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SPIEGEL Gespräch »Wir machen es nicht nach Büchern«

Jägermeister-Hersteller Günter Mast über Fußball und Werbung am Beispiel Eintracht Braunschweig *
aus DER SPIEGEL 4/1984

SPIEGEL: Herr Mast, warum heißen Sie eigentlich noch Mast und nicht Jägermeister?

MAST: Nach dem deutschen Namensrecht kann man sich ja nicht von Mast in Jägermeister umbenennen. Ich bin häufig bei Freudschen Fehlleistungen meiner Gesprächspartner mit »Herr Jägermeister« angesprochen worden, zuletzt im Fernsehen von dem Sportreporter Rudi Michel, dem das offensichtlich sehr unangenehm war.

SPIEGEL: Haben Sie ihn korrigiert?

MAST: Nein, warum denn? Ich freue mich darüber, daß Mast, Jägermeister und auch Eintracht Braunschweig drei Begriffe sind, die so eng miteinander verbunden sind, wie man das selten bei einem Markenartikelunternehmen findet. Lassen wir es mal dabei, daß ich weiter Mast heiße. Ich kann auch noch mal einen weiteren Artikel unter der Bezeichnung Mast machen.

SPIEGEL: Einen Mast-Schnaps?

MAST: Einfach Mast - nennen Sie ihn Mast.

SPIEGEL: Nun haben Sie sich erst einmal einen Fußballverein gekauft ...

MAST: ... das ist reichlich salopp.

SPIEGEL: Verstehen Sie etwas vom Fußball?

MAST: Nein. Ich weiß aber inzwischen, wo der Ball reingehört und wo hinten und vorne ist. Ich kann vielleicht auch schon mal ein Abseits sehen. Aber von Fußballstrategie versteh'' ich nichts.

SPIEGEL: Wie kommt es dann, daß die Jägermeister-Bandenwerbung meist immer in der Nähe der Eckfahne ist?

MAST: Na ja, das sind Grundkenntnisse. Bei einer Ecke stehen die Spieler für einen Moment still, die Kamera bleibt ruhig und das Publikum ist für die dahinter stehende Bande besonders aufnahmefähig. Das ist eine Frage des Intellekts, nicht so sehr des sportlichen Verständnisses.

SPIEGEL: Sie haben vor gar nicht langer Zeit mal gesagt, man könne eigentlich nicht beides machen: ein Unternehmen führen und gleichzeitig einen Fußballverein.

MAST: Dazu stehe ich auch heute noch. Meine Präsidentschaft bei Eintracht Braunschweig ist im Wege einer Notkandidatur entstanden. Ich habe an dem Tage, als ich gewählt wurde - ich glaube, es war der 28. November -, um 15.10 Uhr erfahren, daß der designierte Präsident von seiner Kandidatur zurücktritt.

SPIEGEL: Hatte der es mit der Angst gekriegt?

MAST: Das war ein Notar. Der hatte kalte Füße bekommen, weil er gesehen hat, daß er am Morgen nach der Wahl zum Konkursrichter hätte gehen müssen. Wenn ein Verein überschuldet ist, sind die Vorstandsmitglieder gezwungen, Konkurs anzumelden, wenn sie nicht in die persönliche Haftung hineinkommen wollen. Das konnte sich der Mann als Notar nicht leisten.

SPIEGEL: Und Sie hat das nicht geschreckt?

MAST: Nein. Für mich war die Situation ja eine ganz andere, weil ich sofort in der Lage war, mit einem Knopfdruck diese Überschuldungssituation zu beseitigen.

SPIEGEL: Können Sie uns sagen, was dieser Knopfdruck Sie gekostet hat?

MAST: Der Knopfdruck war ein Telephon-Knopfdruck auf der direkten Linie zu dem Bankhaus, um zu sagen: Es wird alles von uns abgedeckt. Und damit war die Sache erledigt.

