Regelverstoß von Skifahrer Luitz Saurer Stoff

Nach der Sauerstoff-Affäre um Stefan Luitz erwägt der DSV Konsequenzen. Es bleibt rätselhaft, warum Trainer, Funktionäre und Ärzte des Verbands so unprofessionell handelten und kollektiv versagten.
Stefan Luitz

Stefan Luitz

Foto: TOM PENNINGTON/ AFP

Wer am Montag einen Blick auf die Facebook-Seite von Stefan Luitz warf, sah als jüngsten Eintrag noch immer das Jubelbild vom 3. Dezember. Luitz oben auf dem Podium, der zweitplatzierte Österreicher Marcel Hirscher und der Schweizer Thomas Tumler auf Rang drei feiern ihn. "Danke an alle, die das möglich gemacht haben", hatte der Allgäuer vom SC Bolsterlang damals geschrieben, voller Euphorie nach dem Triumph im Riesenslalom von Beaver Creek - als er überzeugt war, den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere gefeiert zu haben.

Inzwischen denkt der 26-Jährige wohl mehr im Groll an diejenigen, die ihm den vermeintlichen Erfolg vermasselt haben könnten. An die eigenen Trainer, die Funktionäre und die Mediziner im Deutschen Skiverband, die mitverantwortlich sind, dass auch eineinhalb Wochen nach seinem Glückstag in Colorado der Erfolg noch in Gefahr ist. Vielleicht macht er sich auch selbst Vorwürfe.

Der Weltverband Fis kam in seiner Schweizer Zentrale am Thunersee auch am Montag noch zu keiner Entscheidung, ob Luitz der Sieg von Beaver Creek am Grünen Tisch aberkannt werde. Am Stammsitz des DSV im Münchner Vorort Planegg herrschte hingegen Krisenstimmung, nach dem peinlichen Vorfall wurde über mögliche Konsequenzen debattiert. Die Sauerstoff-Affäre sorgt auch im Verband für Ärger.

Hirscher und Tumler feiern Sieger Luitz

Hirscher und Tumler feiern Sieger Luitz

Foto: TOM PENNINGTON/ AFP

Das war passiert: Ende vergangener Woche wurde der Fis anonym ein Foto zugespielt. Das Bild zeigte Stefan Luitz, wie er im Bereich des auf 3152 Meter hoch gelegenen Startgeländes zwischen den beiden Durchgängen des Riesenslaloms durch eine Maske Sauerstoff inhalierte - was zwar laut den Statuten der Welt-Antidopingagentur Wada erlaubt ist. Im Reglement der Fis ist solch eine Sauerstoffzufuhr jedoch ausdrücklich verboten.

Alpinchef Wolfgang Maier sagte am Wochenende, ihm hätten damals "drei Experten" auf Rückfrage bescheinigt, die Verwendung einer Atemmaske sei problemlos. Doch das schmälert das amateurhafte Verhalten aller Beteiligten in dieser Sache nicht. Sowohl bei den besagten Experten, deren Unkenntnis des Regelwerks umso mehr erstaunt, da es sich nach SPIEGEL-Informationen um Ärzte und Mediziner in Diensten des DSV und teilweise sogar im Medizinkomitee der Fis handelt.

Hinterfragen müssen sich auch Alpinchef Maier und Männer-Cheftrainer Matthias Berthold, die zwei Routiniers, die beide seit Jahrzehnten in leitender Funktion im Skisport unterwegs sind und die Vorschriften schon deswegen kennen müssen.

Selbst ein fachfremder Laie wird bei einem Blick ins Internet schnell fündig. Sucht man nach "Fis" und "Anti-Doping", findet man schnell den entscheidenden Hinweis, dass die Verabreichung von Sauerstoff ausnahmslos verboten ist.

Debatte um Sauerstoff: Steigert er überhaupt die Leistungsfähigkeit?

Es mag sein, dass, wie Dopingexperte Fritz Sörgel sagte, Sauerstoff gar nicht zur Leistungssteigerung beiträgt, sondern mehr als Placebo-Effekt dem subjektiven Gefühl des Sportlers hilft. Und sicher kann man es auch unglücklich finden, dass die Wada und die einzelnen Sportfachverbände unterschiedliche Anti-Doping-Regularien haben, hier etwas erlaubt ist und dort nicht.

Aber gerade weil die Bestimmungen so komplex sind und die Thematik obendrein recht heikel, sollte es zum Kernkompetenzbereich aller Verantwortlichen in einem nationalen Sportverband gehören, die Vorschrift genau zu kennen und absolute Klarheit darüber zu haben, was geht - und was nicht. Völlig unabhängig davon, ob manches Verbot übertrieben oder sinnlos erscheint, ob das eine die Leistung tatsächlich steigert und das andere nicht. Es steht nun einmal geschrieben. Nichts anderes zählt.

Man darf dem DSV zwar zugestehen, dass man den Fehler immerhin offen bekannte und jetzt über Konsequenzen berät, möglicherweise auch personell. Fakt ist aber auch, dass sich der Verband dilettantisch verhalten hat.

Marcel Hirscher, der sich übrigens gegen eine Disqualifikation von Luitz aussprach, weil er auf solch einen geschenkten Sieg verzichte, meinte noch, ein Athlet könne unmöglich die 90 Seiten der Anti-Doping-Richtlinien durchlesen. Ja, warum denn eigentlich nicht? Mutet man den Sportlern damit wirklich zu viel zu? Wohl kaum. Allein aus eigenem Interesse.

In seinem Facebook-Eintrag aus Beaver Creek hatte der lange verletzte Luitz übrigens noch geschrieben: "Ich bin sehr glücklich, nach vielen Höhen und Tiefen endlich ganz oben zu sein." Es ist zu befürchten, dass auch auf diesen großen Tag oben auf dem Podium ein Tiefpunkt folgt.

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