Streit um Friesinger Frohnatur verdirbt die Stimmung

Eisschnelllauf-Star Friesinger: Eiszeit zwischen dem Verband und ihr
Foto: Darryl Dyck/ APDie Bundeskanzlerin tut etwas für die Stimmung. Sie wünsche sich "spannende Wettkämpfe in fröhlicher Atmosphäre", sagte Angela Merkel mit Hinblick auf die Olympischen Winterspiele in Vancouver. Nun hat ausgerechnet eine, die als Frohnatur durch die Welt läuft, die fröhliche Stimmung im deutschen Team gründlich verdorben. Eisschnelllauf-Star Anni Friesinger hat gut eine Woche vor Beginn der Spiele einen heftigen Streit mit dem Verband losgetreten. Dabei steht sie allerdings ganz allein da - nicht nur gegen die Funktionäre, auch gegen ihre Teamkolleginnen.
Friesinger ist massiv verärgert, dass ihr ein eigener medizinischer Betreuer während der Spiele verweigert wurde. Stattdessen soll die Inzellerin, die seit Monaten unter Knieproblemen leidet, mit dem offiziellen Teamarzt Gerald Lutz zusammenarbeiten - zu dem jedoch hat sie kein Vertrauen. Sie fühle sich von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) und ihrem Präsidenten Gerd Heinze im Stich gelassen, klagte Friesinger der "Süddeutschen Zeitung" und hat damit beim Verband schwersten Unmut ausgelöst.
Heinze spricht von "Rufmord", davon, dass er "es leid" sei und kontert: "Friesinger braucht in Vancouver ja nicht zu starten, wenn sie nicht will." Über Konsequenzen für die zweimalige Olympiasiegerin werde man "ernsthaft nachdenken".
Olympia-Vorbereitung so unruhig wie nie
Bei der DESG ist man mittlerweile mehr als genervt, wenn es um ihre langjährigen Vorzeigeathletinnen geht. Der Verband hat vor Vancouver ohnehin eine mehr als unruhige Vorbereitungszeit gehabt. Dafür hauptverantwortlich war allerdings nicht Friesinger mit ihren Verletzungsproblemen, sondern ihre alte Rivalin Claudia Pechstein. Deren hartnäckiger bis sturer Kampf gegen ihre Dopingsperre und für eine Olympiateilnahme ließ eine ungestörte sportliche Vorbereitung auf Vancouver nicht zu.
Der Fall Pechstein ist auch jetzt wieder der Grund für den Streit. Lutz hatte Pechstein im Februar 2009 in Abstimmung mit der Teamleitung die Diagnose eines grippalen Infekts gestellt und die Öffentlichkeit mit Einzelheiten über die angebliche Grippe Pechsteins versorgt. Mit dieser Begründung hatte Pechstein ihren Start beim Weltcup im norwegischen Hamar abgesagt. Hinter den Kulissen war sie - so sagt Pechstein - in Hamar allerdings damals vom Weltverband erstmals mit dem Dopingvorwurf konfrontiert worden. Die Grippe-Version sei nur deswegen ausgegeben worden, um das Doping-Thema aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Pechstein sprach monatelang von einem "Kuhhandel", auf den sie sich eingelassen habe - mittlerweile behauptet sie jedoch, in Hamar tatsächlich krank gewesen zu sein. Friesinger wirft Lutz dagegen vor, bewusst eine falsche Diagnose gestellt und verkündet zu haben.
Lutz legt gegenüber SPIEGEL ONLINE Wert auf die Feststellung, dass er keine falsche Diagnose gestellt und kein falsches Attest ausgestellt habe. Der Infekt sei später durch Laboruntersuchungen bestätigt worden.
Die Inzellerin hatte bereits seit Sommer dafür gekämpft, dass möglichst Volker Smasal, bis 2006 selbst DESG-Teamarzt, mit nach Vancouver reisen darf. Smasal hatte im Sommer 2008 die Knie-Operation bei Friesinger vorgenommen und die Athletin auch weiterhin rundum medizinisch versorgt.
Smasal selbst hatte die DESG 2006 im Zorn verlassen. Noch heute spricht er davon, im Verband herrsche eine "Dopingmentalität". Heinze reagierte: "Diese Aussagen sind nicht auszuhalten."
Team reagiert mit Unverständnis
Der Großteil der Mannschaft stützt dagegen Lutz und den Verband. "Ich stehe voll hinter Doktor Lutz und habe 120-prozentiges Vertrauen zu ihm", sagte Olympiasiegerin Daniela Anschütz-Thoms. "Er betreut Tag und Nacht und nimmt ungewöhnliche Strapazen auf sich", sagte sie. Unverständnis äußerte Monique Angermüller bei der Verabschiedung auf dem Flughafen: "Ich kann das absolut nicht verstehen. Wir sollten froh sein, dass wir einen so engagierten Arzt haben".
Friesinger wolle "doch nur einen Schuldigen suchen, falls es bei Olympia nicht gut läuft", vermutet Robert Lehmann. "Sie steht mit ihrer Meinung mit Sicherheit ganz allein. Das Engagement von Lutz ist einmalig", beteuerte der Erfurter.
Angesichts solch heftiger Missstimmungen versucht sich DOSB-Chef Thomas Bach als Mediator. Dies sei "sicher alles der Aufregung vor den Olympischen Spielen geschuldet", versucht Bach, den Streit herunter zu spielen. Gelassen hat bisher nur eine reagiert - Sprinterin Jenny Wolf, der im gesamten Team die besten Aussichten auf eine Goldmedaille zugetraut werden: "Es war ja fast klar, dass vor Olympia noch irgendetwas kommt. Wir sind ja Unruhe gewohnt, davon hatten wir zuletzt ja jede Menge. Jetzt lässt mich das fast kalt", sagte die 31-jährige Weltmeisterin.