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entscheiden ANDERS ALS DIE ANDEREN

DIE GRÜNDUNG EINER BUSINESS-SCHOOL DER DEUTSCHEN GROSSKONZERNE IN BERLIN IST BISHER EIN LEHRSTÜCK FÜR MISSMANAGEMENT.
aus UNI SPIEGEL 6/2002

Das Gebäude mit dem alten Portal des Berliner Stadtschlosses hat eine bewegte Geschichte und eine bewegende Zukunft. Walter Ulbricht und Erich Honecker regierten von hier aus die DDR, Gerhard Schröder nutzte das Staatsratsgebäude als Ersatz-Kanzleramt. Nun soll dort die Elite des Kapitalismus herangebildet werden - in der »European School of Management and Technology« (ESMT).

»Unser Anspruch ist sehr hoch«, sagt Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp. »Wir wollen uns mit der Schule innerhalb kurzer Zeit erfolgreich an den besten Schulen Europas messen können und gleichzeitig anders sein als diese.« Neben seinem Konzern beteiligen sich 24 weitere deutsche Unternehmen an der Stiftung für die Privat-Uni, unter anderen die Deutsche Bank, die Allianz, E.on, BMW, DaimlerChrysler und die Telekom.

Doch die Gründungsgeschichte dieses Bildungsunternehmens ist bisher ein Lehrstück für Missmanagement. Erst nach langer Suche fanden die Konzernherren einen Gründungspräsidenten,

Derek F. Abell, bisher Professor an der Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne. Laut Konzept sollen 60 renommierte Professoren an der Hochschule lehren, doch außer Abell steht bisher nur noch eine weitere Personalie fest: Gründungsdekan Professor Wulff Plinke, ehemals Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Uni in Berlin.

Auch an Geld fehlt es noch. Die Wirtschaft will das Stiftungskapital stellen, als Grundstock waren im Entwurf 100 Millionen Euro festgesetzt. Bis zur Gründung gelang es den milliardenschweren Unternehmen jedoch nur, 90 Millionen Euro zu sammeln. Experten mit Gründungserfahrung im öffentlichen Hochschulsektor rechneten den Industriellen vor, dass selbst die angepeilte Summe nie und nimmer reichen würde.

Nun feilschen die ESMT-Pioniere mit dem Land Berlin um die Sanierungskosten für das Staatsratsgebäude. Die Manager hatten zuvor zwischen den Standorten München und Berlin gepokert, die finanziell ruinierte Hauptstadt überließ schließlich das DDR-Relikt sogar mietfrei.

Die Elite der Wirtschaft setzte darauf, dass die Ausstattung eines Gebäudes, in dem Kanzler Schröder residierte, absolut zeitgemäß ist. Doch die Hoffnung wurde bitter enttäuscht. Elektro-, Heizungs-, Klimaanlagen, alles müsse von Grund auf saniert werden, jammern jetzt die Bosse. Die geschätzten Kosten liegen bei 25 Millionen Euro - ein Betrag, den sich die Hauptstadt mit ihren 46 Milliarden Euro Schulden nicht leisten kann. Gut erhalten sind lediglich die Mosaikfenster im Foyer mit Friedenstaube, Hammer und Zirkel und NVA-Soldaten.

Während der kargen Gründungsfeier der Stiftung Ende Oktober forderte ESMT-Promoter Cromme: »Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Sanierung eines Gebäudes normalerweise Sache des Eigentümers ist.« Die Stiftung wolle nun zwar nicht Bares vom Senat, dafür aber Sicherheiten, um einen Kredit für den Umbau aufnehmen zu können, zum Beispiel durch einen Erbbaurechtsvertrag. Mit diesem Kniff bekäme die Stiftung das Eigentum am rund 24 Millionen Euro teuren Bauwerk, das Grundstück, auf dem das Gebäude steht, bliebe im Besitz der Hauptstadt. Ob der Senat zustimmt, ist offen.

Die ersten Managerkurse sind vorsichtshalber nicht in Berlin, sondern in München geplant. Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens in München-Riem hat Bayern für die ESMT einen zweiten Campus erschlossen, dort soll im Frühjahr 2003 der Lehrbetrieb aufgenommen werden. Noch vor dem Jahreswechsel will Professor Plinke das Management-Fortbildungsprogramm mit genauen Daten ins Internet stellen lassen.

Die Vollzeitprogramme mit den Abschlüssen Master of Business Administration (MBA) und Master of Public Management (MPM) in Berlin laufen frühestens 2004 an. Bis zu 50 000 Euro sollen die Master kosten. Zumindest die Preise der ESMT sind damit weltweit elitär. Selbst Hochschulen wie Harvard und Stanford in den USA liegen mit 36 770 Dollar und 33 300 Dollar Gebühren pro Jahr noch weit darunter.

Die Privat-Uni plant, mit Kursen für Führungskräfte den täglichen Lehrbetrieb zu finanzieren. Durch diese Kalkulation ist ein Fünf-Tage-Lehrgang »Einmaleins in Marketing« 4500 Euro teuer, eine Tagesunterweisung über »Innovation und Wachstum in schnelllebigen Zeiten« schlägt mit 2250 Euro zu Buche.

Die Zinsen, die die geplante Stiftungssumme von 100 Millionen Euro bringen soll, sind ausschließlich für die Forschung eingeplant. Zusätzlich spendiert die Hertie-Stiftung noch mal 25 Millionen Euro - für ein eigenes »Hertie Institute for Public Management in Europe«. Die Zielgruppe sei »die Führungsschicht in staatlichen Einrichtungen, im NonProfit-Sektor, in der Wirtschaft und in den Medien«, verheißt eine bereits gedruckte Werbebroschüre.

Die Führungsschicht der deutschen Hochschulen hat das Konzept allerdings bisher nicht überzeugen können. Die ESMT mit ihrem Schmalspur-Fächerspektrum gebe »nicht einmal ein valides Konzept für Lehre und Forschung« her, mokiert sich Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrektoren-Konferenz. Die Kritiker des Projektes beanstanden außerdem, dass das Institut die wissenschaftlichen Ansprüche für eine staatliche Anerkennung kaum erfülle. Doch hierauf hat die Stiftung ihre Anstrengungen noch gar nicht konzentriert: Bisher wurde die Anerkennung der ESMT nicht mal beantragt.

* Ehemaliges DDR-Staatsratsgebäude (r.).

Annett Conrad
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