Berufseinstieg als Coachin »Bisher habe ich in neun Monaten etwa 4000 Euro verdient«

Alissa hat sich als Coachin und Beraterin verwirklicht – und beruflich neu orientiert (Symbolbild)
Foto: YakobchukOlena / Getty Images/iStockphotoDer Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Alissa ist seit März selbstständige Karrierecoachin. Dafür verließ die 28-Jährige ihren sicheren Job und investierte viel Geld. Hat es sich ausgezahlt?
Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten uns davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de.
»Früher wollte ich Unternehmensberaterin werden – was man eben so möchte, wenn man BWL studiert. Nach meinem doppelten Masterabschluss stieg ich bei einer kleinen Unternehmensberatung ein. Dort kümmerte ich mich um das Change-Management in einem Automobilkonzern, begleitete also Veränderungsprozesse wie etwa die Einführung von flexiblen Arbeitsplätzen.
Alissa
Nebenbei las ich viele Bücher über Persönlichkeitsentwicklung, zum Beispiel ›Verletzlichkeit macht stark‹ von Brené Brown oder ›Lean In‹ von Sheryl Sandberg. Eigentlich dachte ich, die Thesen der Autorinnen würden mir bei meiner Arbeit helfen. Doch irgendwann wendete ich sie auf mich selbst an und fragte mich: Halte ich das, was sie lehren, eigentlich selbst ein? Macht mich das, was ich tue, glücklich?
Die Antwort war ernüchternd. Mein Job in der Unternehmensberatung ließ mir weniger Freiheiten, als ich gebraucht hätte. Dazu frustrierte mich, dass alle Prozesse, die ich begleitete, nur langsam vorangingen und alle Menschen, mit denen ich sprach, von Systemen und Strukturen gelähmt waren.
Welcher Job passt zu mir?
Ich begann darüber nachzudenken, was ich ändern könnte, welcher Job besser zu mir passen würde. Ich wollte mit Menschen arbeiten, die Entscheidungsträger über ihr eigenes Leben sind. Und ich wollte mehr Selbstverantwortung haben, mir etwas Eigenes aufbauen. So kam ich auf die Idee, Karrierecoachin zu werden. Viele meiner Kollegen hatten Coaching-Ausbildungen gemacht, als Ergänzung zu ihrer Arbeit, vielleicht war das die Inspiration. Und mein Vater ist Psychotherapeut, von ihm habe ich sicher auch einiges mitgenommen.
Ich weiß noch, wie ich während eines Urlaubs in Frankreich in einer kleinen Ferienwohnung saß und eine Pro-Contra-Liste erstellte: Sollte ich mich wirklich als Karrierecoachin selbstständig machen? Meine Eltern rieten mir, lieber noch etwas mehr Berufserfahrung zu sammeln. Aber es war eben nicht das, was ich vom Leben wollte. Im Oktober 2019 verließ ich die Unternehmensberatung.
Als Basis für meine Coaching-Arbeit belegte ich anschließend einen viermonatigen Vollzeitkurs, der knapp 4500 Euro kostete. Bei Coaching-Kursen unterscheidet sich leider sehr stark, was man für sein Geld bekommt. Einige sind berufsbegleitend, andere in Vollzeit, einige an privaten Instituten und andere an Unis. Es gibt auch welche, die nur ein Wochenende dauern – aber was lernt man da? Ich hatte zuvor einige Monate recherchiert und mich schließlich für einen Kurs entschieden, bei dem ich viele praktische Einheiten absolvieren konnte.
Weil es da draußen schon viele Coaches gibt, erschloss ich mir ein Spezialgebiet: das ›Purposeful Career Coaching‹ für Frauen. Fast jeder sechste Arbeitnehmer in Deutschland hat innerlich gekündigt. Ich glaube, das liegt unter anderem daran, dass viele Menschen einen Job machen, der nicht zu ihnen passt. Ich möchte bewirken, dass meine Klientinnen sich selbst besser kennenlernen und darauf aufbauend ihre berufliche Zukunft gestalten. Das haben wir alle nämlich nicht in der Schule gelernt.
Selbstständig in der Coronakrise
Im März bin ich in die Selbstständigkeit gestartet, mitten in der ersten Corona-Hochphase. Das war natürlich eine Herausforderung. Ich wollte eigentlich Kurse an Unis anbieten, das fiel ins Wasser. Stattdessen nutzte ich die Zeit und suchte in den sozialen Medien nach Klienten, baute meine Website aus, bot Gratis-Coachings als Werbung an und arbeitete an meiner Preiskalkulation. Pro Sitzung von je 60 bis 90 Minuten nehme ich 99 Euro. Im ersten Jahr kann ich von meiner Selbstständigkeit noch nicht leben, insgesamt habe ich bisher in neun Monaten etwa 4000 Euro verdient.
