Das Geschäft mit überflüssiger Medizin Sinnlos unterm Messer

Viele medizinische Therapieverfahren beruhen auf Trugschlüssen oder finanziellen Interessen. Deutlich wird dies, wenn Ärzte zu Patienten werden – sie lassen sich seltener behandeln als der Rest der Bevölkerung. Im XXP-Studio diskutieren Experten über das Geschäft mit überflüssigen Behandlungen.

Menschen, die mit Beschwerden zum Arzt gehen, hoffen auf eine gründliche Untersuchung, präzise Diagnose und wirksame Therapie. Ob und wie ein Patient behandelt wird, hängt allerdings maßgeblich auch vom Wohnort, von ärztlichen Launen und vom Bildungsstand ab. Schlechtinformierte Bürger werden häufiger operiert - und das ist nicht immer gut für sie. Überraschend viele Diagnosen, Arzneimittelgaben und Operationen bringen den Patienten gar keinen Nutzen. Dabei geht es nicht um Pannen bei Operationen, sondern um Heilversuche, von denen schon vorher klar ist, dass sie sinnlos oder gar abträglich sind - es geht um Schwindel im System. Das ist inzwischen auch etlichen Ärzten und Wissenschaftlern bekannt, die diesen Missstand beheben wollen.

Im XXP-Studio diskutieren Christoph Seiler, Chirurg und Experte für Placebomedizin, Sibylle Herbert, Autorin von "Überleben Glückssache", Dagmar Lühmann, Institut für Sozialmedizin der Uniklinik Lübeck und Klaus-Dieter Wurche, Präsident der Ärztekammer Bremen, über das derzeitige Ausmaß der Übertherapie.


Gäste im Studio

Dr. med. Christoph Michael Seiler, Chirurg und Epidemiologe, ist Leiter des Klinischen Studienzentrums für Chirurgie in Heidelberg. Seiler fordert den Nutzen operativer Eingriffe systematisch zu ergründen: "Chirurgische Eingriffe können ebenso einen Placebo-Effekt haben wie Medikamente".

Sibylle Herbert, Journalistin mit Schwerpunkt Sozialpolitik, ist die Autorin von "Überleben Glückssache - Was Sie als Krebspatient in unserem Gesundheitswesen erwartet" und selbst Betroffene - sie erkrankte an Brustkrebs. Ihre Erfahrungen mit Ärzten, den verschiedenen Behandlungsstufen einer Krebstherapie und den Grenzen des Gesundheitssystems schildert sie in ihrem 2004 erschienenen Buch.

Dr. Dagmar Lühmann vom Institut für Sozialmedizin der Uniklinik Lübeck. Sie hat verschiedene innovative Therapiemethoden auf ihre Wirksamkeit überprüft. Zuletzt legte Lühmann eine Studie zu minimal-invasiven Bandscheibeneingriffen vor. Ihr Urteil ist vernichtend: "Unterschiedlichste Prozeduren haben in den Medizinbetrieb Einzug gehalten, belastbare Belege für ihre Wirksamkeit gibt es allerdings nicht."

Dr. med. Klaus-Dieter Wurche, Präsident der Ärztekammer Bremen

außerdem im Studio:

Moderation: Corinna Lampadius, XXP

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