SPIEGEL: Wir wollten Ihnen gern eine Zahl entlocken, was Sie da haben übernehmen müssen. _(Mit Redakteuren Hans-Joachim Nesslinger ) _(und Joachim Preuß im SPIEGEL-Haus. )

MAST: So ungefähr zwei Millionen Mark.

SPIEGEL: Das ist ja preiswert, wenn man, wie Sie, 25 Millionen Mark für Werbung im Jahr ausgibt.

MAST: Glauben Sie nicht, daß wir mit dem Geld so leichtfertig umgehen. Wir hängen nicht zwei Millionen aus dem Fenster raus, ohne uns das zu überlegen. Eine Million ist in unserer Gesellschaft immer noch ein großer Betrag. Aber das Geld können Sie nicht dem Werbeetat hinzurechnen. Das sind ja Zwischenfinanzierungen, die nachher aus Vereinseinkünften - zumindest teilweise - wieder zurückkommen.

SPIEGEL: So ganz verstehen wir ...

MAST: ... Eintracht Braunschweig war total illiquide. Der Verein war nicht mehr in der Lage, irgendeine Rechnung zu bezahlen. Er hatte Schulden in einer Größenordnung von ungefähr drei Millionen Mark.

SPIEGEL: Und für diese Schulden haben Sie gebürgt?

MAST: Nein, gar nicht. Die bestanden ja im wesentlichen gegenüber einem Bankhaus, hinter dem wir stehen.

SPIEGEL: Ihnen gehört eine Bank?

MAST: Ja. Entschuldigen Sie bitte - warum nicht? In Wolfenbüttel gibt''s ein Bankhaus, das heißt C. L. Seeliger. An dem Bankhaus sind die Gesellschafter unserer Firma wesentlich beteiligt.

SPIEGEL: Soll das heißen, daß in Zukunft Bundesligavereine eigentlich nur noch von Bankhäusern zu führen sind?

MAST: Nein. Aber von diesem Bankhaus wäre der Bundesligaverein übrigens gut zu führen, weil der persönlich haftende Gesellschafter dieses Bankhauses früher mal Verteidiger und später Präsident von Eintracht Braunschweig war. Der hat eine Fußball-Kompetenz, und ich bediene mich gern dieser Kompetenz.

SPIEGEL: Nun müssen Sie das Unternehmen Eintracht Braunschweig sanieren. Wie wollen Sie das machen?

MAST: Erst mal habe ich schon früher aus der Zusammenarbeit mit dem Verein und als Vertreter unserer Firma die Erkenntnis gewonnen, daß die Verwaltung haarsträubend war.

SPIEGEL: Wie äußerte sich das?

MAST: Wenn man Verbindlichkeiten nur daran erkennt, daß man Mahnungen erhält. Wenn man nicht aus der Buchführung heraus weiß, ich habe dann und dann 500 000 Mark Lohnsteuer zu bezahlen, sondern erst vom Finanzamt der Bescheid kommen muß mit Säumniszuschlägen und so weiter. Die wußten überhaupt nichts. Sie haben sogar Verbindlichkeiten mit Bilanzverlusten verwechselt.

SPIEGEL: Haben Sie die Geschäftsstelle in Ihre Firma überführt?

MAST: Nein, nein, nun warten Sie mal. Sie wurde leergeräumt, das schlechte Mobiliar ist rausgekommen, damit es auch äußerlich wieder ordentlich aussieht.

Neue Fußböden sind reingekommen, die Maler waren drin, und jetzt kommen die Akten da wieder rein, nachdem ich sie alle einzeln durchgelesen habe.

SPIEGEL: Überweisen Sie nun den Spielern ihre Gehälter?

MAST: Ja, das wird über unsere EDV-Anlage gemacht. In dem Verein hat das vorübergehend ein ehrenamtlicher Mann gemacht, ein herzensguter Mensch, der aber die gesetzlichen Bestimmungen gar nicht alle kannte.

