Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess Die Anklagepunkte
Anklagepunkt 1: Verschwörung
Unter dem Anklagepunkt "Verschwörung" verstand man die Teilnahme an einem gemeinsamen Plan oder einer Verschwörung mit dem Ziel der Eroberung unumschränkter Macht. Wer als Anstifter, Mittäter, Führer oder Organisator Verbrechen gegen den Frieden, das Kriegsrecht und die Humanität geplant oder durchgeführt hatte, musste sich in Nürnberg für diesen Punkt verantworten. Durch Drohung, Gewalt oder Angriffskriege hätten die Verschwörer versucht, die Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages zu unterlaufen und sich - neben den 1918 verlorenen Gebieten - weitere Territorien anzueignen. Die Verletzung internationaler Verträge und Vereinbarungen war die Folge.
Anklagepunkt 1 bezieht sich auf die direkte oder indirekte Teilnahme an jenen Maßnahmen, die eine Machtergreifung der Nazis und die Festigung einer Diktatur sichern sollten: Die Verbreitung der Lehre vom "deutschen Blut" und der "Herrenrasse", die hierarchische Strukturierung der Gesellschaft durch das Führerprinzip, die Außerkraftsetzung der freiheitlichen Artikel der Weimarer Verfassung, das Parteienverbot und die Zerstörung der Gewerkschaften, die Gleichschaltung, der Kampf gegen Kirchen und pazifistische Vereinigungen, die militärische Erziehung der Jugend, die Errichtung von Konzentrationslagern und die Verfolgung und Vernichtung von mindestens 5.700.000 Juden.
Anklagepunkt 2: Verbrechen gegen den Frieden
Den Angeklagten des Nürnberger Prozesses wurde vorgeworfen, in 64 Fällen 36 internationale Verträge und Abmachungen gebrochen sowie Angriffskriege begonnen und einen Weltkrieg entfesselt zu haben. Nach einer Phase massiver geheimer Aufrüstung, der Einbindung der Industrie für militärische Zwecke, der Einführung der Wehrpflicht und dem Rückzug aus Abrüstungskonferenz und Völkerbund erfolgte der Anschluss Österreichs, die Annexion der Tschechoslowakei sowie der Angriffskrieg auf Polen. Die Überfälle auf Dänemark, Norwegen, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Jugoslawien und Griechenland wurde ebenso als Verbrechen gegen den Frieden angesehen wie der Marsch auf die Sowjetunion und die Zusammenarbeit Hitlers mit Japan und Italien gegen die Vereinigten Staaten.
Anklagepunkt 3: Kriegsverbrechen
Unter Kriegsverbrechen fallen Anordnungen zu Massenmord, Folterungen, Sklavenarbeit sowie die Duldung oder Anordnung wirtschaftlicher Ausplünderung.
Abschnitt A des Anklagepunktes behandelt die Ermordung und Misshandlung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten mit all ihren grausamen Erscheinungsformen wie Erschießen, Erhängen, Vergasen, Aushungern, Zusammenpferchen, planmäßige Unterernährung und Überarbeitung, unzureichende Hygiene, Prügel, Folter, Experimente sowie Massenmorde an Gruppen bestimmter Rasse oder Nationalität, Verhaftung und Freiheitsentzug ohne Gerichtsverfahren, unmenschliche Haft in Konzentrationslagern.
Abschnitt B des Anklagepunktes Kriegsverbrechen befasst sich mit der Deportation von Millionen von Menschen aus den besetzten Gebieten.
Abschnitt C gilt Mord und Misshandlungen an Kriegsgefangenen.
Abschnitt D behandelt die Verbrechen an der Zivilbevölkerung.
Abschnitt E verweist auf Plünderung öffentlichen und privaten Eigentums: Der Abtransport von Lebensmitteln, Rohstoffen und Maschinen aus den besetzten Gebieten verursachte Hungersnöte und Elend. Die Beschlagnahme industrieller Anlagen, das Herabsetzen der Landeswährung und die Erhebung von Besatzungssteuen trugen das Ihrige zum Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige bei.
Abschnitt F thematisiert die Eintreibung finanzieller Kollektivstrafen.
Abschnitt G befasst sich mit der frevelhaften Zerstörung von Städten und Dörfern, die ohne militärisch begründete Notwendigkeit verwüstet wurden.
Abschnitt H behandelt die Zwangsrekrutierung von Zivilarbeitern,
Abschnitt I den Zwang, einer feindlichen Macht den Treueeid zu leisten.
Abschnitt J thematisiert die Germanisierung besetzter Gebiete vor allem in Frankreich.
Anklagepunkt 4: Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Der Anklagepunkt "Verbrechen gegen die Humanität" wurde als Erweiterung des Anklagepunktes 3 verstanden. "Ermordung, Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche Handlungen gegen Zivilbevölkerungen vor oder während des Krieges" sollten mit diesem Anklagepunkt geahndet werden. Die Kriegsverbrecher hätten politische Gegner, rassische und religiöse Minderheiten verfolgt und sich der Ausrottung ganzer Bevölkerungsgruppen schuldig gemacht. Neben der Vernichtung der Juden wurden in diesem Zusammenhang auch die Verbrechen an einzelnen Persönlichkeiten wie dem österreichischen Bundeskanzlers Dollfuß, dem Sozialdemokraten Breitscheid und dem Kommunisten Thälmann aufgeführt.