Berufseinstieg als Regisseurin »Ich habe gelernt, dass es noch mehr gibt als den Tatort«

Regisseurin Marleen Valien: Nicht den Glauben an die eigenen Ideen verlieren
Foto: Jakob FliednerDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Marleen Valien, 28, arbeitet als freiberufliche Regisseurin in Berlin.
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»Der Tatort gilt als deutsches Hollywood – lange dachte ich, dass man als Regisseurin in Deutschland abseits davon nicht viele Möglichkeiten hat. Wie kreativ die deutsche Filmbranche sein kann, habe ich erst während des Studiums und durch Filmfestivals gelernt.
Nach der Schule war ich mir nur sicher, dass ich etwas Kreatives machen will. Also habe ich angefangen, an der Universität der Künste Berlin Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation zu studieren. Das war ein ideales Grundstudium, weil ich so viel ausprobieren konnte. An der UdK habe ich auch zum ersten Mal eine Kamera ausgeliehen oder die Schnitträume benutzt.
Nach dem Abschluss war ich mir trotzdem nicht sicher, wie es weitergehen soll. Ich erstellte verschiedene Bewerbungsmappen: für Produktdesign, Bühnenbild und eben auch Regie. An der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg wurde ich schließlich für Regie angenommen – und habe erst während des Studiums realisiert, wie gut der Beruf all meine Interessen vereint.
Als Regisseurin bestimme ich, wie ein Drehbuch umgesetzt wird. Dieselbe Szene würden 20 Regisseur:innen wahrscheinlich auf 20 unterschiedliche Arten drehen. Diese fast grenzenlosen Möglichkeiten, mich auszudrücken, durfte ich im Studium ausprobieren – auch die unkonventionellen. Dadurch habe ich gelernt, dass es noch mehr gibt als den Tatort.
So sind in meiner Studienzeit einige Kurzfilme entstanden, mit denen ich auch Preise gewonnen habe, außerdem Musikvideos und ein Werbefilm. In den vier Jahren Studium wusste ich immer, dass ich für meine Drehs ein Budget, die nötige Technik und außerdem Unterstützung durch meine Kommiliton:innen habe. Als ich dann Ende 2020 fertig war, dachte ich zuerst: ›Oh mein Gott, wie geht das jetzt, ganz auf mich gestellt?‹
Inzwischen wohne ich seit zwei Jahren wieder in meiner Heimatstadt Berlin. In meinem ersten Jahr als freiberufliche Regisseurin war wegen Corona noch vieles eingeschränkt, aber 2022 konnte ich zum ersten Mal voll arbeiten: Ich drehte ein Musikvideo, eine Werbung und einen Socialspot, war mit meinem Kurzfilm ›Nicht die 80er‹ auf internationalen Filmfestivals und habe begonnen, an einem Langfilm zu schreiben. Den will ich am Ende als Abschlussarbeit an der Filmakademie einreichen. Dass die erst Jahre später fertig wird, ist im Regiestudium üblich.
In fast allen meinen Projekten habe ich die Drehbücher selbst geschrieben, das habe ich auch an der Filmakademie gelernt. Das Schreiben meines Langfilms wäre eigentlich ein Vollzeitjob, momentan mache ich das aber noch unbezahlt. Um die Finanzierung muss ich mich selbst kümmern, dafür bin ich gerade im Gespräch mit TV-Sendern und einer Produktionsfirma.
18.000 Euro für drei Wochen Arbeit
Außerdem bin ich bei einer Werbefilmproduktion unter Vertrag, dort verdiene ich den Großteil meines Geldes. Von dort bekomme ich immer wieder Projekte zugeschickt, zu denen ich dann Ideen pitche. Wenn sie realisiert werden sollen, geht alles meistens sehr schnell. Einmal hieß es plötzlich: ›In zwei Wochen drehst du in Mexiko.‹ Mit diesem Job habe ich 18.000 Euro in drei Wochen verdient. Das reicht dann wieder, um für ein paar Monate an meinem Langfilm zu schreiben.
In meinem Beruf geht es vor allem darum, durchzuhalten und den Glauben an die eigenen Ideen nicht zu verlieren – auch wenn man mal eine Absage für ein Herzensprojekt bekommt. Meist war einfach jemand Erfahreneres gefragt. Manchmal werden aber gerade ein frischer Blick und neue Ideen gesucht. Wenn dann ein Projekt klappt, zahlt sich die ganze Mühe aus.
Bevor es mit dem Dreh losgeht, muss ich zusammen mit den Produzent:innen viele Entscheidungen treffen, etwa über das Drehbuch, die Bildsprache, das Casting, die Location. Während des Drehs arbeite ich am engsten mit den Kameraleuten und den Schauspieler:innen zusammen. Dabei bin ich die meiste Zeit so nah am Set wie möglich – mit einem Monitor in der Hand, auf dem ich das Bild sehe, das die Kamera gerade aufnimmt.
Als junge Frau in einer Machtposition kommt es hier oft vor, dass ich nicht ernst genommen werde. Meist passiert das mit Menschen, die schon sehr lange im Beruf sind und mir dann meinen Job erklären wollen. Wenn ich es anders machen will, als sie es gewohnt sind, wird das nicht akzeptiert.
Einmal begann ein Mitarbeiter der Werbeagentur am Set plötzlich das ganze Konzept des Films zu hinterfragen. Ich erklärte ihm immer wieder, warum wir es so umsetzen werden wie geplant. Er hielt mit seiner Grundsatzdiskussion die ganzen Dreharbeiten auf. Als dann ein männlicher Kollege dazu kam und dasselbe sagte wie ich, war er plötzlich einverstanden.
Solche Fälle sind alltäglich, ich sehe das als Generationenkonflikt. Das Tolle beim Film ist, dass man bei jedem Projekt lernt, mit wem man gut zusammenarbeiten kann. Und sich mit der Zeit dann ein immer passenderes Team zusammenstellt, mit dem es gar nicht erst zu solchen Situationen kommt.«
In Deutschland gibt es verschiedene Filmhochschulen, an denen man in sechs bis acht Semestern zum Regisseur oder zur Regisseurin ausgebildet wird. Meist wird für die Aufnahme nur die allgemeine Hochschulreife vorausgesetzt. Teilweise gibt es aber umfangreiche Bewerbungsaufgaben oder eine Aufnahmeprüfung. Zu den renommiertesten Ausbildungsstätten gehören die Hochschule für Film und Fernsehen München , die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg .
Daneben gibt es die Möglichkeit, sich als Regieassistenz hochzuarbeiten. Dafür fungiert man mehrere Jahre als Bindeglied zwischen Produktion und Regie, bevor man schließlich ein eigenes Projekt verfilmt. In der Filmbranche sind Quereinstiege üblich. Auch ein:e Drehbuchautor:in kann etwa beim eigenen Stoff Regie führen.
Einer Auswertung des Karriereportals Stepstone zufolge verdienen Regisseur:innen im Schnitt 40.500 Euro pro Jahr.
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