

Der Aufschrei war groß vor vier Jahren in Sotschi: Die deutschen Athleten gewannen insgesamt 19 Medaillen, das reichte am Ende nur für den sechsten Rang aller Teilnehmer. Eine ungewohnte Situation für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), schließlich ist Deutschland eine Wintersportnation. Seit der ersten Teilnahme bei Olympischen Winterspielen 1928 in St. Moritz gewannen deutsche Athleten bisher 377 Medaillen, darunter 136 Mal Gold - das bedeutet Platz eins im ewigen Medaillenspiegel.
Medaillenspiegel und -vorgaben von Verbänden sind seit Jahren umstritten, sorgen sie doch für zusätzlichen Druck auf die Athleten und Trainer. Gerade Anti-Doping-Kämpfer sprechen sich daher gegen solche Maßnahmen aus. Für den Athletensprecher Max Hartung gehören konkrete Zielvorgaben trotzdem zum Sport. "Man muss ein System schaffen, das die Regeln kontrolliert", sagte Hartung im Interview dem SPIEGEL.
Vor Sotschi hatte es eine offizielle Zielvereinbarung von mindestens 30 Medaillen gegeben. Die Praxis wurde nach dem deutlichen Scheitern nun, im Vorfeld der Spiele in Pyeongchang, abgeschafft. Eine weitere Neuerung sollte die Leistungssportreform sein, die mit professionelleren Strukturen und besserer Athletenförderung den Abwärtstrend in den olympischen Sportarten stoppen sollte. Doch die Umsetzung verzögert sich, die Athleten in Pyeongchang werden davon noch nicht profitieren.
Der DOSB schickt 154 Sportler nach Südkorea, bemüht sich aber, trotz der zum Teil hervorragenden Ergebnisse im bisherigen Weltcup-Winter keinen allzu großen Erwartungsdruck aufzubauen. Die Bilanz aus Sotschi soll wiederholt werden, intern dürfte das Ziel etwas größer sein.
Was ist am Ende also möglich für das deutsche Team? Lesen Sie in der Fotostrecke, wie viele Medaillen das DOSB-Team nach einer Prognose des SPIEGEL letztlich sammeln kann:
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Biathlon: Vor vier Jahren in Sotschi konnten die deutschen Biathleten mit nur zwei Medaillen nicht zufrieden sein. Damals holten Erik Lesser im Einzel sowie die Herren-Staffel jeweils Silber. In Pyeongchang will das zwölfköpfige Team angeführt von Top-Star Laura Dahlmeier (Foto) nun in allen elf Wettbewerben um die Medaillen kämpfen. Bei den Männern stimmte die Form zuletzt aber oftmals nicht, sie liefen in 15 Weltcup-Rennen nur dreimal auf das Podium. Besser lief es bei den Damen, wo Denise Herrmann in der Loipe kaum zu schlagen war und Dahlmeier spät aufdrehte. Prognose: Dank guter Staffelergebnisse gibt es insgesamt vier Medaillen.
Eishockey: In einer Gruppe mit Schweden und Finnland, Silber- und Bronzemedaillengewinner in Sotschi 2014, kann es für die deutsche Mannschaft im Duell mit Norwegen nur um den dritten Gruppenplatz gehen. Der Modus mit zwölf Teams und einer Viertelfinalqualifikation lässt trotzdem vieles möglich erscheinen - zumal die Stars aus der NHL bei allen Teams fehlen werden. Bundestrainer Marco Sturm setzt auf einen Kader mit 25 Spielern - angeführt von Routinier Christian Ehrhoff (Foto). Prognose: Wer über eine Medaille nachdenkt, ist kein Realist.
Bobsport: Sotschi war für die erfolgsverwöhnten deutschen Bobfahrer ein historischer Tiefpunkt, sie gewannen keine Medaille. Die bisherige Saison läuft aber gut. Das deutsche Team um Francesco Friedrich (Foto) feierte insgesamt 14 Weltcupsiege. Doch die Konkurrenz aus Kanada, den USA und der Schweiz zeigte ebenfalls starke Rennen. Prognose: Neun Medaillen werden vergeben, zwei gehen an den Bob- und Schlittenverband Deutschland.
