Debakel für Münchner Bewerbung "Nix mit Olympia dahoam"

München wird 2022 keine Olympischen Winterspiele ausrichten. Die Gegner jubeln über die Absage an die "Profitgier des IOC", die Befürworter sind schockiert. Akteure und Funktionäre sprechen von einer einmaligen, vergebenen Chance für den deutschen Sport.
Debakel für Münchner Bewerbung: "Nix mit Olympia dahoam"

Debakel für Münchner Bewerbung: "Nix mit Olympia dahoam"

Foto: Peter Kneffel/ dpa

Hamburg - Um kurz nach 19 Uhr war klar: Dieser Sonntag wird den Befürwortern der Olympischen Winterspiele 2022 in München noch lange in schlechter Erinnerung bleiben. Garmisch-Partenkirchen meldete ein klares "Nein" und besiegelte damit das frühe und endgültige Aus der Bewerbung. Das Negativvotum der Bürger aus nur einem der vier Austragungsorte reichte aus, um die Hoffnungen auf die zweiten Olympischen Winterspiele in Deutschland nach 1936 zu begraben.

Münchens Oberbürger Christian Ude räumte nach den schlechten Nachrichten aus Garmisch, dem Landkreis Traunstein und angesichts der Zwischenstände aus dem Berchtesgadener Land und München bereits um 19.30 Uhr ein: "Es ist eine klare Niederlage erlitten worden. Sie gilt nicht nur für 2022, sondern nach meiner persönlichen Einschätzung dauerhaft", sagte er und konnte seine Niedergeschlagenheit nicht verbergen. Die Stimmung in Deutschland richte sich seiner Auffassung nach gegen sportliche Großereignisse.

Deutsche Wintersportstars reagieren enttäuscht

Auch auf Seiten der Sportler machte sich schnell Enttäuschung breit. "Das hat uns sehr überrascht", sagte DOSB-Generalsekratär Michael Vesper. Er bedauerte, dass eine Chance vertan worden sei, der Welt zu zeigen, dass Olympische Spiele auch nachhaltig veranstalten werden könnten. Der designierte DOSB-Präsident Alfons Hörmann sprach von einer "Schlappe" und rief sofort zu neuen Diskussionen auf. Man müsse zügig darüber nachdenken, wie "der deutsche Sport in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden" könne. Mehr noch: Hörmann erwartet, dass die Arbeit an der sportlichen Basis nun "tendenziell" geschwächt sei.

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Votum gegen Münchner Winterspiele: Heimatliebe vs. Gigantismus

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Josef Fendt, Präsident des Internationalen Rennrodelverbandes, fand sogar zu einer noch drastischeren Einschätzung: "Ich bin sehr enttäuscht. Das hätte ich nicht gedacht", sagte er. "Für die olympische Bewegung ist es bedenklich. Wenn sich solche traditionellen Länder wie die Schweiz oder Deutschland als Ausrichter zurückziehen, ist dies eine gefährliche Entwicklung." Rodel-Olympiasieger Felix Loch schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Oh Mann, war wohl nix mit Olympia dahoam."

Seine Meinung teilten weitere prominente deutsche Wintersportler: Es sei "einfach nur traurig. Eine große Niederlage für den Sport in Deutschland", sagte Doppel-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch. "Das war unsere Chance, die wir leider vergeben haben. Die Tür zu den Olympischen Winterspielen in München ist zu und bleibt wahrscheinlich verschlossen", ergänzte Markus Wasmeier, Doppel-Olympiasieger von 1994. Beide hatten sich vehement für München eingesetzt.

Vesper will keine Aussagen über die Zukunft machen

Insgesamt waren in München, Garmisch-Partenkirchen sowie in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein knapp 1,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen gewesen, ihre Stimme zu einer zweiten Bewerbung unter Führung der bayerischen Landeshauptstadt abzugeben. Bei der Wahl für 2018 hatte München deutlich gegen das südkoreanische Pyeongchang verloren.

Ob es nach dem Debakel beim jetzigen Bürgerentscheid in Zukunft eine Bewerbung um Sommerspiele gibt, wollte DOSB-Generalsekretär Vesper zunächst nicht beurteilen. Es sei "nicht die Zeit" für derlei Gedanken. Eine erneute Bewerbung um Winterspiele hatte Vesper bei einem Votum gegen die Bewerbung bereits im Vorfeld ausgeschlossen: "Klar ist, dass dann eine solche Bewerbung für lange Zeit nicht möglich wäre", hatte er gesagt.

Schon kurz nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr war nach der Auszählung der ersten Münchner Stimmbezirke und Gemeinden der Trend für eine Niederlage der Befürworter zu erkennen, je später der Abend wurde, desto mehr wuchs sie sich zum Debakel aus. Erst meldete Garmisch-Partenkirchen 51,56 Prozent Nein-Stimmen, aus dem Landkreis Traunstein kam nur wenig später die Meldung: 59,67 Prozent Nein-Stimmen. Die Hauptstadt München verkündete als letzter Standort, dass 52 Prozent der Bürger dagegen seien.

Im Lager der Gegner, dem Standesamt des Kreisverwaltungsreferats der Stadt München, machte sich indes Hochstimmung breit. "Unsere Argumente haben gezogen", sagte Katharina Schulze, die Vorsitzende der Grünen in München. Die Olympiagegner hatten in einem kurzen, aber heftigen Wahlkampf immer wieder die Profitgier und die mangelnde Transparenz beim IOC hervorgehoben, außerdem vor Schulden und Naturzerstörung gewarnt.

psk/sid/dpa
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