Berufseinstieg Wie ich lernte, mein Gehalt zu verhandeln

Junge Frauen zögern häufiger als Männer, im Job mehr Geld zu verlangen. Wie lässt sich das ändern? (Symbolbild)
Foto:HRAUN / GUSK ehf. / Getty Images
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»Gehalt ist mir nicht so wichtig, bei einem erfüllenden Job kommt es doch noch auf andere Dinge an.« Diesen Satz habe ich schon oft von Freundinnen und aus meinem eigenen Mund gehört. Es sei doch mindestens genauso entscheidend, dass wir Spaß an der Arbeit hätten, und sie sich sinnvoll anfühle, sagen wir dann. Bisher habe ich uns das geglaubt.
Doch jetzt ist meine Ausbildung fast zu Ende, bald werde ich eine feste Stelle anfangen. Je näher meine erste Gehaltsverhandlung rückt, desto mehr frage ich mich, ob das, was wir uns eingeredet haben, wirklich stimmt. Oder ob wir alle nur Angst vor dem Konflikt haben, der bei einer solchen Verhandlung möglicherweise entsteht. Außerdem weiß ich nicht einmal, wie ich mehr Geld fordern könnte.
Dabei müsste doch gerade ich als junge Frau darauf achten, gut bezahlt zu werden. Denn Frauen verdienen immer noch schlechter – nach aktuellen Daten im Schnitt sechs Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Jobs. Auch Altersarmut trifft besonders Frauen. Für diese Ungleichheiten gibt es viele Gründe, sie lassen sich nicht alle mit Verhandlungsgeschick erklären. Doch für mein eigenes Gehalt einzutreten, ist zumindest ein Anfang. Warum also weiß ich so wenig darüber, wie das geht? Und wie kann ich das ändern?
Geld ist eben doch wichtig
Ich rufe Claudia Kimich an. Als Coach hilft sie Menschen, die lernen möchten, mehr Geld für ihre Arbeit zu fordern. So wie meinen Freundinnen und mir gehe es vielen jungen Frauen, sagt Kimich. Der erste Schritt sei, anzuerkennen, dass ein gutes Gehalt eben doch wichtig für die Zufriedenheit mit dem Job sei. Und Gehaltserhöhungen bekäme man nun mal selten von den Vorgesetzten angeboten, ohne sie einzufordern.
Das rät mir auch die zweite Expertin, mit der ich spreche: Katharina Brunsendorf. Sie leitet die Initiative »Finanzheldinnen«, mit der sie junge Frauen für das Thema Finanzen begeistern will. Sie sagt, viele Frauen sparten zwar fleißig, aber das allein reiche nicht. »Es geht beim Thema Finanzen auch um genug Einkommen, etwa für die Altersvorsorge.« Klar: Wer Geld anlegen will, muss es erst mal haben.
Dass es sich lohnt, die leichte Panik zu überwinden, die sich beim Wort »Gehaltsverhandlung« in mir breitmacht, sehe ich jetzt ein. Trotzdem weiß ich noch nicht, wie ich das am besten anstelle. Ich habe einen Masterabschluss, hatte schon mehrere Nebenjobs und Praktika. Doch über Gehaltsverhandlungen habe ich währenddessen genauso wenig gelernt wie über Steuererklärungen oder Versicherungen.
Also suche ich mir online Hilfe. Es gibt Podcastfolgen zum Thema Gehaltsverhandlungen (zum Beispiel von Female Leadership oder Madame Moneypenny ), unzählige YouTube-Videos und Onlineseminare. Auch Social Media Plattformen bieten Hilfe an. Neben den @finanz-heldinnen gibt es zahlreiche andere Instagram-Kanäle, die sich mit dem Thema befassen, @financery.de oder @hermoney_de zum Beispiel.
Bei meiner Suche finde ich sogar an manchen Hochschulen Angebote. An der Westfälischen Hochschule oder der Universität Mannheim zum Beispiel gibt es Seminare zu Gehaltsverhandlungen. Die Universität Hamburg hat sogar ein Angebot, das sich speziell an junge Frauen richtet.
Egal, wo man sich informiere, Hauptsache, man fange damit an, sagt Beraterin Claudia Kimich. Jungen Frauen rät sie: »Tut euch zusammen!«. Man könne etwa mit Freundinnen Seminare besuchen, oder gemeinsam üben, über Geld zu sprechen. So hätten viele ihrer Kundinnen gemerkt, dass Verhandlungen Spaß machen können. »Man lernt, über sich selbst zu lachen. Das Thema ist lange nicht so ernst, wie viele am Anfang denken.«
Die Schmerzgrenze kennen
Kimich rät mir, mich vor der Verhandlung auf drei Zahlen festzulegen. Eine Summe, die meine absolute Untergrenze sei. »Wenn das Gehalt nur 50 Euro darunter fällt, stehen Sie auf und gehen. Sonst war es nicht wirklich Ihre Schmerzgrenze.« Die zweite Zahl sei die Okay-Summe: ein Gehalt, mit dem ich zufrieden wäre. Und dann ein Idealziel: »Die Summe, bei der Sie sofort Ihre beste Freundin zum Wochenendtrip einladen, weil Sie sich so darüber freuen«, wie es Kimich formuliert.
Verhandlungsexpertin Claudia Kimich
Als ich versuche, mir diese drei Zahlen vorzustellen, habe ich sofort Angst, dass sie zu hoch sind. Kimich sagt: »Die Frage ›Was darf ich denn verlangen?‹ kommt fast ausschließlich von Frauen, Männer stressen sich damit weniger.« Sie habe schon Kundinnen beraten, die schockiert waren, als sie erfuhren, was männliche Kollegen in derselben Position verdienten. Mehr, als sie selbst je verlangt hätten. Deshalb solle ich mein Wunschgehalt an mir festmachen, sagt Kimich, nicht an der Angst, mit meinen Forderungen zu dreist zu sein.
Zur Verhandlung gehöre es auch, zu erklären, warum ich dieses Geld verdient hätte, sagt Kimich. Sie rät mir, mich zu fragen: »Warum bin gerade ich so gut in diesem Job? Wie bereichere ich das Team? Was bringe ich in das Unternehmen ein?« Ich bin etwa gut darin, Diskussionen am Ende noch einmal knapp zusammenzufassen, und sie so für alle zu lösen. Das war in den Seminaren meines Studiums sehr wichtig und hilft mir heute in Team-Meetings.
Als Donald Trump in die Verhandlung
Als Nächstes rät sie mir, meine Wunschsumme und meine Argumente laut auszusprechen – üben, üben, üben. Es könne auch helfen, Gehaltsverhandlungen durchzuspielen und dabei in verschiedene Rollen zu schlüpfen, in die eines Stars oder einer Musikrichtung zum Beispiel. Als ich später vor dem Spiegel eine Gehaltsverhandlung als Donald Trump übe, nimmt mir das tatsächlich die Nervosität. Zu sagen, dass sich das seltsam anfühlt, ist eine maßlose Untertreibung. Aber es hilft, ich werde lockerer. Und versuche, mir genau dieses Gefühl für die echte Verhandlung einzuprägen.
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Selbst, wenn ich am Ende mein Wunschgehalt nicht erreiche, sei die Verhandlung damit nicht verloren, sagt Finanzexpertin Katharina Brunsendorf. Ein Erfolg müsse nicht unbedingt mehr Geld bedeuten. Oft erzählten ihr Frauen, dass sie sogar bewusst darauf verzichtet hätten – und stattdessen mehr Freizeit forderten. Ein Ziel könnten also etwa weniger Wochenarbeitsstunden oder mehr Urlaubstage bei gleicher Bezahlung sein.
Jetzt muss ich nur noch einen Tipp befolgen, den Brunsendorf mir mit auf den Weg gegeben hat: Wissen sei gut und wichtig, aber irgendwann müsse man auch loslegen. Also, auf in die Verhandlung!