SPIEGEL: Ordnung ist ja etwas Feines, vertreibt aber die Schulden nicht.

MAST: Da gehen wir jetzt ran. Die Gehälter der Spieler, die 80 Prozent des Etats ausmachen, werden ganz, ganz erheblich reduziert. Dazu ist die Möglichkeit gegeben, denn 13 oder 14 Verträge laufen Mitte des Jahres aus.

SPIEGEL: Wie erklärt es sich aber bei diesem Sparkurs, daß Sie der Mannschaft, die am vorletzten Wochenende im Pokal bei einem Amateurklub 1:3 verloren hat, also ausgeschieden ist, noch 1000 Mark Prämie pro Spieler zahlen?

MAST: Mein Vorgänger hat eine Vereinbarung getroffen. Die konnte ich erst zwar nicht fassen. Aber als Kaufmann halte ich geschlossene Verträge ein.

SPIEGEL: Wie drastisch wollen Sie die Gehälter kürzen?

MAST: Das kann bis 50 Prozent gehen, und zwar nicht mit dem Wort, sondern mit der Tat.

SPIEGEL: Was machen Sie denn, wenn Ihnen die Spieler weglaufen?

MAST: Das sehe ich überhaupt nicht. Wo sollen die denn hin? Wenn überhaupt, dann haben sie die Chance, zum Arbeitsamt zu gehen. Der Markt gibt doch gar nichts mehr her. Es gibt doch viele Bundesligaspieler, die arbeitslos sind. Die Lizenzspieler von Eintracht Braunschweig müssen sich jetzt auch der allgemeinen wirtschaftlichen Situation anpassen. Der Verein ist ja dadurch in diese Notlage hineingekommen, daß ihm die Zuschauer weggelaufen sind und die Spielergehälter munter weiter gestiegen sind.

SPIEGEL: Können nicht Vereine, die kurz vor dem Abstieg stehen, sagen, jetzt kaufen wir uns einen unzufriedenen Braunschweiger?

MAST: Die anderen Vereine haben doch dieselben Probleme. Denken Sie doch mal an den früheren Nationalspieler Abramczik, was der für eine Not hatte, daß er beim FC Nürnberg unterkam.

SPIEGEL: Was kann ein durchschnittlicher Bundesligaspieler in Braunschweig zukünftig verdienen?

MAST: Na, ich würde sagen: Gehälter um 100 000 Mark. Das ist aber schon das allerhöchste.

SPIEGEL: Muß denn ein Trainer wie Ihrer das Dreifache verdienen?

MAST: Natürlich nicht. Wenn ein Trainer erstmalig eine Bundesliga-Mannschaft als Chef trainiert, ist so ein Gehalt einfach indiskutabel. Ich schätze Herrn Ristic sehr und kann ihm eigentlich nur gratulieren, daß er meinen Vorgänger so über den Tisch gezogen hat. Er hat eine tolle kaufmännische Begabung; aber er kann die nicht noch einmal erfolgreich anwenden.

SPIEGEL: Da Sie vom Fußball nichts verstehen, wie wollen Sie dann wissen, was der Trainer und was die Spieler wert sind? Wollen Sie die Einheitsgage einführen?

MAST: Mein Berater in allen Fußballangelegenheiten ist Paul Breitner, der berühmte Nationalspieler. Er ist schon dabei, unseren Spielerkader für die nächste Saison zusammenzustellen.

SPIEGEL: Und was verdient Breitner?

MAST: Das machen wir unter uns Freunden ab, selbstverständlich muß er nichts aus der eigenen Tasche bezahlen.

SPIEGEL: Ist der berühmte Paul Breitner obendrein eine Werbemasche?

MAST: Das auch. Aber in erster Linie ist er mein Freund und mein Berater. Bei Eintracht Braunschweig ist er ein guter, alter Bekannter, vor einigen Jahren hatte ich ihn von Real Madrid nach Braunschweig geholt. Damals ist es der ganz große Werbegag gewesen.

