Erster, Dritter, Vierter – das Neujahrsspringen in Garmisch war eine Machtdemonstration des polnischen Teams. Favorit auf den Gesamtsieg bleibt dennoch ein Norweger.
Dawid Kubacki freut sich über Weitenrekord und Tagessieg
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Der Sprung des Jahres: Zugegeben, am Neujahrstag ist das noch nicht die allernachhaltigste Leistung. Aber dieser zweite Durchgang von Dawid Kubacki hat das Zeug, dieses Etikett auch noch ein paar Tage länger zu behalten. Der Vorjahresgesamtsieger behielt im Wind von Garmisch-Partenkirchen die Nerven und setzte seinen zweiten Sprung auf die Schanzenrekordmarke von 144 Metern.
Ergebnis des Springens: Kubacki sicherte sich damit souverän auch den Tageserfolg vor dem neuen Führenden im Gesamtklassement der Vierschanzentournee, Halvor Egner Granerud aus Norwegen. Danach folgten Kubackis Landsleute Piotr Zyla und Kamil Stoch. Karl Geiger bleibt als Tagesfünfter und Zweiter der Gesamtwertung in Lauerstellung. Zur detaillierten Meldung geht es hier entlang.
Der erste Durchgang: Fast von Beginn des Wettkampfs an beherrschten wechselnde Winde das Geschehen und sorgten dafür, dass so manche Hoffnung früh zerstob. Auch der Sieger von Oberstdorf, Karl Geiger, hatte zunächst kein Glück mit den Verhältnissen. Sein Sprung über 131 Meter auf Rang 14 war ein empfindlicher Rückschlag für die Ambitionen. Besser machte es Teamkollege Markus Eisenbichler, der mit 137,5 Metern auf Platz vier flog. Vorn unangefochten: Granerud, der Dominator des Winters.
Polens Adler fliegen in Garmisch ganz weit nach vorn
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Der zweite Durchgang: Aufwind, Rückenwind, gar kein Wind. Weiter ging es mit der Lotterie, und auch das riesige Windnetz an der Seite der Schanze konnte da nur etwas Linderung bringen. Geiger blieb dennoch stabil, landete auf 138 Metern und verbesserte sich deutlich, diesmal nahm Eisenbichler die umgekehrte Richtung, sprang etwas schwächer und wurde am Ende aber immerhin noch Siebter. Kubacki aber überstrahlte sie alle um Längen.
Springer des Wettkampfs: Das ist nicht schwer. Im Vorjahr war Kubackis Gesamtsieg trotz eines WM-Titels im Rücken noch eine kleine Überraschung gewesen, und nach den bisherigen Leistungen des Winters zählte er auch nicht unbedingt zum engsten Favoritenkreis. Ein einziger Sprung hat das radikal geändert: Plötzlich ist der 30-jährige Pole wieder voll im Geschäft.
Team des Wettkampfs: Erster, Dritter und Vierter. Die polnischen Skispringer untermauerten ihre mannschaftliche Geschlossenheit am Neujahrstag eindrucksvoll. Und wenn es vor dem Springen in Oberstdorf nicht dieses Hin und Her um ihre Starterlaubnis nach einem positiven Corona-Fall im Team gegeben hätte, sähe es in der Gesamtwertung für die Polen vielleicht noch viel besser aus. Aber auch ohnedies liegt Stoch nach der Hälfte der Tournee aussichtsreich auf Platz drei, Kubacki auf vier und der heutige Zehnte Andrzej Stekala als Siebter ebenfalls noch in Rufweite.
Stimmung beim DSV: Euphorie brachte diesmal vor allem der Stadionsprecher auf, der sein »Ziiiiiiiiiieh« unbeeindruckt von den leeren Rängen ins Mikrofon tönte und ein wenig schmerzfrei von »Finale, oho« sang, als hätten sich im Aufsprungbereich Zehntausende Menschen mit Jagertee eingedeckt. Die Resultate von Geiger und Eisenbichler waren gut, aber eben nicht so überragend wie noch in Oberstdorf. Zufrieden waren in jedem Fall Martin Hamann und Pius Paschke, die als Elfter und 16. die Erwartungen übertrafen.
Ausfall des Wettkampfs: Im Vorjahr war Marius Lindvik der glücklichste Mensch im noch neuen Jahr 2020 gewesen. Der Norweger gewann in Garmisch und war ab sofort eine große Nummer im Skisprung. Heute liegt er im Krankenhaus, nachdem ihn so wahnsinnige Zahnschmerzen zur Aufgabe und zu einer dringlichen Kieferoperation genötigt hatten. Es gehe ihm »den Umständen entsprechend sehr gut«, so Norwegens Chefcoach Alex Stöckl. Sofern es einem Leistungssportler sehr gut gehen kann, der vom Krankenbett zugucken muss, wie die anderen ihm die Trophäe und den Schanzenrekord wegschnappen. Immerhin: Das Neujahrsspringen ging ohne Meldungen über neue Corona-Ausfälle über die Bühne.
Zitat des Wettkampfs: »Er kann jetzt richtig Glück haben, aber er kann auch gewaltiges Pech haben.« Die Prognose von ARD-Livekommentator Tom Bartels vor dem zweiten Geiger-Sprung fasst nicht nur die Windlotterie des Skisprungstags präzise zusammen, sie eignet sich auch als Sinnspruch für das gesamte Leben. Man könnte vom »Leben des Brian« entlehnt sagen: »Es ist vielmehr als Gleichnis zu verstehen, gemeint ist die gesamte Wintersportindustrie.«
Blick auf die Gesamtwertung: Granerud war in diesem Winter bisher immer ein bisschen besser als der Rest, jetzt hat er in zwei Springen zweimal nicht gewonnen. Aber noch ein Sinnspruch fürs Leben: Man muss nicht immer Erster werden, um am Ende ganz vorn zu liegen. Der coole Norweger bleibt vor den übrigen Springen in Innsbruck und Bischofshofen der Topanwärter auf den Gesamtsieg.