Eiskunstlauf: Aljona Savchenko geht mit ihrem neuen Partner Bruno Massot als Mitfavoritin in den Paar-Wettbewerb. Die Konkurrenz liegt eng beieinander, da ist von Gold bis Blech alles denkbar. In den anderen Disziplinen wird es für die deutschen Starter dagegen fast unmöglich, sich vorne zu platzieren. Prognose: Savchenko und Massot gewinnen eine Medaille, für den Olympiasieg wird es jedoch nicht reichen.
Eisschnelllauf: Analog zu den Bobfahrern waren die Spiele in Sotschi auch für die deutschen Eisschnellläufer ein Debakel. Einmal Gold, dreimal Silber hieß die Bilanz noch vier Jahre zuvor in Vancouver, in Russland blieb das Team um die ewige Claudia Pechstein (Foto) medaillenlos. Die 45-Jährige feierte in diesem Winter jedoch im Massenstart und über 5000 Meter zwei Weltcuperfolge, mit ihr ist auch in der Teamverfolgung zu rechnen. Bei den Männern kämpft Patrick Beckert um eine Medaille über 5000 Meter. Prognose: Es geht seicht aufwärts, die neun Athleten holen insgesamt eine Medaille.
Snowboard: In Abwesenheit der verletzten Amelie Kober ruhen die Hoffnungen der deutschen Snowboard-Mannschaft vor allem auf Selina Jörg (Foto) und Ramona Hofmeister, die beide im Parallel-Riesenslalom antreten werden und in dieser Saison einige beachtliche Erfolge feierten. Hofmeister gehört auch im Parallel-Slalom zu den Medaillenkandidatinnen. Mit Außenseiterchancen gehen auch Paul Berg und Konstantin Schad (Snowboardcross) an den Start. Prognose: Zweimal Edelmetall wie in Sotschi wird es nicht, aber Jörg und Hofmeister pushen sich zu einer Medaille.
Freestyle-Skiing: Was wäre in Pyeongchang möglich, wenn mit Lisa Zimmermann (Slopestyle) und Heidi Zacher (Skicross) nicht die beiden Top-Fahrerinnen verletzt ausfallen würden? Allerdings gehört auch Skicrosser Paul Eckert (Foto) nach seinem Weltcupsieg in Nakiska zu den Medaillenkandidaten. Neun Athleten schickt der Deutsche Skiverband nach Südkorea, insgesamt werden 30 Medaillen vergeben. Prognose: Für eine Überraschung, also eine Medaille, ist das geschwächte Team gut.
Nordische Kombination: Vor einem Jahr wäre totale Euphorie angebracht gewesen. Eric Frenzel, Johannes Rydzek (Foto) und mit Abstreichen Fabian Rießle sprangen und fuhren im Weltcup alles in Grund und Boden, es gab nur drei Wettbewerbe, die die deutschen Kombinierer nicht gewannen. In dieser Saison sieht das anders aus, der Japaner Akito Watabe und das starke norwegische Team dominieren die Saison. Aber: An guten Tagen sind Frenzel, Rydzek, Rießle und auch Vinzenz Geiger für Überraschungen gut. Prognose: Nach dem vollen Medaillensatz in Sotschi können sich die Kombinierer nicht steigern, bringen aber zwei Medaillen nach Hause.
Rodeln: Der Gesamtweltcup ging mit Felix Loch, Natalie Geisenberger (Foto) und dem Doppelsitzer Toni Eggert/Sascha Benecken mal wieder geschlossen an deutsche Rennrodler. Also alles wie immer? In Sotschi las sich die Bilanz mit vier Olympiasiegen und einer Silbermedaille extrem stark. Doch in den vergangenen Wettbewerben im Januar ging die deutsche Dominanz verloren, sodass sich Bundestrainer Norbert Loch schon zu einer Krisendiskussion äußern musste. Prognose: Die deutschen Rodler finden ihre Form auf der schwierigen Bahn in Pyeongchang wieder und holen erneut fünf Medaillen - allerdings nur dreimal Gold.
