Olympiasieg für Viktoria Rebensburg Gerast, gezittert, gewonnen
Minutenlang schien Roland Brunner vor einem Kollaps zu stehen: Der Konditionstrainer der österreichischen Ski-Damen musste zusehen, wie seine Schützlinge scheiterten. Eva-Maria Brem, Vierte nach dem ersten Durchgang, konnte die Bestzeit der Oberbayerin Viktoria Rebensburg nicht unterbieten. Auch Brems Teamkolleginnen Kathrin Zettel, Dritte nach dem ersten Lauf, und Elisabeth Görgl, Führende nach dem ersten Durchgang, machten es nicht besser. Verzweifelt brüllte Brunner bei jeder der österreichischen Starterinnen: "Geh ma" und "kumm jetzt"! Doch seine Damen kurvten außer Hörweite den Hang herunter.
Am Ende hauchte Brunner als finale Information zu Görgl nur noch "Dritte" und "vierzehn Hundertstel" in das kleine Mikrofon an seiner Jacke - dann lehnte er sich entkräftet an den hellblauen Kunststoffzaun im Zielraum. 20 Meter entfernt reckte eine junge Frau aus dem Landkreis Rosenheim die geballte Faust in den Himmel und feierte das erlösende Ergebnis: "Das war schrecklich, ich hab's nicht ausgehalten", berichtete die 20-Jährige später über die quälenden Minuten im Zielbereich. Tatenlos musste sie beobachten, ob die von ihr vorgelegte Bestzeit nach den letzten fünf Läuferinnen tatsächlich noch Bestand haben würde.

Überraschender Sieg: Rebensburgs Ritt zu Gold
Sie hatte - die dreifache Junioren-Weltmeisterin war Olympiasiegerin in ihrer Spezialdisziplin geworden und sandte nach ihrem großen Triumph erst einmal einen verschmitzten Gruß an die Eltern. Beim ersten Lauf am Mittwoch, den ihr Spross als Sechste mit 0,35 Sekunden Rückstand auf Görgl beendet hatte, waren diese noch live in Whistler Creekside dabei gewesen. Allerdings hatte das Paar den Kanada-Trip so knapp geplant, dass es die entscheidende Fortsetzung auf dem Weg zurück nach Deutschland verpasste.
"Meine Mutter und mein Vater waren gerade bei der Zwischenlandung in Montreal", sagte Rebensburg, als sie vom Siegerpodium heruntergesprungen war - und fügte mit breitem Grinsen hinzu: "Die werden sich schön geärgert haben."
Unzufriedene Österreicher - Bundestrainer mit Vorahnung
Bei den Österreichern herrschte nach dem Rennen Ernüchterung. "Lieber Dritte als gar nichts", so Görgl. "Wir lagen mit unseren Zeiten alle so nah zusammen", rekapitulierte die 29-Jährige mit Blick auf die Ergebnisse des ersten Laufs. "Jede von uns wusste: Das wird ein ganz neues Rennen." Der zweite Durchgang musste am Mittwoch wegen schlechten Wetters mehrfach verschoben und schließlich auf Donnerstagabend (Ortszeit) vertagt werden.
Wolfgang Maier, Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes, ahnte schon 19 Stunden vor dem WM-Lauf, dass das Schicksal es gut mit den deutschen Starterinnen meinen könnte. Rebensburg lag bei Halbzeit auf Platz sechs, Riesch auf Rang sieben, und Kathrin Hölzl, die amtierende Riesenslalom-Weltmeisterin, war Zehnte. Auch sie nur 0,69 Sekunden von der Spitze entfernt. Am Ende fuhr Hölzl als Sechste und Teamleaderin Maria Riesch auf Rang zehn ins Ziel - im Schatten ihrer jungen Kollegin, die Maier nur in Maßen überrascht hatte. "Als der zweite Lauf verschoben worden war, dachte ich mir schon, dass das ein psychologischer Vorteil für uns sein könnte", berichtete Maier. "Vom Gelände her, und von der Art und Weise wie Viktoria fährt, ahnten wir, dass sie diejenige sein würde, die um eine Medaille mitfährt."
Erfolgsgeheimnis: Vollgas
Doch Rebensburg, die sich im vergangenen Sommer mit eigenem Technik- und eigenem Konditionstrainer auf den Olympia-Winter vorbereitetet hatte, fuhr nicht nur mit, sondern allen davon. Den Hauch von 0,04 Sekunden war sie am Ende schneller als Maze, 0,14 Sekunden rascher als Görgl. Und die junge Frau mit dem kraftvollen Fahrstil sagte über die ganz speziellen Umständen ihres Sieges: "Die Spannung über zwei Tage zu halten - das war richtig hart. Hart, aber am Ende auch gut für mich."

Olympische Winterspiele: Alle Goldmedaillengewinner vom 25. Februar
Der Nachwuchsstar, der seinen Trainer mit äußerst riskantem Fahrstil schon häufig zur Verzweiflung getrieben hat, nutzte den zweiten Platz im Riesenslalom von Cortina d'Ampezzo Ende Januar als Motivationsmittel. Es war bislang der einzige Podiumsplatz im Weltcup. "Das war eine gute Sache für mich, dass es in Cortina so passte", sagte Rebensburg, als aus dem zweiten Platz im Weltcup der erste bei Olympia geworden war - und gab dann ihr simples Erfolgsgeheimnis preis. Ob denn, wenn man wie sie von Platz sechs noch nach vorne schießen will, auf der Piste nur Vollgas weiterhelfe, wurde sie gefragt. "Klar", antwortete Rebensburg da bloß. "Sonst gewinnt man nix."