Pädophile im Internet "Ich will dich verwöhnen"

Sie verstecken sich hinter falschen Namen, geben sich als Teenager aus, sind auf der Jagd: Pädophile, die sich im Internet an Kinder und Jugendliche heranmachen. SPIEGEL TV hat Männer aufgespürt, die im Netz nach Kindern suchen.

Längst geht es nicht mehr nur um das Beschaffen kinderpornografischer Bilder. Pädophile nutzen gezielt Chatrooms, um minderjährige Opfer zu finden. Getarnt als Gleichaltrige machen sie unmissverständliche Angebote, bieten Geld oder vorgetäuschte Freundschaften - Lockmittel, denen viele Kinder und Jugendliche nicht widerstehen können. Selbst wenn sie kein Treffen vorschlagen, kommen die Triebtäter bis in die Kinderzimmer - per Webcam. Ungebeten verschicken sie Videos von ihren Geschlechtsteilen und Masturbationsszenen, dazu verbale Belästigungen. Die kindlichen oder jugendlichen Zuschauer sind geschockt und traumatisiert.

Die Machenschaften der Triebtäter in der virtuellen Welt bleiben meistens unbestraft. Zu wenig Beamte, nur 35 bis 40 Polizisten deutschlandweit, sind befugt, überhaupt präventiv, also "anlassunabhängig", zu recherchieren, erklärt Rainer Richard vom LKA München gegenüber SPIEGEL TV. Abgesehen davon ist die reine Anbahnung eines Treffens noch nicht einmal strafbar.

Beate Schöning von dem Verein "Netkids" arbeitet deshalb auf eigene Faust. Sie macht die Pädophilen ausfindig, spricht sie auf ihre Vergehen an und erstattet Anzeige. Manchmal hilft ein Lockvogel. Gleichzeitig versucht sie in Seminaren, Eltern auf das Problem aufmerksam zu machen, damit diese Vorsichtsmaßnahmen ergreifen (Informationen und Präventionsmaterial unter "www.kindersindtabu.de") .

Um Täter zu überführen, loggt sich Schöning unter falschen Angaben in einen der unzähligen Chaträume ein. Im Internet ist sie Leila, 12 Jahre alt. Gegenüber SPIEGEL TV demonstriert sie, wie schnell ein Pädophiler Kontakt zu dem angeblichen Kind aufnimmt. Binnen weniger Minuten erhält sie Post. Jörg K., ein zweifacher Familienvater, will sich sofort mit Leila treffen. Er sucht ihr die Bahnverbindungen heraus, und sagt, dass er die Nacht mit ihr verbringen will. Dann schickt er ein Foto von sich. In Unterwäsche.

Schöning geht auf das Angebot ein, sie fährt nach Kiel. Die letzten Anweisungen erhält sie per SMS: "Kannst kommen, meine Frau ist weg. Ich erwarte dich und freue mich darauf, dich verwöhnen zu dürfen. Küsse dich. Bis später." An der Wohnungstür klingeln soll Leila aber nicht - das könnte seine Söhne wecken. Als Schöning Jörg K. im Hausflur mit seiner Internet-Identität konfrontiert, flüchtet der Täter in seine Wohnung - an der Tür hängen noch die Luftballons vom Kindergeburtstag.

Auch die 13-jährige Bibi F. fiel auf einen Pädophilen herein. Sie ließ sich sogar zu einem Vertrag mit einem etwa 40-jährigen Mann überreden. Zwei Stunden pro Woche sollten die 13-Jährige und eine Freundin für den Mann Babysitter spielen - 100 Euro gab es dafür. Alle zwei Wochen sollten die Mädchen zur Verfügung stehen. Bei Bedarf sollten die Kinder auch länger als die vereinbarten zwei Stunden bleiben.

Rund 20.000 Männer sind täglich im Netz unterwegs, auf der Suche nach Kindern, die sie missbrauchen können. 30 Prozent der weiblichen Teenager wurden im Internet schon einmal sexuell belästigt. Das ist das Ergebnis einer US-amerikanischen Studie, bei der mehr als 1000 junge Frauen und Mädchen befragt wurden. In Kinderchats sind sogar 20 Prozent der Anwesenden Pädophile, hat eine Untersuchung des britischen "Internet Crime Forum" ergeben. Allein im vergangenen Jahr gingen der Karlsruher Polizei 180 Täter ins Netz. Doch manche gelangen auch an ihr Ziel.

Julia K. kam gerade noch glimpflich davon. Sie war gerade 13 Jahre alt, als sie sich gemeinsam mit einer Freundin mit dem vermeintlich 18-jährigen Freddy verabredete. Wie sich beim ersten Treffen herausstellte, war Freddy nicht 18 Jahre alt, sondern 38. Und er wollte nicht mir den Mädchen quatschen, sondern Nacktfotos. Doch die Kinder zeigten ihn an - ein seltener Schritt. Die meisten Jugendlichen, die ähnliche Erlebnisse haben, schweigen, aus Scham und aus Angst ansonsten von ihren Eltern ein Internet-Verbot zu bekommen.

Udo Zoch von der Kripo Braunschweig hat im Fall Julia K. ermittelt: "Heute sind wir sogar ganz sicher, dass das Mädchen Glück gehabt hat, weil wir eine Hausdurchsuchung gemacht und entsprechendes Material gefunden haben." Der Täter habe wohl nicht nur Fotos machen wollen, sondern hätte vermutlich auch noch versucht, sich an den Mädchen zu vergehen.

Nach Meinung von Expertin Schöning gibt es "keinen rechtsfreieren Raum als das Internet und keinen anonymeren Platz, um Kinder anzusprechen und zum Ziel zu gelangen". Fast ein Drittel der zehn- bis elfjährigen Internet-Nutzer surft ohne Begleitung Erwachsener.

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