Richard Oetker Chronik einer Entführung
14. Dezember 1976:
An einem Dienstag lauert der Kfz-Tüftler, Freizeit-Barkeeper, Tauchlehrer und Zauberkünstler Dieter Zlof seinem Opfer Richard Oetker auf dem Parkplatz der Universität Weihenstephan bei München auf. Der 25-jährige Industriellensohn studiert hier Brauereiwesen und ist auf dem Weg von seiner Abendvorlesung nach Hause.
Als Oetker sein Auto aufschließen will, wird er von dem maskierten und mit einer Gaspistole bewaffneten Zlof überwältigt und in einen neben dem Pkw des Studenten geparkten VW-Kastenwagen geworfen. Der fast zwei Meter große junge Mann muss sich in eine 1,75 Meter lange, 80 Zentimeter hohe und 70 Zentimeter breite Kiste zwängen. Was der Millionenerbe noch nicht weiß: Sein Peiniger hat die Kiste - neben einer Gegensprechanlage - mit einem perfiden Folterinstrument ausgestattet.
Ein so genannter Akustomat sorgt dafür, dass ab einer bestimmten Phonstärke, wie sie zum Beispiel durch laute Hilferufe erreicht wird, der Körper des Gefangenen automatisch mit Stromstößen traktiert wird. Zlof bringt sein Opfer in seine Werkstatt und informiert Oetkers Frau Marion telefonisch von seiner Lösegeldforderung: 21 Millionen Mark. Während die Oetker-Familie damit beschäftigt ist, die für damalige Verhältnisse exorbitante Menge an Bargeld zu beschaffen, transportiert Zlof den Kastenwagen von der Werkstatt zur Garage.
15. Dezember 1976:
Als der Entführer morgens beim Öffnen der Garagentür das Blechdach des Kastenwagens touchiert, wird ein Stromschlag von solcher Stärke ausgelöst, dass der hoffnungslos in seiner Kiste eingezwängte Oetker fast stirbt. Ob der Akustomat tatsächlich unbeabsichtigt ausgelöst wurde, wie es der Erpresser später behauptete, wird wohl immer ungeklärt bleiben. Die Folgen für Richard Oetker waren entsetzlich: Ihm wurden durch die extremen Stromstöße beide Oberschenkelhalsknochen und acht Lendenwirbel gebrochen, er war bewegungsunfähig und hatte unerträgliche Schmerzen.
Bei dem Versuch, die Geldübergabe zu beschleunigen und vom geplanten 17. auf den 16. Dezember vorzuverlegen, wird die Stimme des Täters am Telefon von der Polizei mitgeschnitten.
16. Dezember 1976:
Als Überbringer des Lösegelds wird Richard Oetkers Bruder August auserkoren. Über mehrere Umwege wird er zum vereinbarten Treffpunkt im Untergeschoss des Münchner Stachus gelotst. Der Geldbote wartet dort vor einer Stahltür neben einer Apotheke. Durch die Fluchttür greift Zlof sich den Aluminium-Koffer mit den 21 Millionen und verschwindet, ohne das es den Zivilfahndern gelungen wäre, die Tür von außen zu öffnen.
Der Erpresser kehrt zu seinem Opfer zurück, säubert den Opel Commodore, den er im Vorfeld der Entführung bereits für Kundschaftsfahrten genutzt hatte, von allen Spuren und legt seine schwer verletzte Geisel hinein. Nach stundenlangem Warten wird die Familie endlich über Richards Aufenthaltsort informiert. Sanitäter fahren unverzüglich zu dem Waldstück am Rande der bayerischen Hauptstadt und bringen den schwer Verletzten nach Hause.