Bassino holt Gold im Super-G Kleiner Stein mit großer Wirkung

Ein Missgeschick stoppt die deutsche Hoffnung Kira Weidle bei der Ski-WM. Superstar Mikaela Shiffrin weinte nach ihrer Medaille. Und es siegte eine, die den Wettbewerb gar nicht mag. Alles Wichtige über den Super-G.
Aus Méribel berichtet Jonas Kraus
Kira Weidle war nach ihrem Rennen enttäuscht

Kira Weidle war nach ihrem Rennen enttäuscht

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Jean-Christophe Bott / dpa

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Schlüsselstelle: Beim anspruchsvollen Super-G in Méribel waren die Fahrerinnen knapp eineinhalb Minuten unterwegs. 46 Tore hatten sie auf der über 2,2 Kilometer langen Strecke zu bewältigen – und dennoch entschied ein Hindernis am Mittwoch über Sieg oder Niederlage. Nachdem Marta Bassino mit Bestzeit im Ziel war, kamen die Topfahrerinnen. Und eine nach der anderen schoss fast an der Einfahrt in den Zielhang vorbei, alle mussten sie einen kurzen Bremsschwung einlegen. Nur wenige Athletinnen kamen fehlerfrei durch – gleich vier von ihnen schafften es aufs Podium.

Ergebnis: Die Italienerin Bassino gewann den Super-G, auf Platz zwei raste die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin. Platz drei teilte sich die Norwegerin Kajsa Vickhoff Lie mit Cornelia Hütter aus Österreich. Hier geht's zur Meldung. Für Italien war es bereits das zweite Gold nach dem Sieg von Federica Brignone in der Kombination. Deutschlands Kira Weidle wurden nur 23. und war entsprechend enttäuscht.

Vier Frauen auf dem Podest: Mikaela Shiffrin, Marta Bassino, Conny Hütter und Kajsa Vickhoff Lie

Vier Frauen auf dem Podest: Mikaela Shiffrin, Marta Bassino, Conny Hütter und Kajsa Vickhoff Lie

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Kein Riesenslalom? Marta Bassino reiste als legitime Anwärterin auf Gold nach Frankreich. Aber nicht im Super-G, sondern im Riesenslalom. Dort gewinnt die 26-Jährige aus dem Piemont regelmäßig, 2021 sicherte sie sich sogar die Disziplinwertung im Weltcup. Im Super-G stand sie noch nie ganz oben.

Das Wesentliche: Trotz der nicht gerade ermunternden Vorleistungen, sagte Bassino: »Ich war schon am Morgen nach dem Aufstehen super selbstbewusst.« Sie habe gewusst, dass ihr diese Strecke entgegenkomme und habe sich einfach auf sich konzentriert. »So einfach ist das«, sagte Bassino. Jetzt ist sie Weltmeisterin.

Fast wieder ganz oben: Diesen Titel verpasste Mikaela Shiffrin um elf Hundertstelsekunden. Aber zum ersten Mal seit der WM 2021 schaffte sie es bei einem Großereignis wieder aufs Podest. Nach den missglückten Olympischen Spielen von Peking und dem Ausscheiden bei der WM-Kombination bewies Shiffrin, dass ihre Nerven halten. Und ihre beiden stärksten Disziplinen kommen erst noch.

Selten jubelte Mikaela Shiffrin so ausgelassen über einen zweiten Platz

Selten jubelte Mikaela Shiffrin so ausgelassen über einen zweiten Platz

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Der eiserne Fels: Kira Weidle war nach dem Rennen sichtlich angesäuert. »Das ist ein Scheißgefühl«, sagte sie. Mit der Nummer zwei gestartet, fuhr sie im oberen Streckenabschnitt über einen Stein, die Innenkante des linken Skis war danach rund, Weidle fehlte der Grip. Das sei, wie wenn bei einem Auto das Heck ausbreche, ergänzte sie. Weidle rettete sich mit einer Sicherheitsfahrt ins Ziel, den Organisatoren machte sie nach Wochen ohne Neuschnee keine Vorwürfe. »Le roc de fer« haben die Veranstalter die Piste getauft, der eiserne Fels. Wie passend. Weidle bleibt nun die Abfahrt zur Rehabilitation. Dort ist sie die amtierende Vizeweltmeisterin.

Nah am Wasser: Welcher Druck auf Shiffrin lastete, zeigte sich nach dem Rennen. Als der Super-G noch in vollem Gange war, schritt die 27-Jährige zum Interview mit dem ORF und brach in Tränen aus. »In einer Kurve habe ich sogar den Schwung verloren«, klagte sie. Sie fürchtete, es könnte schon wieder nicht gereicht haben, schließlich standen noch einige Mitfavoritinnen am Start, als Shiffrin ihr Rennen beendet hatte. Beim offiziellen Siegerinneninterview hatte sie sich wieder gefangen und erklärte ihren Gefühlsausbruch: Sie habe eine Frage im ORF falsch verstanden, sagte sie. Aber es sei auch einfach ein wenig viel gewesen. »Ich musste Hunderte Mal die Frage beantworten, ob die WM wieder so wird wie die Olympischen Spiele.« Nun wäre das auch geklärt.

Non anglais: Die Franzosen und Französinnen und ihre Abneigung gegenüber der englischen Sprache. Zu diesem vermeintlichen Klischee ist eigentlich alles gesagt – und dennoch verwundert es einen immer wieder aufs Neue. Auf jeden tapferen Volunteer, der einem bei der WM auf Englisch weiterhilft, kommen mindestens zwei, die mit echtem Entsetzen auf ein »Hello« reagieren und freundlich, aber bestimmt zu verstehen geben: »Non anglais.« Zumindest die Stadionsprecher machen nun Durchsagen auf Englisch, das war die ersten beiden Tage noch anders.

Marta Bassino, die neue Weltmeisterin

Marta Bassino, die neue Weltmeisterin

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Wo sind die Favoritinnen? Federica Brignone, Lara Gut-Behrami oder Ragnhild Mowinckel galten als Anwärterinnen auf den Sieg. Sie fuhren bei den Super-G-Rennen in dieser Saison immer ganz vorne rein. Alle drei legten im oberen Streckenabschnitt Fabelzeiten hin, sie starteten deutlich explosiver als Riesenslalom-Spezialistin Bassino. Doch die Schlüsselstelle verpatzten alle drei, nach dem drehenden Mittelteil und der Einfahrt in den Steilhang lagen sie hinter der Überraschungssiegerin zurück. So weit, dass auch für Außenseiterinnen auf dem Podium Platz war.

Auf den Punkt: Hinter Bassino und Shiffrin teilten sich Vickhoff Lie und Hütter mit rund drei Zehntelsekunden Rückstand Platz drei im extrem engen Rennen. Während die 30-jährige Österreicherin immer wieder mal auf dem Podium vorbeischaute, zuletzt aber mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, überraschte Vickhoff Lie alle. Dabei ist das Potenzial der 24-Jährigen kein Geheimnis, 2018 holte sie zwei Titel bei der Junioren-WM. Nach einem Schien- und Wadenbeinbruch 2021 tat sie sich lange schwer – und war nun zum perfekten Zeitpunkt in Topform.

Jetzt wird's rasant: Am Donnerstag greift der große Favorit Marco Odermatt im Super-G an, zwei Tage später ermitteln die Speed-Fahrerinnen die Königin der Abfahrt. Nicht nur Weidle hat sich viel vorgenommen, auch die immer am Rande des Sturzes fahrende Italienerin Sofia Goggia möchte Platz elf aus dem Super-G vergessen machen.

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