Deshalb – und weil mir allein zu Hause schnell die Decke auf den Kopf fällt – sagte ich zu, als mich Mitte des Jahres eine Outplacement-Agentur als freie Mitarbeiterin anfragte. Etwa zehn Stunden pro Woche arbeite ich jetzt dort. Wir werden gebucht, wenn Unternehmen Arbeitsplätze abbauen. Ich spreche dann mit den betroffenen Arbeitnehmern und helfe ihnen, einen neuen Job zu finden oder sich neu zu orientieren.
Alissa
Manchmal bekomme ich da natürlich Frust ab – auch wenn es nicht meine Schuld oder Entscheidung ist, dass Menschen ihren Job verlieren. Wenn jemand bei mir Dampf ablassen will, muss ich das aushalten können. Manche Klientinnen und Klienten sehen das Angebot aber auch als Chance. Neulich konnte ich einem Mann Mitte 60 auf dem Weg in die Selbstständigkeit helfen. Er müsste eigentlich nicht mehr arbeiten – wollte es aber gern ausprobieren.
In beiden Jobs, als Coachin und Outplacement-Beraterin, stelle ich sehr viele Fragen. Und versuche, meinen Klientinnen mit verschiedenen Coaching-Methoden dabei zu helfen, sie selbst zu beantworten. Ein Coaching ist aber keine Therapie, wir behandeln ja keine psychischen Diagnosen. Coachings sind nach vorn gerichtet, Therapeuten arbeiten Dinge aus der Vergangenheit auf. Einen Erfolg kann ich meinen Klientinnen aber nicht versprechen, am Ende müssen sie selbst handeln. So wie ich damals.
Inzwischen tun sich immer mehr Möglichkeiten auf: Vor Kurzem ist eine Uni auf mich zugekommen, ich kann bald den ersten Workshop für Studierende geben. Auch wenn der Start für mich etwas holprig war, bin ich heute glücklicher. Ich bin selbst für meine Zukunft verantwortlich und viel im Austausch mit Menschen, deren Leben ich zum Positiven beeinflussen kann. Das ist ein tolles Gefühl, weil ich einen Sinn in meiner Arbeit sehe.
Ob ich den Job für immer in Vollzeit machen möchte, weiß ich aber nicht. Lieber möchte ich flexibel bleiben, weiter Neues lernen. Das ist auch etwas, was ich meinen Klienten mitgebe: Viele denken, sie müssten für immer an einem Pfad festhalten. Doch es gibt viel mehr Möglichkeiten!«
Life Coach, Business Coach, Fitness Coach, Career Coach: Der Job-Titel »Coach« ist in Deutschland nicht geschützt. Das bedeutet, dass sich prinzipiell jeder so nennen darf – und dass es eine Vielzahl möglicher Aus- und Weiterbildungen gibt. 2013 hat sich die Stiftung Warentest den deutschen Coaching-Dschungel zuletzt angeschaut, bereits zu diesem Zeitpunkt gab es mehr als 300 Lehrgänge, mit Gebühren zwischen 300 und 17.000 Euro.
Wer als Coach fundiert arbeiten und einen Mehrwert für Klientinnen und Klienten bieten möchte, sollte bei der Auswahl des Lehrgangs auf einige Punkte achten:
Staatlich finanzierte Bildungseinrichtungen, insbesondere Hochschulen, sind meist eine sichere Bank. Berufsbegleitend kann man Coaching zum Beispiel an den Unis Trier und Lüneburg als Zertifikatsstudium belegen, im Fernstudium auch an der Hochschule Wismar.
Lehrgänge von privaten Anbietern sollten von übergeordneten Stellen oder größeren Verbänden zertifiziert sein, zum Beispiel von der IHK oder dem Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC).
Die Ausbildung sollte einen hohen Praxisanteil bieten sowie mehr als eine Lehrkraft und möglichst Gruppen von zehn bis 15 Personen. Bei zu großen und zu kleinen Gruppen fehlt laut Stiftung Warentest der nötige Austausch.
Die Experten empfehlen außerdem Lehrgänge, für die man mindestens 250 Zeitstunden Arbeit investieren muss und die mit einer Prüfung enden.
Möchte man sich selbstständig machen, muss man je nach Art des angebotenen Coachings und der Vorbildung die Tätigkeit als Gewerbe oder freien Beruf anmelden (Genaueres dazu beim Bundeswirtschaftsministerium). Da der Markt recht gesättigt ist, können viele aber nicht vom Coaching allein leben: Laut der jährlichen Marktstudie des Büros für Coaching und Organisationsberatung (BCO) nehmen Coaches in Deutschland im Schnitt zwar um die 150 Euro für eine 60-Minuten-Sitzung, trotzdem macht das Coaching nur etwa ein Drittel ihrer jährlichen Einnahmen aus.