochen Neerpasch vermißt bei Weber »Tiefgang, Überblick und Visionen«, um mit Konzern-Direktoren ins Gespräch zu kommen.

Visionen hat der gebürtige Regensburger nur, wenn er sich diverse Lebensläufe zurechtbastelt. So soll der Großvater ein General, der Vater ein »stinkreicher Bierbrauer« und er selbst ein »ehemaliger ghanaischer Botschaftssekretär« gewesen sein. Nur engen Freunden erzählt er jene Version, die wohl der Wahrheit am nächsten kommt: Danach zog der Vater mit einem Kettenkarussell übers Land, Sohn Willi riß mit 15 von zu Hause aus.

Seit einigen Wochen bricht Webers Fassade etagenweise zusammen. Mitte August wollte ein ehemaliger Geschäftspartner von ihm 200 000 Mark erpressen - sonst werde er »dunkle Punkte in der Vergangenheit« offenlegen. Im September bot ein Mann aus Aachen Schumachers Benetton-Team ein Dossier über Weber zum Kauf an. Und im Oktober wurde der Lebensgefährte von Webers Tochter Christina, genannt Miezi, unter dem Verdacht des Drogenhandels verhaftet.

Als die Affären peu a peu öffentlich wurden, jammerte Weber, jeder habe doch »einen schwarzen Fleck auf seiner Seele«. Die Tochter habe er »wegen dieses Kerls« verstoßen, und aus seinem Vorleben gebe es wenig zu berichten: »Ich bin ein paarmal bei Rot über die Kreuzung gefahren.«

Die Farbe stimmt, nur bei der Verkehrsart hat Weber geflunkert. Was der Erpresser gegen Honorar verschweigen wollte, wird in der Stuttgarter Szene gern kolportiert, spricht es doch auch für die Cleverneß des »schönen Willi«. Dessen Geschäftsprinzip funktioniert so: Er selbst oder eine von ihm gegründete Gesellschaft kauft oder pachtet eine Immobilie, die weitervermietet wird. Und der Mieter installiert dann Bordell oder Saunaklub.

So kann Weber »jeden Kontakt zum Milieu« leugnen, was er so vehement tut, daß er dabei sogar ein Urteil des Schöffengerichts Böblingen abstreitet. Das verurteilte ihn 1988 wegen »Beihilfe zur Förderung der Prostitution« zu 120 Tagessätzen a 100 Mark.

In Böblingen hatte Weber ein Gebäude gepachtet, das dann wechselnde Unterpächter als »Villa Erotica - Haus mit dem besten Ruf in Baden-Württemberg« betrieben. Webers Mieteinnahme, ergab eine Razzia 1986, betrug 18 000 Mark im Monat. Das gute Geschäft ging 1988 unter mysteriösen Umständen in Flammen auf.

Ähnlich verhält es sich mit Webers Haus in der Stuttgarter Taubenstraße 7. Nachbarn beschwerten sich mehrfach, daß sich in der Etage über dem »Taubenstüble« Damen des horizontalen Gewerbes eingenistet hätten - Pächter des Hauses ist ein Grieche, den Weber »kaum kennt«.

So hat der Multi-Geschäftemacher, zu dessen Imperium auch etliche bayerische Bierlokale zählen, in den letzten Jahren alle Spuren zu seinen dubiosen Deals verwischt. Irgendwelche Sünden, so es sie überhaupt gegeben habe, sagt der Mann von Halbwelt, lägen lange zurück. Es gibt sie reichlich, sie sind aber aus Webers Strafregister getilgt.

Michael Schumacher hatte zu Beginn seiner Zusammenarbeit mit Weber keine Ahnung von den fragwürdigen Geldquellen. Das Finanzierungssystem des Motorsports hätte zudem jegliches Mißtrauen verboten. Wer auf ein Familienvermögen zurückgreifen kann, dem steht praktisch jedes Cockpit dieser Welt offen. Wer wie Schumacher, dessen Vater Feuerungsmaurer war, kein Geld mitbringt, braucht neben ungeheurem Talent vor allem einen Mäzen.

Zunächst förderte Jürgen Dilk, ein Automatenaufsteller aus dem Rheinland, den Jungen wie einen eigenen Sohn. Als die Rennwagen schneller und teurer wurden, war 1988 auch der spendable Ersatzvater überfordert. Da schlug Willi Webers große Stunde. Er lud den damals 19 Jahre alten Kfz-Lehrling Schumacher zu Testfahrten ein.

Mitte der achtziger Jahre war Weber in der Formel-3-Szene aufgetaucht. Der Hobbyrennfahrer hatte sich mit rund einer Viertelmillion Mark in ein Team eingekauft und sich drei Jahre lang den Spaß des Hinterherfahrens geleistet. Danach beschränkte er sich auf die Leitung des WTS-Rennstalls, der 1988 mit Joachim Winkelhock Deutscher Meister wurde.

Weber ermöglichte Schumacher eine komplette Formel-3-Saison, zahlte ihm sogar monatlich rund 1000 Mark. Dafür verpflichtete sich der Nachwuchspilot, künftig »20 Prozent Provision von allen Einnahmen« an ihn abzutreten. In der noblen Ambiance eines rheinischen Golfklubs wurde ein Dreijahresvertrag unterzeichnet, in dem Weber auch noch eine einseitig einzulösende Option über weitere acht Jahre verankert hatte.

Schon ein knappes Jahr nach Schumachers Abhängigkeitserklärung, im Sommer 1989, wurde das Talent Werkspilot bei Mercedes - und Weber damit zum gutbezahlten Trittbrettfahrer.

Fortan stellte Mercedes-Rennleiter Neerpasch die Weichen für Schumachers steile Karriere. Er setzte den Junior in die siegreichen Silberpfeile, besorgte das Geld für dessen Formel-1-Debüt im Jordan-Team, und er betrieb über Nacht den schnellen Wechsel zu Benetton - Weber hockte derweil vor Aufregung zitternd im Hotelzimmer.

Doch weil Mercedes auf Anweisung von Daimler-Benz-Konzernchef Edzard Reuter seine Formel-1-Pläne wenig später aufgab, ist es mit der Untertürkheimer Patronage seit zwei Jahren vorbei. Der erfahrene Neerpasch zog sich zurück, und niemand sagt Weber nun, was richtig und was falsch ist.

Häufig fällt der unsichere Kantonist deshalb in seine im Rotlichtbezirk geprägten _(* Oben: nach dem Brand 1988 in ) _(Böblingen; unten: in Stuttgart. ) Umgangsformen zurück. Ehemalige Angestellte erinnern sich schaudernd an den derben Ton, der in dem düsteren Hinterhofbüro in der Stuttgarter City herrschte.

»Du mußt die Leute schmieren, mit ihnen auch mal in den Puff«, empfahl er einem kurzzeitigen Geschäftspartner. Einem anderen drohte er mit »elf Rechtsanwälten, die für mich arbeiten«. Geriet er in Zahlungsverzug, bot er zur Verrechnung schon mal ein Bild seines Kumpels Konrad Kujau an, der einst die Hitler-Tagebücher fälschte.

Derlei Defizite in der öffentlichen Darstellung versucht Weber durch ausgeprägte Eitelkeit wettzumachen. Wann immer eine Kamera auf Schumacher gerichtet ist, huscht der Kompagnon mit wichtiger Miene durch den Schwenkbereich. In einem Anflug von Größenwahn verriet er einmal: »Ich bin der gefragteste Mann der Welt.«

Dabei hat außer Schumacher keiner von Webers Formel-3-Meistern die offerierten Manager-Dienste annehmen wollen. Der Zehnjahresvertrag, den der Stuttgarter dem Portugiesen Pedro Lamy 1992 vorlegte, rang Lamy-Berater Piedade nur ein Lächeln ab: »Der ist nicht einmal als Toilettenpapier zu gebrauchen.« Auch beim diesjährigen WTS-Piloten Jos Verstappen blitzte Weber ab. Der Niederländer will seinen Chef sogar verklagen, weil der sich nicht an Zusagen gehalten habe.

So hängt Webers Manager-Schicksal allein an Schumacher. Das Verhältnis, das der Rennfahrer bislang »eine phantastische Beziehung« nannte und das der Berater als »irgendwas zwischen Freund und Sohn« einstuft, hat eine neue Qualität bekommen. Nicht mehr Weber schützt Schumacher vor den Unbilden, sondern der seinen Manager: »Ich stehe hinter Willi, egal, was passiert.«

Schumacher fühlt sich, so ist er erzogen worden, zu Dank und Treue verpflichtet. Andererseits wachsen auch bei ihm die Zweifel, ob Weber seine künftigen Aufgaben bei der vorgezeichneten Weltkarriere meistern kann.

Weber hat Angst, daß sich Schumacher aus dem vertraglichen Gewahrsam lösen könnte. In einem schwachen Moment gestand er kürzlich gar: »Meine Nerven liegen blank.«

Wie ein Bodyguard schirmt Weber seine Goldader ab, redet permanent von »uns« und »wir« und der gemeinsamen Zukunft. Als könne er die Vergangenheit amtlich tilgen, hat er eine Änderung im Handelsregister eintragen lassen. Die dort unter der Nummer HRB 7261 aufgeführte »Weber Gaststättenbetriebs GmbH« wurde in »Weber Management GmbH« umbenannt. Bis 1995 will der Gesellschafter sämtliche Lokale abstoßen, »um mich ganz dem Motorsport zu widmen«. Y

* Oben: nach dem Brand 1988 in Böblingen; unten: in Stuttgart.

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