München im Finale der Champions Hockey League Die Besser-Bayern

EHC-Profis Frank Mauer (l.) und Patrick Hager
Foto: Tobias Hase/ dpaGöteborg staunte über die Menschen, die in Pulks in ihrer Stadt ankamen. Hörbar Deutsche. Sichtbar Süddeutsche, Bayern. Einige von ihnen trugen - und auch in Schweden ist tiefer Winter - demonstrativ kurze Lederhosen. Doch die Fantrikots darüber waren keine des FC Bayern München, der Fußball-Weltmarke, sondern die des EHC Red Bull München. Ein Eishockeyklub, der eine junge Geschichte hat und international noch gar keine. Und doch spielt er am Abend darum, die Champions League seiner Sportart zu gewinnen (19 Uhr; TV: Sport1). Die Bayern werden das in ihrem Metier dieses Jahr eher nicht schaffen.
Fünfhundert Anhänger haben den EHC München zum Spiel gegen die Frölunda Indians aus Göteborg begleitet. Eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass der Verein in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) auf Platz acht der Zuschauertabelle liegt, mit einem Schnitt von 4773, und aus gegnerischen Fanblöcken verlässlich die Häme ertönt: "Selbst in München kennt euch keine Sau."
Zum Viertelfinal-Heimspiel in der Champions Hockey League (CHL) gegen die Malmö Redhawks, ein weiteres schwedisches Team, kamen gut 3000 Zuschauer. Erst mit dem Halbfinale wurde die CHL zum Renner. Kurioserweise traf der EHC Red Bull München da auf den EC Red Bull Salzburg - beide Vereine gehören zu hundert Prozent zum Brause-Imperium des österreichischen Unternehmers Dietrich Mateschitz und haben sogar dieselben Geschäftsführer.
Ein deutsches Team im Finale ist ungewöhnlich
Das Thema einer möglichen Stallorder wurde von offizieller Seite klein gehalten, Hin- und Rückspiel waren ausverkauft, der Kampf auf dem Eis wirkte ehrlich. München setzte sich durch (0:0, 3:1). Und Martin Baumann, der Chef der CHL, war glücklich: "Hätte ich mir eine Paarung wünschen dürfen - es wäre diese gewesen."
Baumann, Schweizer, früher bei den führenden Bankhäusern seines Landes beschäftigt, wünscht sich für seine Liga "eine Cinderella-Story". Der EHC München könnte sein Aschenputtel werden. Zwar nicht, wenn man die finanziellen Möglichkeiten zum Maßstab nimmt - mit mindestens 15 Millionen Euro Saisonetat gehört der Verein, den Mateschitz 2013 übernahm, zum Eishockey-Geldadel in Mittel- und Nordeuropa. Aber dass eine deutsche Mannschaft das Endspiel erreicht, ist ungewöhnlich. Die beiden anderen Starter, Nürnberg Ice Tigers und Eisbären Berlin, waren nicht über die Vorrunde hinausgekommen, und in den vier Jahren davor, seit der Einführung des Wettbewerbs 2014, war das Achtelfinale das Maximum, das Klubs aus der DEL erreichten.
Man nahm die CHL, die im August ihre ersten Termine hatte, als Vorbereitung auf die DEL-Saison, danach war sie im dichten Terminkalender lästig; an eine Chance, den Pokal zu gewinnen, der aussieht wie ein russischer Samowar, glaubte man nicht ernsthaft.
"Aber sonst sind die nicht besser"
Bei den Münchnern entwickelte sich der Glaube allmählich. Vor allem die Auswärtsspiele im Schweiz Zug, Malmö und Salzburg wurden zur Reifeprüfung für die Mannschaft, die in Deutschland die Titel von 2016 bis 2018 gewonnen hatte. Den Spielern sind die Einwände bekannt, die bezüglich der Wertigkeit der CHL erhoben werden. Anders als im Fußball spielen die Besten nicht in Europa, sondern in Nordamerika, in der NHL. Und es spielen auch nicht alle aus Europa mit. Die russisch organisierte Kontinental Hockey League (KHL), ein multinationaler NHL-Klon, in dem auch das finnische Spitzenteam Jokerit Helsinki oder der chinesische Klub Kunlun Red Star mitwirken, ignoriert die CHL.
Doch Eishockeyspieler sind pragmatisch. Wer sich dem Wettbewerb nicht stellt, interessiert sie auch nicht - es ist wie beim Olympiaturnier vor einem Jahr, das unter der Absenz der NHL-Profis litt, aber dennoch seine eigenen Geschichten entwickelte. Sechs Spieler aus dem deutschen Silber-Team stehen heute für München auf dem Eis, ein paar schwedische Gesichter kennen sie vom Olympia-Viertelfinale, das sie in der Verlängerung gewannen. Nach neun Siegen in Serie in der DEL fühlen sich die Münchner stark, ihr Mittelstürmer Patrick Hager wird gar frech, wenn er sagt: "Frölunda hat ein, zwei junge Spieler, die nach der NHL schielen, die herausstechen und individuell besser sind als wir. Aber sonst sind die nicht besser."
"Auch die, die uns sonst nicht mögen"
Frank Mauer, auch er Nationalspieler, glaubt gar, dass "ganz Eishockey-Deutschland hinter uns steht - auch die, die uns sonst nicht so mögen". Es hat in der Fachwelt Anerkennung gefunden, dass der EHC nach einer Verletzungswelle bei seinen Stammspielern nicht nachkaufte, sondern Talente aus der mit Salzburg betriebenen Akademie wie Jakob Mayenschein, Maxi Daubner und Tobias Eder aufs Eis schickte.
Zeitgleich findet heute auch das erste deutsche Länderspiel unter dem neuen Bundestrainer Toni Söderholm statt (in Memmingen gegen die Schweiz), doch der Nummer-eins-Termin ist Münchens Auftritt in Göteborg.
Franz Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, hat sich für die Reise nach Schweden entschieden.
Günter Klein ist Chefreporter Sport des "Münchner Merkur". Der gebürtige Augsburger gilt als einer der besten Eishockey-Experten in Deutschland. Seit mehr als 30 Jahren verfolgt er die Entwicklung der Sportart, war bei zahlreichen WM-Turnieren und Olympischen Spielen dabei.