Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Archäologie gewusst hätte

Archäologie: Eine Wissenschaft mit eigenen Methoden (Symbolbild)
Foto: Jordi Salas / Getty ImagesAchtung, Ohrwurm! Wer kann die Titelmelodie der Indiana-Jones-Filme nicht mitsummen? Mit Hut und Peitsche entdeckt der Kultforscher und Archäologe »Indy« geheime Höhlen, bezwingt gefährliche Fallen und gräbt nach verschollenen Schätzen. Doch wie viel Wahrheit steckt in den Filmen?
Jonathan Schmidt, 19, studiert im fünften Bachelorsemester Archäologische Wissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Hier erzählt er, welche Abenteuer er in seinem Studium erlebt und wo er später arbeiten möchte.
Die Entscheidung fürs Archäologie-Studium
»Welche Keramikarten gibt es? Um diese Frage drehte sich eine Archäologie-Vorlesung, die ich während eines Uni-Schnuppertages besuchte. Klingt erst einmal öde, aber ich fand sie fast beunruhigend spannend. Mir wurde klar: Wenn mich schon etwas so Langweiliges interessiert, passen die wirklich spannenden Vorlesungen perfekt zu mir.
In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.
Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.
Inzwischen studiere ich Archäologie an der Goethe-Uni in Frankfurt. Es gibt unzählige Klischees über mein Fach. Wir sind zum Beispiel keine Dino-Expert:innen. Die Archäologie befasst sich mit den Hinterlassenschaften der Menschheit – und wir existieren erst seit 3,3 Millionen Jahren. Da waren Dinosaurier schon lange ausgestorben, um die kümmert sich die Paläontologie.
Auch hinter dem Indiana-Jones-Klischee steckt mehr Mythos als Wahrheit. Wir verrichten tatsächlich Drecks- und Knochenarbeit. Peitsche schwingend durch Tempel rennen und goldenen Artefakten hinterherjagen, das ist aber eine Hollywood-Erfindung. Wir interessieren uns weniger für den Wert eines Fundstücks, sondern mehr für seinen Kontext und dessen Dokumentierung.«
Formale Voraussetzungen für ein Archäologie-Studium:
Für den Studiengang Archäologie und seine Fachrichtungen gibt es in der Regel keinen NC.
Im Bachelorstudium werden allerdings Sprachkenntnisse vorausgesetzt: mindestens Englisch , meist auf B1-Niveau, sowie Grundkenntnisse einer weiteren modernen Sprache .
Je nach Fachrichtung verlangen die Universitäten mitunter weitere Sprachen, in Klassischer Archäologie zum Beispiel Latein oder Altgriechisch . Die Nachweise dafür können auch während des Studiums erbracht werden, etwa durch Sprachkurse.
Was man noch mitbringen sollte: Interesse an fremden Kulturen und an Geschichte, Beobachtungsgabe, kritisches Denkvermögen, Lust auf theoretische Arbeit und gleichzeitig auf Exkursionen und körperliche Betätigung
Inhalte und Aufbau des Studiums
»Archäologie ist eine Wissenschaft mit eigenen Methoden. Salopp gesagt besteht die Datenerhebung daraus, in der Erde zu buddeln und Dinge zu finden. Durch unsere Analysen wollen wir möglichst wahrscheinliche Aussagen über die Vergangenheit treffen. Absolute Gewissheit über die Richtigkeit unserer Aussagen werden wir aber nie haben – leider gibt es keine Zeitreisen.
In der Archäologie setzt man sich mit verschiedenen Epochen und Regionen auseinander. An der Goethe-Uni gibt es im ersten Semester ein Orientierungsmodul mit Einführungskursen, im zweiten Semester wählt man dann eine Spezialisierung. Ich habe mich für Vor- und Frühgeschichte entschieden. Aus dieser Zeit gibt es keine sprachlichen Überlieferungen wie etwa Schriftstücke. Wir verlassen uns vollkommen auf materielle Hinterlassenschaften, rekonstruieren Geschichte aus Scherben und Steinen.
Dafür prüfen wir zum Beispiel das Umfeld eines Fundes. Finden wir mehrere ähnliche Scherben in einer Gegend, gab es dort vermutlich eine Siedlung. Eine feine Verarbeitung lässt auf handwerkliches Geschick schließen, Essensreste klären über die Ernährungsgewohnheiten früherer Kulturen auf.
