
Neureuther bei der Ski-WM Auf der Suche nach dem alten Felix


DSV-Frauen-Hoffnungsträgerin Rebensburg
Foto: Domenico Stinellis/ APIn der vergangenen Woche wurde Felix Neureuther nach seinen Erinnerungen gefragt, an seine allererste WM, damals an gleicher Stelle in der Schweiz. Neureuther sagte, so viel wisse er eigentlich gar nicht mehr, und ergänzte: "Ich bin selbst darüber erschrocken, dass das schon so lange her ist." Genau 14 Jahre sind es, seit der damals 18-Jährige als Nachwuchshoffnung seine erste Weltmeisterschaft bestritt, 2003 ebenfalls in St. Moritz.
Wenn am Montag nun in dem mondänen Nobelort im Hochtal Engadin die alpine Ski-WM 2017 eröffnet wird, dann schließt sich der Kreis für Neureuther. Mit 32 Jahren ist er mittlerweile im Herbst seiner Karriere angekommen, und natürlich hat sich viel geändert in den vergangenen knapp eineinhalb Jahrzehnten. Damals war er noch der naive Jungspund, der unbekümmert los plauderte und von den schönen Rahmenbedingungen schwärmte, allen voran von den attraktiven, so wörtlich, "Skihasen im Mannschaftshotel".
Albern und humorvoll ist er auch heute noch manchmal und doch ist Neureuther ernster und nachdenklicher geworden. Aus dem Lausbub von einst wurde ein Leitwolf, er hat in seiner Laufbahn viel erlebt, trotzdem verspürt er nun ein ganz neues, eher seltsames Gefühl. Nach vielen Höhen und Tiefen steckt er jetzt mittendrin. Nicht ganz oben, nicht ganz unten. Einfach dazwischen. Er weiß selbst nicht, wo er steht und was ihm fehlt. Und das gibt ihm zu denken. "Ich möchte dieses Aha-Erlebnis haben, dass ich das Gefühl habe, wieder der alte Felix zu sein."
Wie fällt die Erfolgsbilanz in diesem Winter aus?
Im bisherigen Winter lief es eher durchwachsen für Neureuther, das belegt allein die Zahl seiner Podiumsplätze. Vor der WM 2013, wo er in Schladming Slalom-Silber holte, war er im Weltcup sechs Mal unter die besten drei gekommen, vor der WM 2015 in Vail (dort gewann er Bronze) gar sieben Mal. In diesem Winter schaffte er es bislang erst dreimal auf das Podest. Für einen, der in den vergangenen sieben Jahren immerhin zwölf Weltcup-Rennen gewann, ist das zu wenig. Dazu kam nun eine Knieblessur, die er sich bei der WM-Generalprobe beim Nachtslalom von Schladming zuzog.
Dabei ist ein gesunder Neureuther in Bestform gerade für den Deutschen Skiverband (DSV) von enormer Bedeutung. Der 32-Jährige reist als größte Hoffnung des DSV in die Schweiz, als Routinier in einer wiedererstarkten Mannschaft: mit Stefan Luitz (24), der beim Riesenslalom von Garmisch-Partenkirchen Ende Januar Dritter wurde. Und mit dem ebenfalls 24-jährigen Linus Straßer, der zwei Tage später sensationell den Parallelslalom von Stockholm gewann und dort als Ersatz für den verletzten Neureuther an den Start gegangen war.
Langsamer geht es hingegen in den schnellen Disziplinen voran, doch immerhin landen die lange kriselnden Abfahrer nicht mehr in den hinteren Regionen zwischen Läufern aus Argentinien und Usbekistan. Andreas Sander und Josef Ferstl sind nach Achtungserfolgen auch Plätze unter den besten zehn zuzutrauen.
Wie sieht es mit den DSV-Frauen aus?
Beim Damenteam sieht die Situation anders aus, und auch das ist ein großer Unterschied zu früher. Seit den Zeiten einer Katja Seizinger in den Neunzigerjahren gewannen in der Alpin-Sparte des DSV bis Neureuther 2013 nur die Frauen Medaillen, allen voran Hilde Gerg und Martina Ertl, Maria Höfl-Riesch und Viktoria Rebensburg. Doch außer Rebensburg hat nun in St. Moritz keine DSV-Starterin eine realistische Aussicht auf Edelmetall. Nicht Lena Dürr oder Christina Geiger, am wenigsten Marina Wallner und Kira Weidle, die froh sind, erstmals überhaupt bei einer WM dabei zu sein. So wie einst Felix Neureuther vor 14 Jahren.
