Flugmodellbau "Vom Original nicht zu unterscheiden"
Vom Modellflugführer über Testberichte, interaktive Foren, Suchmaschinen, Auktionen und Linklisten bietet RCOnline vor allem den Remote-Control-Freaks ein großes Angebot an News und Fachinformationen. Bei immerhin 100.000 Seitenzugriffen pro Monat wird klar: Schon längst hat sich das Modellbauen vom skurrilen Hobby der Kellerkinder zu einem nennenswerten Faktor im Freizeitsektor gemausert. Mit SPIEGEL ONLINE sprach der Modellflug-Experte Behling über Mini-Helis, fliegendes Verpackungsmaterial und Hobbybastler im Entwicklungswahn.
SPIEGEL ONLINE: Die Modellflug-Gemeinde der Bundesrepublik ist eine der größten der Welt. Allein im Deutschen Modellfliegerverband sind über 50.000 Piloten aktiv, Wolfgang Klühr hat es in England und Österreich zu Jet-Weltmeister-Ehren gebracht. Was macht die Faszination Modellbau aus?
Behling: Eindeutig das Interesse an einer Technik, die man sich im Großen nicht leisten, im Kleinen aber ermöglichen kann. Als Modellbauer muss man von vielen Sachgebieten etwas verstehen: Elektronik, Technik, Materialkunde oder Aerodynamik. Das ist eine große Herausforderung. Die Hamburger Modellbautage sind mittlerweile zu einem der größten Ereignisse in Nordeuropa geworden. Beim letzen Mal kamen rund 40.000 Besucher.
SPIEGEL ONLINE: Was sind das für Menschen, die am Wochenende Mini-Flugzeuge in die Luft gehen lassen?
Behling: Man muss zwei Typen von Modellfliegern unterscheiden: Es gibt Leute, die bauen ihre Flieger aus sehr einfachen Materialien wie zum Beispiel Styropor. Das bedeutet, dass sie im Prinzip mit Verpackungsmaterial fliegen. Profis wie der amtierende Weltmeister der Jet-Piloten, Wolfgang Klühr, entwickeln technisch bis ins kleinste Detail ausgefeilte Flugmodelle. Es gibt zudem eine Menge Schiffsmodelle und ferngesteuerte Automodelle, die vom Original schon überhaupt nicht mehr zu unterscheiden sind.
SPIEGEL ONLINE: Welche Trends können Sie im Moment ausmachen?
Behling: Seitdem die Computertechnik Einzug in die Fernsteuerung gehalten hat, können wir im Prinzip alles machen. Flugmodellbau ist zurzeit sehr beliebt allein in diesem Bereich haben sich mittlerweile 1100 Vereine organisiert und die Zahl der Mitglieder stiegt. Außerdem gibt es bereits 420 Minicar-Clubs, die ihre eigenen Rennstrecken betreiben.
SPIEGEL ONLINE: Nicht zu vergessen jene Experten, die sich auf Panzer oder Lastwagen spezialisiert haben.
Behling: Es gibt in München wohl eine Panzerwiese mit komplett gestalteter Landschaft. In der Szene bin ich aber nicht so zu Hause. Ich weiß, dass es in Hamburg einen Truckmodell-Klub gibt mit einer komplett rekonstruierten Kulisse der Hansestadt - einschließlich Köhlbrandbrücke und Lagerhäuser.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Geld investiert ein Modellbauer pro Jahr in sein Hobby?
Behling: Für eine einfache Ausstattung reichen rund 1500 Mark im Jahr. Der Durchschnitt liegt zwischen 3000 und 10.000 Mark, die Profis geben mindestens 100.000 Mark im Jahr aus, bekommen aber mittlerweile auf Grund ihrer Popularität Sponsorengelder.
SPIEGEL ONLINE: Welche Modelle sind denn so verrückt, dass selbst Sie sich davon noch begeistern lassen?
Behling: Manchmal kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich habe neulich einen Impellerjet mit 42 Zellen senkrecht bis an die Sichtgrenze aufsteigen sehen. Ein versierter Modellbauer hatte zwei elektrische Kohle-Impeller in das Fluggerät integriert. Zum absoluten Kultobjekt avanciert ist der LMH 110, ein kleiner elektrischer Fun-Hubschrauber, in Fachkreisen auch als "unkaputtbarer Heli" bezeichnet. Solche Mini-Helikopter kommen ursprünglich aus den USA und sind auch für Anfänger relativ leicht zusammenzubauen. Sie müssen sich vorstellen, dass der Motor gerade mal einen Kubikzentimeter groß ist. Die Heli-Klasse ist und bleibt eben die Königsklasse. Ein Spanier hat unlängst den so genannten Nurflügler Zagi, ein Segelflugzeug, mit einem Profil entwickelt, das in dieser Form eigentlich gar nicht fliegen dürfte. Ein kleines, aus EPP-Schaum gefertigtes Wunder und sehr leicht zu fliegen, das könnte ich sogar Ihnen in die Hand drücken.
SPIEGEL ONLINE: In welchen Disziplinen messen sich die Modellbauer auf ihren Meisterschaften? Kommt es dabei zu spektakulären Zusammenstößen oder Abstürzen?
Behling: Die Fluggeräte kosten im Schnitt mindestens 1500 Mark. Da Lenkfehler häufig mit einem kapitalem Crash bestraft werden, ist die Selbstdisziplin sehr hoch und es kommt fast nie zu Unfällen oder Personenschäden. Bei den Weltmeisterschaften fliegen die Teilnehmer die in den entsprechenden Klassen vorgegebenen Figurenprogramme. Der präzise Aufbau der Flugzeuge wird hier ebenso bewertet wie die Funktionalität.
SPIEGEL ONLINE: Welchen technischen Spielraum haben Sie noch bei der Entwicklung neuer Modelle?
Behling: Wir warten auf den ersten so genannten Harrier. Englische Modellbauer haben ein senkrecht startendes Flugzeug entwickelt, das jetzt mit Turbinen ausgerüstet werden kann. Im Bereich RC-Car finden Sie schon jetzt alle technischen Elemente, die auch in der Formel 1 bekannt sind, zum Beispiel Kohlefaserbremsen. Ansonsten gilt: Da draußen sitzen eine Menge Leute, die permanent damit beschäftigt sind, Innovationen umzusetzen.