SPIEGEL: Was passiert mit der Werbewirksamkeit, wenn Ihre Roßkur dazu führt, daß Eintracht Braunschweig aus der Bundesliga absteigt?

MAST: Ach wissen Sie, der Unterschied zwischen erster und zweiter Bundesliga ist gar nicht so groß. Sehen Sie sich mal die Situation bei Schalke 04 an. Die haben Mordszuschauerzahlen in der zweiten Liga.

SPIEGEL: Schalke war schon immer etwas Besonderes. Aber es ist doch finanziell ein großer Unterschied zwischen dem Erstligisten Braunschweig und dem Zweitligisten SC Freiburg.

MAST: Ja, das konzediere ich Ihnen. Aber die zwei Jahre, in denen Eintracht Braunschweig in der zweiten Liga gespielt hat, waren für mich werblich absolut erstklassig. Erst gab es die Aufregung um den Abstieg und dann nachher wieder das Gerangel um den Aufstieg. So etwas bringt Bewegung und Storys, und das ist gut.

SPIEGEL: Falls Ihnen der Abstieg droht, werden Sie also keine neuen Spieler kaufen?

MAST: Natürlich wünsche ich mir und den Braunschweiger Fans den Abstieg nicht. Aber ich kann ja nicht auf der einen Seite sagen, ich reduziere die Gehälter, und am nächsten Tag gehe ich hin und engagiere ein paar teure Spieler. Das wäre ja Nonsens.

SPIEGEL: Warum laden Sie sich eigentlich einen kranken Fußballverein in einer Zeit auf, in der das Interesse am Fußball offenbar zurückgeht?

MAST: Ich glaube nicht, daß der Fußball einen Niedergang erleidet. Vorm Fernseher interessieren sich die Leute wie immer für den Fußball. Sie gehen nur seltener ins Stadion, und darauf müssen wir reagieren.

SPIEGEL: Nun ist es ja manchen Vereinen schon schlecht bekommen, daß sie sich so an eine Person gebunden haben. Was schützt denn die Braunschweiger davor, daß Sie in einem Jahr oder in zwei Jahren sagen, nun habe ich keine Lust mehr?

MAST: Wenn Sie mich jetzt mit diesem Herrn Goldbach von Westfalia Herne, einem Steuerhinterzieher, vergleichen, dann ist das natürlich nicht gerade schön für mich. Ich kann das auch nicht akzeptieren; denn ich führe ein solides Unternehmen. Aber nehmen wir nur mal an, mich trifft morgen der Schlag und bei uns in der Firma geht nun alles drunter und drüber ...

SPIEGEL: ... ja, zum Beispiel.

MAST: ... dann passiert das, was sonst schon am 29. November 1983 passiert wäre. Da war nämlich Eintracht konkursreif. Ich habe ja nicht den Verein geführt und in diese Situation hineingebracht, sondern ich habe den Verein, der konkursreif war und damit seine Rechtsfähigkeit verloren hätte, erst mal gerettet. Auf diese Weise können 2500 Amateursportler - nach unserem Vertrag zumindest zweieinhalb Jahre länger und in finanziell guten Verhältnissen - ihren Sport weiter ausüben. Und wenn dann der schlechteste Fall eintritt, ist er zweieinhalb Jahre hinausgeschoben worden. Das ist doch gut, oder?

SPIEGEL: Rechnen Sie mit dem Bundesverdienstkreuz?

MAST: Nein, das würde ich nicht annehmen, weil ich ein Gegner von Orden, Titeln und dergleichen bin.

SPIEGEL: Fußballfans hängen ja sehr an Traditionen. Da gibt''s diesen Spruch: Elf Freunde müßt ihr sein.

MAST: ... ja, darüber habe ich mich schon oft amüsiert. Das mit den elf Freunden glaubt aber keiner in der Öffentlichkeit mehr.

