Hitler und der Wagner-Clan Götterdämmerung in Bayreuth

Winifred Wagner, Hitler-Freundin und "Herrin von Bayreuth", gilt heute als Symbol für eine unverbesserliche "Altnazi", die das weltberühmte Wagner-Festival dem Dritten Reich dienstbar machte. Erst die Söhne Wieland und Wolfgang, so die landläufige Meinung, hätten die Bayreuther Festspiele nach dem Krieg vom "braunen Mief" befreit und zu neuen künstlerischen Höhen geführt.

In Zusammenarbeit mit der Wiener Historikerin Brigitte Hamann hat SPIEGEL TV-Autor Michael Kloft das Leben der Winifred Wagner und die wechselvolle Geschichte der Bayreuther Festspiele rekonstruiert. Mit bisher unveröffentlichten Dokumenten, Filmaufnahmen und Fotos, sowie in Gesprächen mit Zeitzeugen, zeichnen sie ein faszinierendes Bild von "Hitlers Bayreuth" und räumen mit so mancher Legende auf. Denn Brigitte Hamanns Buch birgt einigen Zündstoff. Die Verquickung von Hitler und dem Wagner-Clan, von Macht und Kultur, wird erstmals in voller Schärfe deutlich.

Schon in den Zwanziger Jahren steht Bayreuth im Mittelpunkt eines rechtsradikalen "Netzwerks", das den Aufstieg Hitlers und seiner Partei nach Kräften fördert und im Ausland immer wieder Finanzquellen für die Nazis erschließt. Die junge Winifred, seit 1915 Ehefrau des homosexuellen Komponistensohns Siegfried Wagner, pflegt eine innige Freundschaft zu Hitler.

Die Wagners sind überzeugte Antisemiten. Nach Siegfrieds frühem Tod leitet Winifred die Festspiele, die 1933 nur Dank finanzieller Unterstützung Hitlers dem Ruin entgehen. Bayreuth wird zum Gralstempel des Dritten Reiches, der Reichskanzler ist alljährlich umjubelter Gast im Hause Wagner. Dort spielt Hitler den Ersatzvater für die Wagner-Erben, pflegt engste Freundschaften mit Winifreds Kindern.

Wieland bleibt "Wolf" bis zum Ende treu ergeben, wandelt sich erst nach 1945 zum Neuerer der Festspiele. Verena heiratet den hohen Nazi-Offiziellen Bodo Lafferentz, der die Kriegsfestspiele für das "Kraft- durch- Freude- Programm" organisiert. Schwester Friedelind dagegen emigriert 1938. Sie verkörpert zeitlebens das schlechte Gewissen des Wagner- Clans. Wolfgang schließlich lernt das Theaterhandwerk von der Pike auf, übernimmt 1951 mit Wieland die Festspiele und ist seit dessen Tod 1966 alleiniger Herr auf dem "Festspielhügel".

Winifred stirbt 1980 - ungebrochen in ihrer Verehrung für Hitler. Bereitwillig hat sie die Verantwortung für die dunklen Jahre der Festspiel-Geschichte übernommen, ihren Kindern so das Erbe gerettet. Doch die Schatten der Vergangenheit sind bis heute nicht gewichen.

Neben der Historikerin und Buchautorin Brigitte Hamann kommen zahlreiche Zeitzeugen in dieser einzigartigen Dokumentation zu Wort: Wolfgang Wagner, die Sängerin und Wieland-Gefährtin Anja Silja und der Regisseur Hans-Jürgen Syberberg, der 1975 seinen umstrittenen Interview-Film mit Winifred Wagner drehte. Bislang unveröffentlichte Amateurfilme führen hinter die Kulissen der weltberühmten Festspiele und zeigen den Wagner-Clan privat.


FAMILIENGESCHICHTE


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