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Eisschnelllauf: Saison ohne die Stars

Foto: Friso Gentsch/ dpa

Eisschnelllauf vor Neustart Glamour-Faktor liegt auf Eis

Jahrelang war das Eisschnelllaufen der Frauen eine Paradedisziplin des deutschen Wintersports - vor allem dank der Stars Anni Friesinger und Claudia Pechstein. Jetzt beginnt die Saison, und die Stars sind nicht dabei. Für die Sportart endet die Zeit im Scheinwerferlicht.

Die Deutsche Eisschnelllaufgemeinschaft DESG tut sich schwer mit dem Abschiednehmen. Auf der Website des Verbandes sind als Mitglieder des A-Kaders immer noch Anni Friesinger-Postma, Daniela Anschütz-Thoms und Claudia Pechstein aufgeführt. Friesinger und Anschütz-Thoms haben allerdings schon vor Monaten ihre Karrieren beendet, und Pechstein ist bis zum Ablauf ihrer Dopingsperre im Februar immer noch gezwungenermaßen im Wartestand. Die Eisschnelllauf-Saison beginnt am Donnerstag mit den Deutschen Meisterschaften in Erfurt, der Glamour-Faktor, der die Sportart bei den Frauen jahrelang auszeichnete, ist weg.

Friesinger, Anschütz-Thoms und Pechstein haben gemeinsam 16 Olympia-Medaillen gewonnen, bei Weltmeisterschaft 69 Mal Edelmetall geholt. Gleichzeitig waren Friesinger und Pechstein auch angesichts der herzlichen Abneigung, die beide verbunden hat, ein Jahrzehnt lang für Schlagzeilen jenseits der Eisbahn zuständig, haben auch dank ihrer rührigen Managements den Eingang in die bunten Zeitschriften geschafft, waren immer für eine Nachricht oder ein Bild gut: Von den erotischen Fotos von Friesinger im "Playboy" bis zu dem in Teilen skurril anmutenden Anti-Doping-Kampf Pechsteins.

Friesinger ist in diesem Winter nicht mehr die Gallionsfigur der Sportart, sondern TV-Kommentatorin im niederländischen Fernsehen. Anschütz-Thoms, die als die Ewige Vierte in die Eisschnelllauf-Annalen eingehen wird, lässt sich im Marketing ausbilden und wird Mutter, und Pechstein hat die verordnete Auszeit genutzt, um Imbissbuden zu eröffnen, sich auf Inlineskates zu versuchen und ihre Autobiographie zu schreiben, die am Montag in Berlin vorgestellt wird. Titel: "Von Gold und Blut".

Sportlich steht das Team immer noch gut da

Rein sportlich hat sich die DESG in dieser Saison noch nicht einmal verschlechtert. Mit Top-Sprinterin Jenny Wolf und dem aufgehenden Stern der Branche, Stephanie Beckert, hat Deutschland immer noch und wieder zwei Weltklasseläuferinnen. Friesinger hatte zum Karriereausklang ohnehin schon große Schwierigkeiten, mit der Weltelite mitzuhalten. Bei den Olympischen Spielen in Vancouver hat sie mit ihrem Stolpersturz ins Ziel zwar eines der Bilder der Spiele geprägt, die haften blieben, aber in Topform war die Bayerin da schon lange nicht mehr.

Und ob Pechstein nach Ablauf ihrer Sperre mit ihren dann 39 Jahren und der fehlenden Wettbewerbspraxis tatsächlich noch einmal den Sprung zurück zu Topplatzierungen gelingt, ist mehr als zweifelhaft. DESG-Präsident Gerd Heinze sagt zwar, "sie hat den unbedingten Ehrgeiz, der Welt noch mal zu zeigen, was sie kann", aber in der Fachwelt rechnet sonst fast niemand damit, dass ihr tatsächlich ein sportlich Aufsehen erregendes Comeback gelingen kann. Startberechtigt wäre sie theroretisch erstmals bei der Mehrkampf-WM in Calgary am 9. Februar. Da sie sich jedoch selbst nicht für diese qualifizieren kann, müsste sie einen Startplatz zugewiesen bekommen, den eine andere Läuferin zuvor erkämpft hätte.

Zeit der Zicken-Duelle ist vorbei

Mit Wolf, Beckert, den erfahrenen Monique Angermüller und Katrin Mattscherodt, sowie den Talenten Bente Kraus und Jennifer Bay hat das deutsche Frauen-Eisschnelllaufen auch ohne ein Pechstein-Comeback Perspektive. Weder die stille Stephanie Beckert, immerhin dreifache Medaillengewinnerin von Vancouver und soeben zu Deutschlands Eisschnellläuferin des Jahres gekürt, noch die unprätenziöse Jenny Wolf sind Typen, die sich gut vermarkten lassen. Es fehlt der Darling-Faktor Friesingers. Den hatte zwar auch Pechstein nicht, sie sicherte sich ihre Attraktivität für die Werbewirtschaft allerdings über ihre überragenden Erfolge. Noch immer gibt es keine Wintersportlerin, die bei Olympischen Spielen so absahnte wie die Berlinerin zwischen 1992 und 2006.

Zudem ließ sich gerade die klischeehafte Gegensätzlichkeit der beiden Kufenstars verkaufen: Anni offenherzig aus dem Westen, Pechstein spröde aus dem Osten. Das hat Fan-Milieus auf beiden Seiten geschaffen. "Das Zicken-Duell war für unsere Sportart sicherlich förderlich", hat Pechstein mal in einem SPIEGEL-Interview gesagt.

Damit ist jetzt Schluss. Beckert und Wolf definieren sich allein über ihre Zeiten und Resultate. Das wird in dieser nacholympischen Saison für den einen oder anderen Weltcupsieg ausreichen. Vor allem Wolf befindet sich fast traditionell schon wieder in einer starken Frühform. Aber das interessiert nur noch das Fachpublikum.

Ab diesem Winter zählt nur noch die nackte Leistung. Nicht die nackte Haut.

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