DSV-Frauen-Hoffnungsträgerin Rebensburg
Foto: Domenico Stinellis/ APDrei Medaillen hat der alpine Sportdirektor Wolfgang Maier für die bis zum 19. Februar dauernden Titelkämpfe als Ziel ausgegeben. Eine im Team-Wettbewerb, eine bei den Frauen, eine bei den Männern. Vielleicht die letzte Chance für Neureuther auf das ersehnte Einzel-Gold bei einer WM.
Als finales großes Ziel seiner Karriere gab Neureuther die Winterspiele 2018 im Pyeongchang an. Danach könnte Schluss sein. Ob er sich die WM 2019 im schwedischen Are noch antun will, ist fraglich. Außerdem steht langsam die Familienplanung an. Seit vier Jahren ist Neureuther mit der Biathletin Miriam Gössner liiert, beide waren im Juli bei der Hochzeit von Ana Ivanovic und Bastian Schweinsteiger, Neureuthers altem Freund aus Kindheitstagen. Als Ivanovic den Brautstrauß warf, fing ihn Gössner auf. Möglich, dass zu Hause in Garmisch bald die Hochzeitsglocken läuten: "Die Miri hat mich schon unter Druck gesetzt", scherzte Neureuther unlängst.
Nach Skihasen im Mannschaftshotel wie einst 2003 braucht er in St. Moritz also nicht mehr suchen. Hauptsache, er findet den alten Felix.
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Mutmacher: Felix Neureuther ist mitten in einer Weltcupsaison, die nicht schlecht verläuft, aber auch nicht wirklich erfolgreich. Drei Podestplätze stehen bisher in der Bilanz, einen davon sicherte sich der 32-Jährige Mitte Januar mit Platz drei beim Slalom im Schweizer Wengen.
Es ging bergauf für den schnellen Bergabspezialisten, in Zagreb eine Woche zuvor war Neureuther auf Platz zwei gefahren und dann in Adelboden (Foto) auf den vierten Rang. Rechtzeitig vor der Ski-WM schien der beste deutsche Skifahrer der Gegenwart wieder in Form zu sein, dann verletzte er sich bei der WM-Generalprobe in Schladming am Knie.
Aber auch das ist irgendwie sinnbildlich für eine großartige Karriere, die analog zum Slalom immer wieder im Zickzack verlief.
Eine große Laufbahn war ihm in die Wiege gelegt, als Sohn der Skilegenden Rosi Mittermaier, rechts, und Christian Neureuther. Die Mama hatte bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck zweimal Gold gewonnen, der Papa feierte sechs Weltcuperfolge - alle im Slalom.
Seine ersten Rennen im Weltcup bestritt der Filius Felix in der Saison 2002/2003. Es dauerte aber bis zum Winter 2006/2007, ehe er im Slalom von Beaver Creek das erste Mal aufs Treppchen fuhr.
Gleich in seiner ersten Saison durfte Neureuther bei der Ski-WM starten - in St. Moritz. Mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang verbesserte er sich noch vom 29. auf den 15. Rang und stellte sein riesiges Talent unter Beweis.
Bis zu seinem ersten Weltcup-Sieg sollte es aber noch einige Jahre dauern: Kitzbühel 2010. Es folgte im selben Jahr noch der Triumph in Garmisch-Partenkirchen.
Bei den Winterspielen in Vancouver 2010 gab es das Aus im Slalom und Platz acht im Riesenslalom.
Auch bei den Winterspielen 2014 in Sotschi blieb Neureuther hinter den Erwartungen zurück. Aufgrund eines bei einem Autounfall erlittenen Schleudertraumas war er gehandicapt. Im Slalom schied Neureuther erneut aus, im Riesenslalom wurde er (auch hier wie in Vancouver) Achter.
Wenig glücklich lief dazwischen auch die Heim-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen, vor der es einen regelrechten Neureuther-Hype gegeben hatte: Im Slalom schied Neureuther aus, im Riesenslalom belegte er nur Platz 34.
In Madonna di Campiglio gewann Neureuther 2014 den Slalom und machte sich mit seinem zehnten Slalom-Weltcupsieg zum erfolgreichsten Deutschen in dieser Disziplin.
Bei der WM 2013 in Schladming freute sich Neureuther über Silber im Slalom. Dazu kam noch Bronze im Teamwettbewerb.
