Friesinger außer Form Die Rumpel-Anni

Markus Eicher hat immer gewusst, was das Beste für Anni Friesinger ist. 2002 in Salt Lake City hat er sie als persönlicher Coach zu ihrer ersten olympischen Goldmedaille geführt. 2006 in Turin war er derjenige, der Friesinger für das Eisschnelllauf-Gold im Team fit gemacht hat. Auch 2010 hat Eicher, mittlerweile Frauen-Bundestrainer, einen genauen Plan, wie es zur Medaille im Teamwettbewerb reichen soll. Und wieder spielt Friesinger eine zentrale Rolle darin. Eicher spielt nämlich mit dem Gedanken, die formschwache deutsche Vorzeigeläuferin einfach draußen zu lassen. Es scheint, als sei die Olympia-Karriere einer großen Athletin am Sonntag sang- und klanglos zu Ende gegangen.
Ein erschreckend schwacher Auftritt und ein 14. Platz über 1000 Meter, lediglich Neunte auf ihrer Paradestrecke, den 1500 Metern - Friesinger versinkt bei diesen Winterspielen in der Füllmasse des Ergebnis-Mittelfelds. Die Besten aus Kanada oder aus den Niederlanden sind in diesen Tagen von Vancouver viel zu weit weg für die 33-Jährige. Selbst der "Bild"-Zeitung, die Friesinger trotzig bis zuletzt als "Gold-Hoffnung" propagiert hatte, fiel nicht viel mehr ein als: "Ach, Anni".
Dabei hatte Friesinger auch nach ihrem verpatzten Auftritt über 1000 Meter, bei dem sie gleich zu Rennbeginn ins Stolpern gekommen war, nach außen hin noch Medaillenerwartungen für die 1500-Meter-Strecke genährt. Diese hielten im Richmond Olympic Oval der Realität nicht stand. "Wie ich im Moment laufe, kann ich mein Potential einfach nicht abrufen", sagt Friesinger. "Damit muss ich mich abfinden. Es reicht einfach nicht."
Das alles sind Vorlagen für den Bundestrainer, wenn er die Aufstellung für den Teamwettbewerb am Samstag vornimmt. "Ich bin unsicher, ob das etwas bringt mit Anni", sagt er in seltener Deutlichkeit. Und man ahnt, wie weh es ihm selber tun muss, seine über die Jahre betreute Herzensathletin aus dem A-Team heraus zu katapultieren.
Friesinger konnte in diesem Winter kein einziges Mal mit dem Team trainieren - immer war eine Krankheit oder eine Verletzung im Weg. Darauf beruft sich auch Eicher.
Friesingers Stil passt nicht mehr ins Team
Dazu kommt, dass Friesingers Laufstil sich schlecht mit dem von Stephanie Beckert vereinbaren lässt, dem aufstrebenden Kufenstar im deutschen Eisschnelllauf-Verband. Die 21-Jährige geht ihre Rennen am liebsten etwas langsamer an und entwickelt ihr höchstes Tempo erst am Ende, bei Friesinger ist es genau umgekehrt. Da Beckert ihre gute Form durch eine Silbermedaille über 3000 Meter schon nachgewiesen hat, fällt die Wahl zwischen einer 21-Jährigen, die Selbstbewusstsein ausstrahlt, und einer 33-Jährigen, die mit ihrer Verfassung hadert, nicht allzu schwer. Daniela Anschütz-Thoms, 2006 gemeinsam mit Friesinger und der in Vancouver dopinggesperrten Claudia Pechstein Mitglied im Gold-Team, ist mit ihrer Erfahrung gesetzt. Als dritte Athletin stünde die junge Katrin Mattscherodt zur Verfügung.
Im deutschen Eisschnelllauf-Lager hatte sich Friesinger schon vor Beginn der Spiele isoliert. Ihre beharrliche Weigerung, die Dienste des Teamarztes Gerald Lutz in Anspruch zu nehmen, stieß bei ihren Kolleginnen auf Unverständnis. Friesinger war nie die Personifikation des Teamgeistes. In einer Sportart, die seit der Deutschen Einheit von den Stützpunkten in Berlin und Erfurt geprägt ist, war die Bayerin mit Wohnsitz in den Niederlanden oft Einzelkämpferin. Ihr Glamour-Etikett und die seit Jahren von beiden Managements sorgsam gepflegte Rivalität zwischen Friesinger und Pechstein kamen hinzu. Friesingers Erfolge haben dies alles jahrelang überdeckt.
Die Entscheidung über die endgültige Aufstellung sei zwar noch nicht gefallen, sagt Eicher. Aber das klingt lediglich nach höflicher Etikette, wenn man dem Trainer weiter zuhört: "Mit Anni wäre das ein gewagtes Ding. Wenn das schiefgeht, dann sagen doch alle: Ja, seid ihr denn eigentlich bescheuert?" Und Eicher hat offenbar nicht vor, sich nach den Spielen als bescheuert bezeichnen zu lassen.
Es sind Friesingers vierte olympische Spiele. Bisher ist sie jedes mal mit einer Medaille nach Inzell heimgekehrt, Bronze in Nagano 1998, Gold und Bronze in Salt Lake City, noch einmal Gold in Turin. Es wird keine mehr dazukommen.
Das Knie macht immer noch Probleme
Alle im Verband sehen das so - nur bei Friesinger ist das noch nicht zur Gänze angekommen. Kurz nach dem 1500-Meter-Rennen sagte sie noch: "Ich habe definitiv noch Lust aufs Team. Auf 1000 Meter und 1500 Meter war ich hier schließlich die beste Deutsche."
Ein paar Stunden später klang das schon gedämpfter: "Ich stehe für das Team bereit", teilte sie zwar tapfer im ARD-Interview mit - um allerdings gleich nachzuschieben: "Ich muss einfach sehen, wie es gesundheitlich läuft." Schließlich sei sie nach wie vor "nicht beschwerdefrei". Das seit Monaten lädierte Knie eröffnet ihr die Möglichkeit, den Startverzicht im Teamwettkampf ohne großen Gesichtsverlust zu begründen.
Dass Friesingers ganz große Zeit zu Ende geht, hat man mittlerweile auch woanders gemerkt. Rechtzeitig zu den Spielen erscheinen Erotik-Fotos von ihr in der aktuellen Ausgabe des "Playboy". Auf dem Titelbild haben die "Playboy"-Macher dann aber doch lieber Oliver Pochers Ex-Freundin gezeigt.