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surfen ANIMIERTE VORSTELLUNG

VIRTUELLE JOBBÖRSEN ERLEICHTERN BERUFSEINSTEIGERN DEN KONTAKT ZU FIRMEN - ABER OHNE PERSÖNLICHES GESPRÄCH BEKOMMT NIEMAND EINE STELLE.
aus UNI SPIEGEL 1/2003

Eigentlich könnte Christian Aßmus unrasiert mit Morgenmantel und Badeschlappen auf Stellensuche gehen. Bei der virtuellen Jobmesse im Internet sieht ihn sowieso keiner. Der Kieler BWL-Student im neunten Semester schickt seinen »Avatar« vor - ein animiertes Computermännchen. Christian, 24, trägt gern Karohemd und Kordhose, doch sein virtuelles Abbild will er eleganter einkleiden. Per Mausklick wählt er den klassischen schwarzen Anzug: »Ich glaube, die Personaler achten da schon drauf.«

Den Avatar lenkt Christian wie eine Super-Mario-Spielfigur über das virtuelle Messegelände - eine bunte Welt aus Infoständen, Zimmerpalmen und umherwuselnden Männchen. In 7 Hallen bieten mehr als 50 Unternehmen freie Stellen an, darunter klangvolle Namen wie Bertelsmann, Ford oder TUI. An jedem Stand können Internet-User mit Firmenvertretern chatten. Wer gleich eine Bewerbungsmappe hinterlassen will, muss sich vorher auf der Website registrieren lassen.

Laut dem Veranstalter Jobfair24 kommen etwa 4000 Interessenten zu der Messe, die einmal im Monat von 13 bis 18 Uhr ihre Tore im Internet öffnet. »Der Kampf um die guten Talente ist noch nicht vorbei«, glaubt Hakan Öktem, Gründer und Geschäftsführer des 30-Mann-Unternehmens.

Im Idealfall greife ein Personalmanager noch auf der Messe zum Telefon für ein erstes mündliches Interview mit dem Jobsuchenden, erklärt Öktem: »Jeder vierte Bewerber wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen.« Passt ein Berufseinsteiger hingegen gar nicht zum Unternehmen, wird ihm das im Chat rasch mitgeteilt.

Christian Aßmus (Nickname im Internet: »Cassmus") bekommt weder eine Einladung zum Bewerbungsgespräch, noch kassiert er eine Abfuhr. Immerhin spricht ihn der Personalverantwortliche eines Versandhauses an: »Cassmus, darf ich Sie für Quelle interessieren?«

Christian wird in einen privaten Chatroom eingeladen - das Computerspiel bekommt plötzlich Züge eines Bewerbungsgesprächs. Der Firmenvertreter (Nickname: »Quelle_1") informiert Christian über aktuelle Traineeprogramme. Sofort schickt »Cassmus« dem Gesprächspartner seine digitale Bewerbungsmappe und bittet um Feedback - da wird er in seinem Eifer erst einmal gebremst. »Dazu ist etwas zu viel los auf der Messe«, wiegelt »Quelle_1« ab. Nun muss Christian abwarten: »Vielleicht melden die sich ja bei mir.«

Ein paar Mausklicks und schlagfertige Antworten im Chat reichen nicht aus, um gleich den Traumjob zu bekommen. Doch Unternehmen nutzen das Internet verstärkt als Vorstufe zum Bewerbungsgespräch oder Assessment-Center. Annette Sonnberg, Personalreferentin des Jobfair24-Ausstellers E.on Energie, sieht Vorteile gegenüber realen Jobmessen: »Die Bewerber, mit denen wir sprachen, waren wesentlich informierter über unser Unternehmen.« Denn auf der virtuellen Jobmesse können die Besucher kompakte Firmenprofile abrufen.