Der Mann für die großen Gesten und die deutschen Rekorde jubelte im Januar 2014 in Adelboden über den ersten deutschen Riesenslalomsieg seit mehr als 40 Jahren. In St. Moritz, da, wo alles begann, könnte er nun einen seiner letzten Träume wahrmachen: Eine WM-Goldmedaille im Einzel.
Bei den Frauen hat nur Viktoria Rebensburg, die beste deutsche Skifahrerin seit dem Rücktritt von Maria Höfl-Riesch, realistische Medaillenchancen. Die frühere Riesenslalom-Spezialistin fühlt sich mittlerweile auch in den Speed-Disziplinen wohl.
Rebensburg wird in St. Moritz in den Disziplinen Super-G, Abfahrt, Riesenslalom und im Team antreten. Rechtzeitig vor der Weltmeisterschaft nähert sie sich wieder ihrer Bestform, die ihr bisher einen Olympiasieg, eine olympische Bronzemedaille und 2015 WM-Silber beschert hat.
Im Aufwind befand sich zuletzt auch Slalom-Spezialistin Christina Geiger. Die 26-Jährige fuhr beim letzten Weltcup-Slalom in Flachau auf den achten Platz - eine Medaille wäre angesichts der großen Konkurrenz um Mikaela Shiffrin (USA), Veronika Velez Zuzulova (Slowakei) oder die Schwedin Frida Hansdotter aber eine riesige Überraschung. Bisher konnte Geiger im Weltcup noch keinen Sieg feiern.
Ihre Mannschaftkollegin Lena Dürr ist da schon einen Schritt weiter, 2013 gewann sie das Weltcup-Rennen in Moskau. In dieser Saison war Dürrs beste Platzierung ein sechster Platz beim Slalom in Killington. Dürrs Formkurve zeigte zuletzt jedoch eher nach unten.
Marina Wallner konnte die Verbandskriterien mit der Vorgabe von einer Platzierung unter den ersten acht oder zweimal unter den ersten 15 im Weltcup nicht erfüllen. Trotzdem wurde sie vom DSV nominiert und dürfte in Slalom und Kombination starten.
Ist Felix Neureuther fit genug für die WM? Der zwölfmalige Weltcup-Sieger kämpfte zuletzt mit Knieproblemen und hatte den Parallelslalom in Stockholm ausgelassen.
Neureuther will im Slalom und Riesenslalom starten und wenn es sein Knie zulässt, kommt das Mannschaftsrennen dazu. Der 32-Jährige gewann 2013 bei der WM in Schladming die Silber- und 2015 in Beaver Creek die Bronzemedaille im Slalom. Fehlt noch Gold - doch die Konkurrenten Marcel Hirscher (Österreich) und Henrik Kristoffersen (Norwegen) scheinen zu stark zu sein.
Linus Straßer trat in Stockholm für Neureuther an - und gewann völlig überraschend den Parallelslalom. Den 24-Jährigen deshalb zum Medaillenkandidaten im Slalom zu machen, erscheint aber verfrüht.
Immerhin konnte sich Straßer damit zum zweiten Mal in Folge für die alpine Ski-WM qualifizieren. Möglicherweise wird er auch für den Riesenslalom nominiert.
Speed-Spezialist Josef Ferstl ließ in dieser Saison bereits zweimal aufhorchen. Der 28-Jährige belegte bei den Super-G-Rennen in Santa Caterina und Kitzbühel die Plätze fünf und acht. In der Abfahrt lief es dagegen nicht so gut - trotzdem wird er in beiden Disziplinen starten.
Die dritte realistische Medaillenhoffnung neben Rebensburg und Neureuther heißt für den DSV Stefan Luitz. Der 24-Jährige wartet zwar noch auf seinen ersten Weltcupsieg, in Garmisch-Partenkirchen beim letzten Riesenslalom vor der WM stand er als Dritter aber auf dem Podium.
Wie die dreifache Olympiasiegerin Katja Seizinger wurde auch Andreas Sander in Nordrhein-Westfalen geboren und lernte das Skifahren im Urlaub. Mittlerweile ist der Abfahrt- und Super-G-Spezialist in der erweiterten Weltspitze angekommen. Beste Platzierung in dieser Saison: Rang fünf im Super-G in Gröden.
Bei Thomas Dreßen wird in dieser Saison als beste Platzierung ein 17. Platz im Super-G von Gröden notiert.
Wie Dreßen hatte sich auch Dominik Stehle sportlich nicht für die WM qualifiziert, soll in seinen Disziplinen Slalom und Riesenslalom aber Erfahrungen sammeln.
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