SPIEGEL: Sie fürchten nicht, daß die Fans in Braunschweig dadurch, daß die Eintracht nun zu einem Likör-Verein geworden ist, ihren Klub fallenlassen?

MAST: Wir haben am Jahresschluß, glaube ich, fünf Kündigungen gehabt. Ich weiß nicht, wie viele normalerweise eingehen. Eine Kündigung war dabei, wo ein Mitglied sie mit Bezug auf die bevorstehende Namensänderung ausgesprochen hat. Bei 2500 Mitgliedern sollte man darüber, glaube ich, nicht sprechen. 96 Prozent waren für die Umbenennung - das sollte doch eigentlich, wenn man demokratisch denkt, alles erklären.

SPIEGEL: Ist Ihnen eigentlich schon mal die Idee gekommen, daß die Verbindung zwischen Schnaps und Sport angesichts von anderthalb Millionen Alkoholabhängigen, die es in Deutschland gibt, zumindest problematisch ist?

MAST: Nein, gar nicht. Das tangiert mich gar nicht. Erst einmal muß ich dazu feststellen: Eine konkrete Angabe über Alkoholkranke ist unmöglich, weil es überhaupt keine Statistik gibt.

SPIEGEL: Aber, Herr Mast, Sie sind sonst so ein realistischer Mann. Es gibt die Blaukreuzler, es gibt die Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, es gibt den niedersächsischen Sozialminister Schnipkoweit, die alle Zahlen in der Größenordnung zwischen 1,5 und 1,8 Millionen ...

MAST: ... sind frei erfunden, die Zahlen! Die sind durch nichts belegbar! Wenn man zehnmal die Unwahrheit sagt, wird sie noch nicht Wahrheit. Niemand kann diese Zahlen belegen, und ich muß ganz entschieden dagegen protestieren, daß die in diese Diskussion eingeführt werden. Daß es Alkoholkranke gibt, das ist unstreitig. Deshalb können Sie ja den Alkoholgenuß nicht verbieten. Die Tatsache, daß Sport und Alkohol hier miteinander zusammentreffen, kann mich nicht von meinen Aktivitäten abhalten, weil es ja auch nicht so ist, daß im Sport gar kein Alkohol konsumiert wird.

SPIEGEL: Sportler sind oft Idole und wirken auf Jugendliche wie Traumfiguren. Wenn ein Fußballer nun mit einem Schnaps-Emblem auf der Brust herumläuft, liegt es doch nahe, daß im Bewußtsein des Jugendlichen der erfolgreiche Sportler und die Schnapssorte zusammengehören.

MAST: Meinen Sie denn, daß ein Fußballer, der zum Beispiel bei Borussia Dortmund spielt und »Uhu« auf dem Trikot hat, einen Jugendlichen veranlaßt, sein Spielzeug mit »Uhu« zusammenzukleben?

SPIEGEL: Wir haben bisher gedacht, daß Sie Ihre Werbung in der Hoffnung machen, daß die Leute daraufhin Ihren Schnaps trinken.

MAST: Klar, jede Werbung verfolgt das Ziel, Aufmerksamkeit für das Produkt zu wecken und in das Bewußtsein des Verbrauchers einzudringen. Aber der Verbrauch, der tritt doch in der Zeit ein, wo die Zeit dazu ist. Der Jugendliche wird ja doch nicht deshalb, weil er im Sportbereich der Alkoholwerbung begegnet, nun früher anfangen mit dem Alkoholgenuß. Das geht doch nicht nach dem Motto: So, weil diese Werbung nun auch im Sport erscheint, deshalb entschließe ich mich als Zwölfjähriger nun dazu, Alkohol zu trinken.

SPIEGEL: Bei jedem Bundesligaspiel - auch in Braunschweig - nimmt die Polizei schon am Hauptbahnhof alkoholisierte Fußballfans fest, die oft in diesem Alter sind.