Shorttrack: Es wird ein Highlight der Spiele werden. Shorttrack ist in Südkorea extrem beliebt, die Gangneung Ice Arena wird an allen fünf Wettkampftagen ausverkauft sein. Seit Shorttrack 1992 ins olympische Programm aufgenommen wurde, holte Südkorea 21 Goldmedaillen. Und Deutschland? In der Heimat von Gunda Niemann-Stirnemann und Claudia Pechstein tun sich deutsche Shorttracker auf der deutlich kürzeren Eisbahn schwer. Anna Seidel (Foto) und Bianca Walter gehen an den Start und trotz Seidels Bronzemedaille über 1000 Meter bei der EM in Dresden wird es schwer mit Medaillen. Prognose: "Dabei sein ist alles", ist das Motto, das gelten wird. Keine Medaillen.
Skeleton: Für das deutsche Skeleton-Team um die Gesamtweltcup-Siegerin Jaqueline Lölling und den zuletzt stark fahrenden Axel Jungk starten die Wettbewerbe am 15. Februar. Den Anfang auf der anspruchsvollen Bahn im Olympic Sliding Centre machen die Herren, in jeweils vier Läufen werden die Olympiasieger ermittelt. Neben Lölling kann auch Tina Herrmann um eine Medaille fahren. Prognose: Seit 2002 gehört Skeleton zum olympischen Programm, Deutschland holte bisher zwei Medaillen. Die Bilanz wird verdoppelt, Lölling fährt sogar zum Olympiasieg.
Ski alpin: Bisher war es für die deutschen Alpinfahrer nach drei Medaillen in Sotschi 2014 eine Saison mit vielen Aufs und Abs. Felix Neureuther und Stefan Luitz fehlen verletzt, dafür haben die Speedfahrer um Thomas Dreßen den Sprung in die Weltspitze geschafft. Bei den Frauen stagnierten die Slalom-Fahrerinnen, dafür feierte Viktoria Rebensburg (Foto) im Riesenslalom drei Siege und ließ auch in der Abfahrt aufhorchen. Prognose: Die Herren gehen leer aus, dafür holt Rebensburg im Schatten von Top-Star Mikaela Shiffrin eine Medaille im Riesenslalom.
Skilanglauf: Zwölf Langläuferinnen und Langläufer schickt der Deutsche Skiverband nach Pyeongchang. Das Team ist groß, derzeit aber nicht in der Weltspitze zu verorten. Im Weltcup dominierte Norwegen mit den Gesamtführenden Heidi Weng und Johannes Hösflot Kläbo, deutsche Podestplätze gab es in diesem Winter noch nicht. Prognose: Nach Staffel-Bronze in Sotschi geht das Team um Nicole Fessel (Foto) in Pyeongchang leer aus.
Skispringen: Richard Freitag (Foto) und Andreas Wellinger kämpfen in Pyeongchang um Medaillen, der Weltcupführende Freitag hat nach seiner bei der Vierschanzentournee erlittenen Verletzung seine Form wiedergefunden. Bei den Frauen tragen Katharina Althaus und Carina Vogt die deutschen Medaillenhoffnungen, Vogt hat bei Großereignissen in den vergangenen Jahren stets ihre Nervenstärke unter Beweis gestellt. Prognose: In Sotschi feierte der DSV zwei Goldmedaillen. Eine Wiederholung ist schwierig, aber auch ohne Olympiasieg wird die Ausbeute mit zwei Medaillen gut sein.
Gesamtbilanz: Zur Freude von DOSB-Präsident Alfons Hörmann (Foto) wird sich das deutsche Team mit insgesamt 22 Medaillen im Vergleich zu den Winterspielen in Sotschi leicht verbessern. Vor vier Jahren hatte Deutschland nur 19 Medaillen geholt.
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