Biathlon-Weltmeisterin Herrmann-Wick »Kann mich bitte jemand kneifen?«

Denise Herrmann-Wick beschert den deutschen Biathleten bei der Heim-WM in Oberhof die erste Goldmedaille. Und die zählt für sie sogar mehr als ihr Olympiasieg.
Oberhof vor Olympia: Für Denise Herrmann-Wick ist das Gold bei der Heim-WM etwas ganz Besonderes

Oberhof vor Olympia: Für Denise Herrmann-Wick ist das Gold bei der Heim-WM etwas ganz Besonderes

Foto: TOBIAS SCHWARZ / AFP

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Wie die Bilder sich doch glichen. Denise Herrmann-Wick hatte sich völlig verausgabt. Schnaufend sackte sie hinter der Ziellinie in den Schnee und blieb erst einmal liegen, ehe sie sich hochhievte und kurz Richtung Publikum winkte. Jubel war da zunächst nicht, nur das Warten auf die Zeiten der anderen. Dann irgendwann am Streckenrand die große Freude. Fast so hatte es vor einem Jahr bei ihrem Olympiasieg auch ausgesehen.

Die Parallelen mit der Szene zu Peking 2022 waren da, und doch war diesmal alles noch viel schöner. Oberhof ist größer als Olympia, sagte sie später nach dem Rennen, selbst wenn die Winterspiele sportlich natürlich nicht zu toppen sind: »Bei einer Heim-WM ganz oben zu stehen, das ist noch mal ein anderer Gipfel, eine andere Emotionslage.«

Denise Herrmann-Wick hat bei den Biathlon-Weltmeisterschaften in Oberhof Gold im Sprint über 7,5 Kilometer gewonnen. Es ist die erste Medaille für das deutsche Team bei seiner Heim-WM. Zwei fehlerfreie Schießeinlagen und eine sensationelle Laufleistung bescherten der 34-Jährigen einen »magic moment«, wie sie sagte, einen Traum, der in Erfüllung gehe.

Im Ziel: Herrmann-Wick legt sich erst in den Schnee, dann winkt sie ins Publikum

Im Ziel: Herrmann-Wick legt sich erst in den Schnee, dann winkt sie ins Publikum

Foto: Alexander Hassenstein / Getty Images

2,2 Sekunden lag Herrmann-Wick letztlich vor der Schwedin Hanna Öberg, die nach dem Stehendanschlag noch in Führung gelegen hatte. Für die Deutsche ist es insgesamt die siebte WM-Medaille der Karriere, nachdem sie 2019 in der Verfolgung schon den Titel gewonnen hatte.

Dabei hatten die äußeren Umstände augenscheinlich gar nicht für Herrmann-Wick gesprochen. Sie hätte schlecht geschlafen, erzählte sie nach dem Rennen, sei »total aufgeregt« gewesen, der Puls schon beim Einlaufen nicht mehr heruntergekommen. »So ein Rennen«, und das bei der Heim-WM, »das kann man mit Worten nicht beschreiben«, sagte sie. 11.000 Zuschauer johlten zur dröhnenden Schlagermusik mit Deutschlandfahnen, Betreuer und Team fielen sich in die Arme.

»Biathlon genießen«, das hatte sie sich vorgenommen

Für Herrmann-Wick war der Druck besonders hoch gewesen. Die 34-Jährige war als größte, wenn nicht gar einzige deutsche Medaillenhoffnung abseits der Staffeln in die Weltmeisterschaft gestartet. Herrmann-Wick hat in diesem Winter als einzige Deutsche zwei Weltcups gewonnen. Im Gesamt-Weltcup belegt sie derzeit Platz fünf. Und auch wenn die Leistungsdichte bei den Frauen in der Spitze deutlich höher ist, als bei den Männern, wo derzeit nur Johannes Thingnes Bø und seine Norweger dominieren, hatte man für diesen Sprintsieg doch eher andere auf dem Zettel.

In der Vergangenheit hatte der einstigen Spezialläuferin, die erst 2016 zum Biathlon wechselte, das Schießen immer wieder Probleme bereitet. Der Saisonverlauf schwankte oft zwischen Fortschritt und Aussetzern. Weggefährten bescheinigen Herrmann-Wick einen Hang zur Perfektion. Das schien nicht immer gut, weil sie sich selbst immensen Druck machte. Aber das Dranbleiben, die Akribie, der Fleiß scheinen sich mit den Jahren ausgezahlt zu haben.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Das Schießen ist inzwischen etwas konstanter, die Trefferquote von 87 Prozent liegend und 85 stehend solide, auch wenn Konkurrentinnen wie die Weltcup-Führende Julia Simon (Frankreich) und die Zweite Elvira Öberg (Schweden) im Liegen Werte jenseits der 90 vorweisen. Im Sprint von Oberhof nahm sich Herrmann-Wick besonders viel Zeit, um die Scheiben anzuvisieren – wohl auch im Vertrauen, dass es dann in der Loipe mit der Form schon passen würde.

Nach den Winterspielen von Peking hat Herrmann-Wick eine neue Gelassenheit gewonnen. Nicht mehr so viel Stress machen, mehr Spaß am Sport haben, hatte sie sich geschworen, »Biathlon genießen«, sagte sie vor der WM, das sei die neue Maßgabe. Auf der schweren Oberhofer Strecke mit ihren berüchtigten Anstiegen kam ihr dann zusätzlich die Erfahrung zugute. Während sich manch eine Konkurrentin in der Loipe übernahm, machte sie Sekunden gut.

Herrmann-Wick ist inzwischen die »Mama« im Team

Herrmann-Wick kennt die Runden hier im Thüringer Wald aus vielen Jahren. Sie kommt selbst aus dem sächsischen Erzgebirge. In Oberhof setzte sie nach ihrem Wechsel zum Biathlon auch ihre ersten Schüsse. Nah an der Heimat waren bei ihrem WM-Erfolg nun auch viele Freunde und Familie an der Strecke gewesen. Kurz nach dem Rennen teilte sie ein Bild auf Instagram: Sie selbst am Streckenrand mit Stöcken und Skiern, dick eingepackt, wild lachend. »Es war der Traum. Mein Traum. Kann mich bitte jemand kneifen?«

Eine große Feier sollte es am Abend wegen der anstehenden Wettbewerbe nicht mehr geben. Aber etwas »Süßkram«, sagte sie, wollte sie sich dann doch gönnen.

Herrmann ist inzwischen die Älteste im Team und wird von den anderen »Mama« genannt, sie muss auf und neben der Strecke vorangehen. Entsprechend groß war nach der ersten Medaille die Erleichterung bei den deutschen Verantwortlichen. Der letzte Sprint-WM-Sieg der Frauen stammte noch von Magdalena Neuner 2012 in Ruhpolding. »Es geht nicht besser, das ist ein toller Tag für uns«, sagte Sportdirektor Felix Bitterling. Alles, was jetzt noch komme, sei Zugabe – vor allem für die Frauen.

An diesem Samstag starten die Männer im Sprint über zehn Kilometer (14.30 Uhr). Benedikt Doll hat bestenfalls Außenseiterchancen. Besser sieht es für die Deutschen am Sonntag aus: Im Verfolgungsrennen der Frauen (13.25 Uhr/ ZDF und Eurosport) geht Denise Herrmann-Wick nach ihrem Sprint-Erfolg als Gejagte ins Rennen. 2019 hatte sie in dieser Disziplin ihren ersten WM-Titel gefeiert.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren