Rücktritt von Olympiasiegerin Rebensburg Sie wollte einfach nur Ski fahren

Viktoria Rebensburg im Jahr 2016 bei einem ihrer Weltcupsiege in Flachau
Foto:Stanko Gruden/Agence Zoom / Getty Images
Es gibt viele Möglichkeiten, den Rücktritt vom Leistungssport zu verkünden. Viktoria Rebensburg hat einen Weg gewählt, der zu ihr passt. In einem auf Twitter verbreiteten Video steht sie auf der Wiese, auf der sie Skifahren gelernt hat. Rebensburg, 30, trägt eine Jacke ohne Sponsorenaufdruck und spricht - ohne ihren bayerischen Akzent zu verstecken - von einem Kreis, der sich für sie nun schließen würde. Hier hat es begonnen, hier gibt sie nun bekannt, dass ihre Karriere zu Ende ist. Ohne Glamour, ohne Selbstinszenierung, dafür authentisch und mit der Nähe zu dem, was ihr wichtig ist: dem Skisport.
Liebe Freunde und Fans,
— Viktoria Rebensburg (@V_Rebensburg) September 1, 2020
Heute ist definitiv kein leichter Tag für mich, denn ich habe mich dazu entschieden, nach 13 Jahren meine Karriere mit sofortiger Wirkung zu beenden. Diesen Entschluss habe ich schweren Herzens & nach reichlicher Überlegung der letzten Wochen gefasst. pic.twitter.com/ORzIJWAxrm
In den vergangenen Wochen sei bei ihr die Erkenntnis gereift, nicht mehr zur Weltspitze zu gehören. "Nach meiner Verletzung im Frühjahr und den zurückliegenden zwei Monaten im Schneetraining habe ich gemerkt, dass es mir nicht mehr gelingt, mein absolutes Topniveau zu erreichen", sagt Rebensburg in dem Video. Sie habe immer um Siege fahren wollen. "Da ich nun aber das Gefühl habe, dem nicht mehr gerecht zu werden, ist dies zwar eine sehr schwere aber für mich unausweichliche Entscheidung."
13 Jahre lang fuhr Rebensburg im alpinen Ski-Weltcup. Bei der WM 2007 im schwedischen Åre deutete sich mit ihrem achten Platz im Riesenslalom erstmals ihr Potenzial an. Drei Jahre später folgte der größte Erfolg ihrer Karriere: der Sieg bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver, wieder im Riesenslalom. 2014 gewann Rebensburg in Sotschi Olympia-Bronze, bei Weltmeisterschaften sicherte sie sich zwei Silbermedaillen, im Weltcup stand sie insgesamt 19 Mal ganz oben. Der Deutsche Skiverband (DSV) wird Rebensburg außerordentlich vermissen, gerade im kommenden Winter, wenn in Cortina d’Ampezzo wieder eine Weltmeisterschaft ansteht - im Frauen-Kader ist derzeit kein Nachwuchs mit Siegchancen auszumachen.
Rebensburg hat mehr Weltcupsiege als Felix Neureuther
Rebensburg gehört zu den besten deutschen Skifahrerinnen der Geschichte. Sie hat mehr Weltcupsiege gefeiert als Felix Neureuther (13) oder Markus Wasmeier (9), bei den Frauen waren nur Katja Seizinger, Maria Höfl-Riesch und Hilde Gerg erfolgreicher. Und doch wurde Rebensburg in der Vergangenheit nur selten in einem Atemzug mit diesen DSV-Granden genannt - geschweige denn mit "Gold-Rosi" Mittermeier. Vermutlich ist ihr das sogar ganz recht, aber ist das auch gerecht?
Neureuther und Wasmeier, diese bayerischen Gaudi-Naturburschen, hatten schon mal den Geschlechtervorteil auf ihrer Seite. Seizinger war gebürtige Flachländerin, die aus Datteln im Ruhrgebiet auszog, um die Ski-Welt zu erobern. Höfl-Riesch lebte von ihrer Rivalität mit Lindsey Vonn, während Gerg einfach die "Wilde Hilde" war. Und Rebensburg? Da fehlte für die Öffentlichkeit vermutlich die Geschichte, die Inszenierung. Am Tegernsee geboren, Zollbeamtin, vom Privatleben nur wenig bekannt.

Viktoria Rebensburg
Foto:Michael Kappeler / picture alliance/dpa
Unter sportlichen Aspekten hätte Rebensburg mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt. Schon in frühen Jahren fuhr die Olympiasiegerin aggressiver als ihre Kolleginnen in den technischen Disziplinen. Sie hatte einen der schnellsten Schwünge im Riesenslalom, profitierte viele Jahre von ihrer technischen Überlegenheit, fuhr manchmal nur etwas zu angriffslustig. Das allein hätte für eine nachhaltige Vermarktung ihrer Erfolge reichen können, wenn man bedenkt, wie häufig Neureuther in aussichtsreicher Position zu viel Risiko einging und ausschied. Doch Rebensburg wollte kein öffentlicher Star sein - sie blieb einfach die Viktoria vom SC Kreuth.
Rebensburg wird vom DSV kritisiert
Selbst die Entwicklung zur Allrounderin in ihrer zweiten Karrierehälfte wurde ihr beizeiten negativ ausgelegt. Schon 2012 hatte Rebensburg erstmals ein Weltcuprennen im Super-G gewonnen. Zwei Jahre später fing sie dann auch im Training an, mehr Wert auf die Speed-Disziplinen zu legen. Doch anders als Naturtalent Mikaela Shiffrin (USA), die anscheinend mühelos von Slalom auf Abfahrt umschalten kann, blieb bei Rebensburg stets etwas auf der Strecke. Trainierte sie mehr Speed, litt der Riesenslalom - und andersherum.
One of the veterans of the Ski World Cup decided to retire after 13 years of a formidable career where her technical elegance made her one of the best protagonists.
— FIS Alpine (@fisalpine) September 1, 2020
We want to thank @V_Rebensburg for all the great emotions you gave us! #fisalpine pic.twitter.com/nJCYZR48Yu
Aus dieser Gemengelage entstand ein Konflikt, den der DSV in die Öffentlichkeit trug. Bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang geriet Rebensburg erstmals mit Alpindirektor Wolfgang Maier aneinander, als er sie für die Plätze vier (Riesenslalom) und zehn (Super-G) kritisierte und von verschenkten Medaillenchancen sprach. Im vergangenen Winter legte Maier nach und warf Rebensburg indirekt Trainingsfaulheit vor - obwohl es im Ski-Weltcup nur ganz wenige Fahrerinnen gibt, die sowohl in den technischen als auch in den Speed-Disziplinen um Siege mitfahren können. Rebensburg nannte Maiers Kritik "sowohl inhaltlich als auch in der Art und Weise absolut unverständlich".
Womöglich hätte Rebensburg mehr Weltcupsiege geholt, wenn sie dauerhaft auf den Riesenslalom gesetzt hätte. Doch das wollte sie nicht, sie hatte für sich keine Grenzen ausgemacht. Sie wollte einfach nur Ski fahren.