MAST: Die Frage des Alkoholgenusses im Auswuchs, die ist ja unabhängig von der Werbung. Gehen Sie doch nach

Polen oder in die UdSSR, wo überhaupt gar keine Werbung für alkoholische Getränke gemacht wird: Was gibt es da für einen Alkoholkonsum.

SPIEGEL: Warum werben Sie bloß, wenn alles so sinnlos ist?

MAST: Es geht doch nur um die Verschiebung von Marktanteilen. Der Konsum alkoholischer Getränke ist ja gar nicht gestiegen in den letzten Jahren. Aber die Leute wechseln von einer Marke zur anderen und es ist die Aufgabe eines jeden Unternehmers, für sein Produkt eine Absatzmaximierung und -optimierung zu erreichen. An meinem Unternehmen hängen schließlich 500 Familien, die davon leben.

SPIEGEL: Das Argument Arbeitsplätze schlägt alles. Lassen Sie uns das Thema wechseln. Sie wollten dem Deutschen Fußball-Bund vorexerzieren, wie man den Berufsfußball auf eine solidere Basis stellen kann, etwa mit der Gründung von Aktiengesellschaften oder einer GmbH.

MAST: Das habe ich nie beabsichtigt, weil ich Realist bin. Ich kenne die Satzung des DFB, die nur Vereine zur Bundesliga zuläßt. Ich will mich in DFB-Belange gar nicht einmischen.

SPIEGEL: Warum, glauben Sie, ist der DFB so scharf darauf, diese Vereins-Strukturen zu erhalten?

MAST: Weil er selber ja in dieser Struktur drinsteckt. Er ist ein eingetragener Verein, der immer in der Öffentlichkeit sagt, er hätte 4,6 Millionen Mitglieder. In Wirklichkeit sind es vielleicht 20, nämlich die verschiedenen Amateurverbände in Nord, West und Süd. Der DFB wird ja von den Amateuren beherrscht. Dann sind da noch so ein paar persönliche Stimmen der Vorstandsmitglieder des DFB ...

SPIEGEL: ... was meinen Sie damit? Mauscheln die miteinander?

MAST: Das habe ich nicht gesagt, daß die miteinander mauscheln. Es ist ein Verein, und zwar ein relativ kleiner Verein mit einer enormen Verbandsgewalt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß in diesem Verein ein Interesse daran bestehen könnte, daran etwas zu ändern. Aber das ist eigentlich nicht mein Problem.

SPIEGEL: Warum will der DFB verhindern, daß Eintracht Braunschweig in Jägermeister Braunschweig umgetauft wird?

MAST: Er möchte eine Entwicklung verhindern, wie sie in Österreich schon realisiert worden ist. Dort heißen manche Vereine nach Produkten.

SPIEGEL: Ihnen wäre es vermutlich egal, wenn Braunschweig irgendwann gegen BMW München oder Backpulver Bielefeld spielt?

MAST: Das würde mich gar nicht stören. Wenn Jägermeister Braunschweig gegen BMW München spielt, dann weiß jeder vernünftige Mensch, daß das die Mannschaft ist, die aus München kommt, die in der Tabelle die und die Position hat und die vor fünf oder zehn Jahren mal FC Bayern hieß. Das spielt doch für das Fußballerleben gar keine Rolle.

SPIEGEL: Wenn man das mal weiterdenkt, was Sie da machen: Schießt das nicht am Ende nach hinten? Es gibt bereits Bayer Leverkusen und Bayer Uerdingen. Als nächster wird sich, um irgendein Beispiel zu nehmen, BP den HSV ganz kaufen, oder die Firma Hoechst nimmt sich der Eintracht Frankfurt an.

Diese Firmen haben ja nun noch viel mehr Geld als Sie. Sie könnten die Spielerpreise auf zehn und mehr Millionen schrauben und Sie beziehungsweise Braunschweig wären auf ewig zweite Garnitur.

MAST: Nein, das sehe ich gar nicht so. Erst mal glaube ich gar nicht, daß solche Interessen in der Industrie gegenüber anderen Bundesligavereinen überhaupt vorhanden sind.

