Pechstein-Urteil "Revolution für die Sportwelt"

Mit ihrer Schadensersatzklage ist Claudia Pechstein zunächst gescheitert. Aber das Urteil des Münchner Landgerichts ist dennoch bahnbrechend. Die Athletenvereinbarung steht nach dem Schiedsspruch auf dem Prüfstand - der DOSB bleibt noch gelassen. 
Eisschnellläuferin Pechstein: "Fulminanten Sieg errungen"

Eisschnellläuferin Pechstein: "Fulminanten Sieg errungen"

Foto: DPA

Hamburg - Claudia Pechstein erhält zwar keinen Cent Schadensersatz - und könnte trotzdem ein Beben für die Sportgerichtsbarkeit ausgelöst haben. Dass das Landgericht München I die geschlossenen Schiedsvereinbarungen des Eisschnelllaufstars mit den Verbänden für unwirksam erklärte, kann weitreichende Folgen haben.

Die Vereinbarungen wurden seitens der Klägerin nicht freiwillig getroffen, teilte das Gericht mit. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarungen habe ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen der Klägerin und den Beklagten bestanden. "Die Klägerin hatte bei der Unterzeichnung der Schiedsvereinbarungen keine Wahl", hieß es in dem Urteil.

Ohne die Unterzeichnung wäre Pechstein "nicht zu Wettkämpfen zugelassen worden und dadurch in ihrer Berufsausübung behindert gewesen". Jeder Sportler verpflichtet sich per Unterschrift unter die Athletenvereinbarung, bei Rechtsstreitigkeiten nicht vor ein ordentliches Gericht, sondern nur vor ein Sportgericht bis hin zum Internationalren Sportgerichtshof Cas zu ziehen. Dies hatte Pechstein, die mit den Klagen gegen ihre Dopingsperre vor allen sportrechtlichen Instanzen gescheitert war, massiv kritisiert

"Das ist ein Erfolg, vielleicht sogar eine Revolution für die gesamte Sportwelt", sagte Pechsteins Anwalt Thomas Summerer. Athleten könnten nicht weiter gezwungen werden, eine Klausel zu unterschreiben, die es ihnen verbietet, vor ein staatliches Gericht zu ziehen. Pechstein habe "einen fulminanten Sieg errungen für alle Athleten in Deutschland".

DOSB sieht keinerlei Auswirkungen

Pechstein selbst wollte sich nicht äußern. Sie hatte vom Eislauf-Weltverband Isu und der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG eine Entschädigung von fast vier Millionen Euro gefordert. Sie war zwischen 2009 bis 2011 wegen auffälliger Blutwerte vom Weltverband gesperrt worden. Die 42-Jährige bestreitet Doping und macht eine vererbte Anomalie für ihre Blutwerte verantwortlich.

Dass das Gericht ihrer Schadenersatzklage nicht folgte und das Urteil des Sportgerichtshofes Cas als rechtmäßig ansah, konnte Summerer verkraften. Das Gericht hatte allerdings keine inhaltliche Prüfung des Cas-Urteils von 2009 vorgenommen. "Für die Schadensersatzfrage gibt es eine zweite Instanz vor dem Oberlandesgericht. Wir gehen dort in Berufung. Aber jetzt ist klar, dass ein Zivilgericht für diesen Fall zuständig ist und das war besonders wichtig für uns", so der Anwalt.

Der Deutsche Olympischen Sportbund DOSB stellte in einem Statement klar, dass sich die Aussagen des Gerichtes nicht auf die Athletenvereinbarung Pechsteins mit dem DOSB, sondern mit dem nationalen und internationalen Fachverband beziehen. Bezüglich der generellen Gültigkeit von Athletenvereinbarungen gebe es unterschiedliche Auffassungen. "Zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in Dopingfragen besteht keine Alternative", sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper.

aha/dpa/sid
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