Manche Konzerne wie die Deutsche Bank stehen der spielerischen Personalsuche eher skeptisch gegenüber: »Wir bevorzugen die konventionellen Methoden im Internet«, sagt Christian Anhäuser, Internet-Experte im Personalbereich der Deutschen Bank. Der direkteste Bewerbungsweg führt über die Firmen-Website - dort kann der Jobsuchende ein Online-Standardformular ausfüllen. »Das Internet ist preisgünstig, schnell und öffnet einen großen Markt an Bewerbern«, sagt auch Eric Hampe, Recruiting-Leiter von Siemens in Deutschland. 60 Prozent aller Bewerbungen laufen im Siemens-Personalbüro inzwischen via Internet ein.

Um ein großes Publikum zu erreichen, inserieren beide Konzerne bei Internet-Jobbörsen wie Stepstone, Monster oder Jobpilot - Stellensuchmaschinen ohne Avatare und virtuelle Messehallen. Diese Karriereportale haben außer freien Jobs zusätzliche Dienstleistungen im Angebot. Sie vergleichen Firmen- mit Bewerberdaten und informieren Jobsuchende per E-Mail über Treffer. Gleichzeitig können Unternehmen in üppigen Bewerber-Datenbanken stöbern.

Doch Unternehmen und Internet-Dienstleister verbindet ein gemeinsames Problem: Infolge der Wirtschaftsflaute haben sie immer weniger Jobs im Angebot. Ende 2000 hatte Jobpilot allein in Deutschland über 90 000 Stellen ausgeschrieben, zwei Jahre später waren es nur noch knapp 30 000. Dafür hat sich die Zahl der registrierten Nutzer in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt: Fast 700 000 User bemühen sich über Jobpilot um einen Arbeitsplatz. Doch diese Nutzer zahlen nicht für die Arbeitssuche - Jobpilot macht seine Umsätze zu 80 Prozent mit Stellenanzeigen, zu 20 Prozent mit Software und den Bewerber-Datenbanken für Firmen.

Gerade wenn es eng wird auf dem Arbeitsmarkt, suchen Berufseinsteiger nach zusätzlichen Informationsquellen neben den Stellenangeboten in Tageszeitungen. Doch welcher Bewerbungsweg ist der richtige? Manche Unternehmen erwarten die klassische Bewerbungsmappe. Die Stellenanzeige verrät meist, welches Verfahren die Firma bevorzugt. Führt ein Link zu einem Online-Bewerbungsbogen auf der Internet-Seite, wünscht sich die Firma auch die elektronische Bewerbung. Ist eine E-Mail-Adresse mit dem Namen eines Personalers angegeben, liegt man mit einer E-Mail-Bewerbung richtig.

Dagegen warnt Axel Evers, Hochschulmarketing-Experte von Jobpilot, vor Sammeladressen wie info@firma.de - eingehende E-Mails drohen in der Masse unterzugehen. Im Zweifel sollte der Bewerber telefonisch nachfragen, welchen Weg das Unternehmen bevorzugt.

Antworten auf solche Fragen findet der Berufseinsteiger auch auf der virtuellen Jobmesse. »Guten Tag, Cassmus«, sagt der freundliche Vertreter eines großen Konsumgüter-Anbieters zu Christian, »ja, Sie können jederzeit in unser Trainee-Programm einsteigen.« Jederzeit? Na ja, nachdem der Bewerber einen Marathon mit Auswahltest, telefonischem Interview und Assessment-Center hinter sich gebracht hat. Und dafür muss er sich erst einmal schriftlich bewerben, bevorzugt über die Website der Firma.

»Wir werden das persönliche Gespräch nie ersetzen können«, sagt Jobfair24-Gründer Öktem, »kein Mensch würde über das Internet einen Arbeitsvertrag abschließen.« Bewerber haben aber laut Öktem die Chance, »das erste Eis zu brechen«.

BEWERBUNG IM NETZ

www.jobpilot.de

www.stepstone.de

www.monster.de

www.jobfair24.de

Nächste Jobmessen bei Jobfair24: Jeweils mittwochs, 5. Februar und 26. März, 13 bis 18 Uhr.

Buchtipp: Roland Metzger, Christopher Funk, Kerstin Post: »Erfolgreich bewerben im Internet«. Falken Verlag, München; 160 Seiten; 12,90 Euro.

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