SPIEGEL: Was macht Sie so sicher? Sie sagen, so ein Fußballverein ist ein erstklassiger Werbeträger. Möglicherweise wird das mit zunehmender Vermarktung, übers Kabelfernsehen etwa, noch besser werden. Es liegt doch auf der Hand, daß sich auch andere Firmen diese Gedanken machen.

MAST: Die tun''s aber doch nicht! Wo ist denn der Bundesligaverein, der einen Partner über elf Jahre hat wie Eintracht Braunschweig? Den gibt''s überhaupt nicht! Dauernden Wechsel auf den Trikots. Jetzt wieder bei den Bayern: Iveco geht jetzt runter, und dann kommt »Commodore«, eine Computerfirma. Die Trikotwerbung ist ja nur etwas wert, wenn man in der Lage ist, wie ich, eine Story drumherum zu entwickeln. Nur dann!

SPIEGEL: Sie sind sicherlich ein sehr begabter Mann, aber nun nicht einzig auf dieser Welt.

MAST: Leider muß ich Ihnen sagen, daß es mir bisher in diesem Bereich noch keiner nachgemacht hat. Ja, das ist nun mal so. Nennen Sie ihn doch. Sagen Sie doch, wer es gemacht hat. Sie können ihn doch nicht nennen.

SPIEGEL: Wir nehmen mal an, niemand wußte bisher, daß es so einfach ist, sich einen ganzen Verein zu kaufen.

MAST: Wenn ich mir einen Verein hätte kaufen wollen, dann hätte ich mir einen besseren ausgesucht. Das ist ein Teil eines großen Marketing-Konzeptes. Das ganze Konzept steht auf Eigenwilligkeit, während die meisten Markenartikler immer so werben, wie man in Büchern lesen kann. Wir machen es nicht nach Büchern, sondern wir machen es ganz unkonventionell. Für uns ist es sehr, sehr gut und erfolgreich. Wir sind das finanz- und ertragsstärkste Unternehmen unserer Branche.

SPIEGEL: Es ist schon erstaunlich, daß Sie den Leuten beigebracht haben, diesen Jägermeister-Schnaps zu trinken. Müssen Sie sich jetzt aber nicht um andere Werbemöglichkeiten, etwa im heraufziehenden Kabelfernsehen, bemühen?

MAST: Wir machen seit acht Jahren keine Fernsehwerbung mehr und existieren doch recht gut. Von den neuen Medien halte ich gar nichts. Ich prophezeie denen den größten Flop des Jahrzehnts, wenn nicht des Jahrhunderts. Das wird nix!

SPIEGEL: Herr Mast, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
*KASTEN

Günter Mast *

leitet in Wolfenbüttel die W. Mast KG. Zahl der Betriebsangehörigen: 500. Mit seinem Likör setzt Mast, 57, jährlich mehr als 400 Millionen Mark um. In die Werbung steckt er jedes Jahr 25 Millionen Mark, davon fließen fünf Millionen in den Sport. 1973 führte er in der Fußball-Bundesliga die Trikotwerbung ein. Eintracht Braunschweigs Mannschaft trägt seitdem auf den Trikots den Hubertus-Hirsch der Marke Jägermeister. Bis heute investierte Mast in den stets verschuldeten Klub etwa 20 Millionen Mark. Als dennoch der Konkurs drohte, wählten die Mitglieder am 28. November 1983 Mast zum Präsidenten, der sich den Nationalspieler Paul Breitner als Berater verpflichtete. Dann billigten die Klubmitglieder auch Masts nächsten Coup fast einstimmig: die Umbenennung von Eintracht Braunschweig in Jägermeister Braunschweig. Dagegen wehrt sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Mast klagt gegen den DFB.

Mit Redakteuren Hans-Joachim Nesslinger und Joachim Preuß imSPIEGEL-Haus.

H.-J. Nesslinger, Joachim Preuß
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