Jeden Tag nur Wein: Hier verrät eine Winzerin alles über ihren Job
Dieser Beitrag wurde am 07.07.2018 auf bento.de veröffentlicht.
Wenn Sabrina Becker aus dem Fenster guckt, fällt ihr Blick auf sattes Grün. Dazu Hügel mit Weinbergen, am Horizont zeichnet sich schwach die Skyline von Frankfurt ab.
Sabrina ist 27 und hauptberuflich Winzerin. In diesem Jahr hat sie ihren ersten eigenen Jahrgang abgefüllt.
In Deutschland gibt es 17.000 Betriebe, die Trauben für Weine anbauen (Statistisches Bundesamt ). Nur knapp 600 davon sind in der Hand von Winzerinnen und Winzern unter 35. Sabrinas Weingut liegt im rheinhessischen Spiesheim.
Hier erzählt sie, was es heißt, in ihrem Alter Winzerin zu sein – und ob sie es manchmal schwer hat, sich durchzusetzen.
Sabrina, wie kamst du zu deinem Job?
Meine Mama stammt aus einem Weingut in Albig und mein Vater hat hier in Spiesheim ein Weingut. Nach meinem Realschulabschluss wusste ich noch gar nicht, was ich machen wollte. Ich war mir nur sicher: Auf dem Weingut wollte ich nicht anfangen. Ich machte eine kaufmännische Ausbildung – merkte aber schnell, dass mir Büro allein zu langweilig ist.
Mit 21 ließ ich mich dann doch auf diese besondere Aufgabe ein, machte eine Ausbildung als Technikerin für Weinanbau und Oenologie. Als klar wurde, dass das Weingut in der Familie bleiben wird, haben meine Eltern sich riesig gefreut. Und ich mich auch.
Weil du mit diesem Job jetzt reich wirst?
Naja – kommt drauf an, wie man Reichtum definiert. Wenn es mir nur ums Geld gehen würde, wäre ich wohl im Büro geblieben und hätte versucht, mich zur Managerin hochzuarbeiten. Dann hätte ich ein sicheres und regelmäßiges Einkommen gehabt. Im Weinanbau gibt es Jahre, in denen alles klappt – und es gibt Jahre, da spielt das Wetter einfach nicht mit. Aber für mich bedeutet Reichtum auch, dass ich glücklich bin mit dem, was ich mache, dass mich das erfüllt. Und ich habe nach und nach gespürt, dass es das einfach tut.
Was ist es denn, das dich so glücklich macht?
Das ist kaum in Worte zu fassen. Ich liebe die tägliche Herausforderung, mit der Natur zu arbeiten und nie genau zu wissen, was morgen kommt. Ich bin im stetigen Spagat zwischen der Arbeit in den Weinbergen, dem Weinkeller, dem Büro und der Vermarktung. Allein durch die Vermarktung komme ich herum, München, Hamburg, Berlin, Prag oder Tokio. Immer mit der Mission, unseren rheinhessischen Wein über die Grenzen hinaus bekannt zu machen.
Sabrina
Meine Eltern stehen dabei immer an meiner Seite. Mittlerweile bin ich Betriebsleiterin. Aber sie halten die Stellung, wenn ich unterwegs bin. Es war schon komisch, als meine Eltern nach meinem Einstieg in den Betrieb gefragt haben: "Was steht morgen an, was ist zu tun?" Für mich ist klar: Nur zusammen sind wir ein Team.
Du lebst also auf einem Weingut. Wie muss man sich das vorstellen?
Mit 18 bezog ich eine Wohnung. 70 Quadratmeter groß, das Hauptgebäude, die Wohnung meiner Eltern und die Maschinenhalle sind ganz in der Nähe. Manche sagen, ich lebe einsam. Für mich ist es die pure Freiheit, mitten in der Natur zu wohnen und morgens gleich mit meinem Hund aufs Feld zu können.
Bist du als Winzerin eigentlich ständig angetrunken, weil du ständig Wein probieren musst?
Natürlich haben wir als Winzer schon ein anderes Pensum als ein normaler Verbraucher. Der Weinkonsum pro Kopf und Jahr liegt in Deutschland bei ungefähr 24 Litern. Wir scherzen immer und sagen, dass wir das spätestens im März voll haben.
Aber klar, im Herbst müssen wir die reifenden Moste und Jungweine täglich kontrollieren und probieren. Dazu ist es super wichtig, zu beobachten: Was machen die Kollegen dieses Jahr? Wie schmecken die Aushängeschilder der Region? Wie sieht es im Ausland aus?
Da kommt schon einiges zusammen, das ich probiere und trinke. Deswegen vertrage ich aber auch etwas mehr als manch anderer. Aber wir sind nicht ständig betrunken. Wenn wir im Herbst von jedem Fass probieren müssen, schlucken wir den Wein meistens nicht runter, sondern spucken ihn aus.
Ich muss neben dem Probieren in diesem Job ja auch noch Auto fahren, Abrechnungen und Steuererklärungen machen können. Dafür brauche ich einen klaren Kopf. Aber an Winzerabenden mit mehreren Leuten, da gehen schon einige Flaschen weg…
Erzähl: Wie viele?
Das ist unser Winzergeheimnis! Lass mal ungenau bleiben: einige Flaschen.
Wenn ihr dann zusammensitzt und die Konkurrenz probiert: Hast du bei solchen Abenden Angst, dass die Weine der anderen besser schmecken als deine eigenen?
Nein. Es gibt so viele Stile und Geschmäcker, da muss man einfach gucken, was einem selbst Spaß macht und schmeckt. Jeder beurteilt anders, warum er einen Wein mag.
Es gibt unterschiedliche Böden, unterschiedliche Klimata. Einen Wein der Kollegen könnten wir also eh nicht eins zu eins nachmachen.
Du bist 27. Schon mal das Gefühl gehabt, von den Kollegen nicht ernst genommen zu werden?
Ich glaube, ich hatte wirklich Glück hier. Aber bei anderen Betrieben haben es junge Menschen tatsächlich schwer. Da gibts dann eine ältere Generation, die an alten Dingen festhalten will und sich schwertut, Neues zuzulassen. Viele junge Winzer halbieren zum Beispiel die Trauben. Wir schneiden bei jeder Rebe ein Drittel der Trauben ab. Damit steigern wir die Qualität des Weins. Bei der älteren Generation ist das verrufen, weil es natürlich zu weniger Ertrag führt.
Sabrina
Viele haben Auslandspraktika hinter sich. Wir sind in sozialen Netzwerken aktiv. Und wir sprechen mit den Kollegen anderer Betriebe, was früher verpönt war.
War der Weinanbau ursprünglich nicht auch eher von Männern dominiert?
Auf jeden Fall. Und obwohl es jetzt schon ein paar Winzerinnen gibt, sind die Männer noch immer in der Überzahl. Meine männlichen Kollegen sind aber super nett, und ich hab nicht das Gefühl, dass ich mich ständig durchsetzen muss, weil ich eine Frau bin. Kann sein, dass das früher anders war. Andererseits hat man als Winzerin auch generell einfach ein dickeres Fell.
Wieso?
Diese Arbeit härtet einfach ab. Im Januar müssen bei Minusgraden die Reben zurückschneiden, im Sommer stehen wir bei über 30 Grad draußen, im Herbst dann die Ernte. Da fängt man um halb sechs an und ist gegen zehn, elf erst fertig. Körperlich ist das sehr anstrengend.
Was, wenn deine Eltern mal nicht mehr sind?
Ich hoffe, dass uns noch eine lange gemeinsame Zeit bevorsteht. In der ich ihnen beweisen kann, dass ich den Betrieb in ihrem Sinne weiterführe und es sich gelohnt hat, mir dieses große Vertrauen in die Hand zu geben.
Mit meinen Eltern würden mich meine Wegbegleiter, besten Arbeitskräfte und moralischen Unterstützer verlassen. Aber wir Winzer haben ja zum Glück immer die beste Medizin im Haus.