Vierschanzentournee in Bischofshofen Zwischen Dreckssprüngen und Zauberflügen

Kamil Stoch im Flutlicht von Bischofshofen
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Rausgeflogen: »So ein Dreckssprung«, kommentierte Markus Eisenbichler seine 120,5 Meter in Bischofshofen. Die neben Karl Geiger zweite DSV-Hoffnung auf einen Spitzenplatz im Gesamtklassement hatte viel riskiert, um Punkte auf die Spitze gutzumachen – und war dann am Schanzentisch so spät dran, dass selbst der Einzug in den Finaldurchgang nicht klappen wollte. »Ich merke einfach, das ist ein Kampf und kein Genuss für mich im Flug«, sagte Eisenbichler. Das Selbstbewusstsein des Dezembers fehlt dem 29-Jährigen in diesem Jahr noch.
Das Ergebnis: Bischofshofen bleibt ein prima Pflaster für die polnischen Skispringer: Mit Kamil Stoch hat zum vierten Mal in den letzten fünf Jahren ein Pole das Dreikönigsspringen gewonnen und sich zugleich den Gesamtsieg gesichert. Lesen Sie hier den Wettkampfbericht.
Der erste Durchgang: Begann mit einem Paukenschlag. Gleich im ersten Duell legte Andrzej Strekala 135 Meter vor, dann überflügelte Karl Geiger den Polen mit 138 Metern. Und weckte ein Stück weit Resthoffnung: Was, wenn sich die Bedingungen für diejenigen, die in den späteren K.-o.-Duellen antreten würden, verschlechterten? Doch anders als der launische Bergisel in Innsbruck bot die Paul-Außerleitner-Schanze zu Bischofshofen Windbedingungen, die so konstant blieben wie ein Kamil-Stoch-Sprung. Der polnische Routinier schloss den ersten Durchgang mit 139 Metern ab – und verdrängte Geiger auf den zweiten Platz.
Frustrierte Legende: Vor mehr als sechs Jahren gelang Gregor Schlierenzauer der letzte seiner 53 Weltcupsiege, der Österreicher ist in dieser Hinsicht der erfolgreichste Skispringer der Geschichte. Heute ist Schlierenzauer 30 Jahre alt, Woche für Woche müht er sich, an alte Glanzleistungen anzuknüpfen. Im Wettkampf von Bischofshofen landete Schlierenzauer nach starken Trainingssprüngen nur bei 115 Metern – und schwänzte im Anschluss die Materialkontrolle. Das hatte die Disqualifikation zur Folge, den zweiten Durchgang hätte Schlierenzauer mit seiner Weite aber ohnehin nicht erlebt.

Gregor Schlierenzauer landete unterm Bischofshofener Flutlicht erneut zu früh
Foto: LUKAS BARTH-TUTTAS/EPA-EFE/ShutterstockVerpokert: Trotz fairer Bedingungen ging die Wettkampfleitung an einer Stelle doch eine Anlaufluke weiter nach unten. Grund dafür war ein besonderer Wunsch des norwegischen Trainerteams: Halvor Egner Granerud traute man im ersten Durchgang einen weiten Flug zu, das freiwillige Verkürzen des Anlaufs ist gestattet – und kann sinnvoll sein: Kürzere Sprünge sind leichter zu stehen, das kann den Haltungsnoten helfen. Hätte Granerud dazu mindestens 95 Prozent der Schanzengröße von 142 Metern erreicht, wären ihm zudem Bonuspunkte für das niedrigere Gate gutgeschrieben worden. Der Plan scheiterte knapp: Granerud landete bei 133 Metern einen Meter zu kurz, verpasste in der Tageswertung die Top Ten und rutschte in der Gesamtwertung vom Podest.
Der zweite Durchgang: Die Spannung war weitestgehend raus, schöne und weite Flüge gab es dennoch. Der Norweger Marius Lindvik, der die letzten beiden Tournee-Springen nach einer Zahn-OP verpasst hatte, segelte auf 140,5 Meter und schnappte sich vor Geiger Platz zwei. Dann kam wieder Stoch, flog 140 Meter weit und schaffte das so formvollendet, dass zwei Wertungsrichter die Bestnote 20 vergaben. Eine zauberhafter Flug, eine Meisterleistung.
Noch eine Seite für die Geschichtsbücher: Nach den Saisons 2016/2017 und 2017/2018 sichert sich Kamil Stoch zum dritten Mal den Tournee-Gesamtsieg. Damit zieht der 33-Jährige mit Bjørn Wirkola und Helmut Recknagel gleich, nur noch Jens Weißflog (vier Gesamtsiege) und Janne Ahonen (fünf Gesamtsiege) sind Stoch voraus.
Polnische Festtage: Vielleicht hat Kamil Stoch den Erfolg nicht nur seinen überragenden Leistungen, sondern auch dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zu verdanken. Der polterte vor dem Tournee-Auftakt in Oberstdorf noch in den sozialen Medien, wollte mit der »schreienden Ungerechtigkeit« aufräumen, dass die polnische Mannschaft nach einem offenbar falsch-positiven Corona-Test von Stochs Teamkollegen Klemens Muranka zunächst nicht starten sollte. Gesagt, getan: Die Polen wurden nachgetestet, durften doch starten und dominierten die Tournee seit dem Jahreswechsel.
DSV im Mittelmaß: Die übrigen deutschen Springer kämpften derweil weiter um den Anschluss an die Weltspitze. Severin Freund sprang im direkten Duell nur einen Meter weiter als der österreichische Weltcup-Debütant Daniel Tschofenig, verbesserte sich aber im zweiten Sprung. Pius Paschke erreichte den zweiten Durchgang nur, weil Teamkollege Martin Hamann noch kürzer sprang. Constantin Schmid zeigte sich zumindest formverbessert, auf Platz 18 wurde er zweitbester Deutscher hinter Geiger, der sich in der Gesamtwertung nach einem dritten Platz im Vorjahr zumindest von Rang vier auf Rang zwei vorschob.