Typische Fachdisziplinen innerhalb der Archäologie:
Ur-/Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie – beschäftigt sich mit der Zeit vom ersten Auftreten des Menschen bis zum Einsetzen schriftlicher Überlieferungen.
Klassische Archäologie – analysiert die antiken Kulturen des Mittelmeerraums.
Christliche Archäologie – interessiert sich für die Spätantike und (früh-)byzantinische Epoche.
Vorderasiatische Archäologie – beschäftigt sich mit dem zeitlichen und geografischen Raum des Alten Orients.
Ich studiere im Nebenfach Archäometrie, also die Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden auf die Archäologie. Dazu zählen etwa Metallanalysen oder die Radiokohlenstoffdatierung. Durch Materialauswertungen kann man so das Alter eines Artefakts bestimmen. Es ist sinnvoll, eine archäologische Disziplin ins Nebenfach zu nehmen. Aber auch Kombinationen mit etwa Philosophie oder Kunstgeschichte sind beliebt.
Die Prüfungsleistungen in Archäologie bestehen hauptsächlich aus Hausarbeiten, bisher habe ich nur zwei Klausuren geschrieben. Generell ist das Lesen und Schreiben von Texten essenziell für das Studium, darüber sollte man sich bewusst sein.
Auch Exkursionen und Ausgrabungen sind ein zentraler Bestandteil. Bei Exkursionen besichtigen wir Museen und wichtige Fundplätze, bei Ausgrabungen helfen wir bei der Freilegung neuer Fundstätten. Dafür bin ich schon ins österreichische Montafon-Tal gereist. Aktuell befinde ich mich auf Ausgrabung im Senegal, mitten im Nirgendwo, drei Stunden von der Hauptstadt Dakar entfernt. Hier gibt es Siedlungs- und Bestattungsspuren aus den vergangenen zweitausend Jahren; Studierende helfen unter der Leitung von Professor:innen für mindestens einen Monat aus. In der Regel werden die Kosten über Forschungsprojekte finanziert, mindestens Reise und Unterkunft werden übernommen.
Manchmal machen Unfälle bei Ausgrabungen Schlagzeilen, aber sie kommen nur sehr selten vor. Natürlich sollte man aufpassen, nicht in eine Grube zu fallen, ansonsten forschen wir in einem sicheren Umfeld. Gefährlich könnte es nur werden, wenn man mittelalterliche Latrinengruben ausgräbt. Das sind uralte Toiletten, die erstens unfassbar stinken und zweitens alte Erreger enthalten könnten. Dann ist Vorsicht geboten – und man sollte unbedingt Schutzkleidung tragen.«
Berufsaussichten nach dem Studium
»In Frankfurt beträgt die Regelstudienzeit im Bachelor acht Semester, der Master dauert nur zwei. Mit einem Masterabschluss hat man deutlich mehr Optionen in der Berufswelt, das wird uns zumindest immer gesagt.
Ich möchte später eine akademische Laufbahn einschlagen. Das heißt: Promotion, wissenschaftliche Mitarbeit – und im Idealfall werde ich eines Tages Professor. Wer nicht im Unikontext bleiben möchte, kann zum Beispiel in Museen, Denkmalämtern oder bei Grabungsfirmen arbeiten.
Wegen vieler befristeter Verträge, unbezahlter Mehrarbeit und einem kompetitiven Arbeitsumfeld mache ich mir natürlich Sorgen um die Zukunft. Tatsächlich herrscht innerhalb der Archäologie aber Fachkräftemangel und es gibt noch sehr viel zu erforschen. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass meine Kommiliton:innen und ich am Ende eine gute Stelle finden werden.«
Branchen und Gehälter:
Nach einem Bachelorstudium in Archäologie empfiehlt es sich, ein weiterführendes Studium anzuhängen. Archäologische Forschungsinstitute im In- und Ausland fordern in der Regel einen Masterabschluss oder eine Promotion. Absolvent:innen können außerdem in Museen oder Denkmalämtern arbeiten.
Die Bundesagentur für Arbeit schätzt das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen von Archäolog:innen auf 3601 Euro. Grabungsleiter:innen können nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden, der sieht ein Bruttoentgelt von 4749 bis 6434 Euro monatlich vor.