Digitales Semester Was bei Onlineprüfungen erlaubt ist – und was nicht

Viele Studierende erleben in Corona-Zeiten zum ersten Mal eine Onlineklausur: Wie funktioniert das?
Foto: Folio Images / DEEPOL / plainpicture1. Welche Formen von Onlineprüfungen gibt es?
Prüfungen, die wegen Corona online über die Bühne gehen, orientieren sich häufig an Präsenzprüfungsformaten, sagt Julius-David Friedrich. Als Bildungsexperte am Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) beschäftigt er sich mit neuen und alten Prüfungsformen. Zu den häufigsten Onlineformaten zählen laut Friedrich
reine Onlineklausuren, oft mit Multiple-Choice-Fragen und teilweise mit Bildschirmüberwachung,
sogenannte Open-Book-Klausuren, bei denen Hilfsmittel wie Lehrbücher erlaubt sind und die nicht beaufsichtigt werden, und
mündliche Prüfungen, die per Webcam durchgeführt werden.
Hochschulen sollten aber auch über Alternativen zur rechtssicheren Onlineklausur nachdenken, empfiehlt Friedrich. Der Bildungsexperte sieht in neuen Prüfungsformaten eine Chance. »Kompetenzorientierte Prüfungsformate sorgen dafür, dass weniger routiniert dasselbe abgefragt wird und mehr Transferleistungen gefordert sind. Für den Lernerfolg wäre das in vielen Fächern sogar besser als die reine Wissensabfrage.«
2. Was kann bei Onlineprüfungen schiefgehen?
Tatsächlich einiges. Häufig hängt es an der Technik: Dokumente können zu spät hochgeladen werden, Dateien das falsche Format haben, das E-Mail-Postfach kann voll sein oder das Internet schlecht. Anna Ventker, 19, studiert an der Universität Paderborn Französisch und Pädagogik auf Lehramt und hat das schon erlebt. »Bei einer mündlichen Prüfung hat die Internetverbindung des Dozenten gestreikt. Die Prüfung wurde dann abgebrochen und ich konnte die Aufgabe als Audiodokument nachreichen«, erzählt sie. Zusätzlichen Stress, auch das sagt Ventker, bedeuteten solche technischen Pannen während einer Prüfung natürlich immer – für Studierende und Dozenten.
Anja Neuber, 47, Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Genetik der Universität zu Köln, sagt zwar, sie habe selbst noch keine technischen Schwierigkeiten bei Onlineprüfungen erlebt. Bei einem Kollegen sei ein Studierender aber aufgrund einer schlechten Internetverbindung mal aus der Klausur geflogen. »Über unser Prüfungstool können wir den Studierenden dann zusätzliche Bearbeitungszeit einstellen«, sagt Neuber. Dies gelte auch für Studierende mit einer nachgewiesenen Lese-Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie.
Studentin Anna Ventker
Neben der Technik kann auch die Umgebung ein Problem sein. Mitbewohner können ungefragt ins Zimmer platzen, Nachbarinnen plötzlich ein Loch in die Wand bohren. Wer gut vorbereitet sein will, sollte solche Probleme schon im Vorfeld angehen. »Mein Freund weiß Bescheid, wenn ich eine Prüfung habe – mein Handy ist dann im Flugmodus«, sagt Studentin Anna Ventker.
3. Was ist, wenn ich gerade keinen funktionierenden Laptop habe?
Ein ruhiges Arbeitszimmer, einen Computer, dazu eine gute und stabile Internetverbindung: Die Anforderungen für Onlineklausuren sind ganz schön hoch. Doch kann die Uni wirklich erwarten, dass Studierende für all das ausgerüstet sind? Nein, sagt CHE-Experte Julius-David Friedrich, schließlich hätten alle Studierenden Anspruch auf Chancengleichheit und faire Bedingungen – und die sei bei Onlineklausuren nicht immer gegeben.
Auch manchen Hochschulen scheint das bewusst zu sein. An der Universität Bremen etwa gibt es schon länger ein eigenes E-Klausuren-Center. Studienleistungen, für die man einen Computer braucht, können dort erbracht werden, auch ohne eigenen Laptop. Wegen Corona wird derzeit aber unter verschärften Hygienebedingungen gearbeitet, es stehen weniger Plätze zur Verfügung als üblich.
Bei Anja Neuber in der Biologie der Uni Köln werden schon seit einigen Jahren die meisten Prüfungen online geschrieben. Hat man selbst nicht die Möglichkeiten, um an einer digitalen Klausur teilzunehmen, helfe die Uni dabei, einen Raum in der Universität zu organisieren, sagt Neuber. Zudem gebe es Probeklausuren, mit denen die Studierenden vorab testen könnten, ob die Technik auch wirklich funktioniert.
An einigen Hochschulen werden Prüfungen außerdem weiterhin vor Ort durchgeführt, mit entsprechenden Hygiene- und Abstandsregeln.
4. Darf die Uni einfach so meinen Computer und mich überwachen?
Über diese Frage wird derzeit viel gestritten. An manchen Hochschulen müssen Studierende sogenannte Proctoring-Programme installieren, die nicht nur den Bildschirm überwachen, sondern auch Klicks und Eingaben registrieren und Töne aufnehmen. Bislang ist das eher selten. Julius-David Friedrich vom CHE sieht die Entwicklung dennoch kritisch: »Das sogenannte Proctoring darf nicht dazu führen, dass Datenschutz nichts mehr wert ist.« Wer mit der Fernüberwachung nicht einverstanden sei, solle sich an das Prüfungsamt wenden und um eine alternative Prüfungsmöglichkeit bitten, sagt Friedrich. An vielen Hochschulen werden etwa Vor-Ort-Klausuren auch weiterhin angeboten – schon allein aus Gründen der Chancengleichheit (siehe Frage 6).
Anja Neuber, Dozentin an der Universität zu Köln
Die Uni Köln hat noch einen anderen Weg gewählt: Hier werden die Studierenden gar nicht überwacht und das strittige Thema damit umkurvt. »Es liegt an uns, die Fragen so zu stellen, dass sie auch mit Hilfsmitteln fordernd sind«, sagt Dozentin Anja Neuber. Das verlange den Prüfenden jedoch einiges ab: »Als Dozentin kann man oft wahnsinnig schwer einschätzen, was eine fordernde Frage ist.«
5. Werde ich auch überwacht, wenn ich aufs Klo gehe?
Auch wenn über die Rahmenbedingen oft aufgeregt diskutiert wird: Studierende haben bei Onlineklausuren einen Anspruch auf den Schutz ihrer Intimsphäre. Schon allein deshalb sind der Überwachung, wie auch im Hörsaal, Grenzen gesetzt. »Bei uns darf jede und jeder zu jeder Zeit auf die Toilette. Die Bearbeitungszeit wird dann natürlich nicht angehalten, das wäre in einer Präsenzklausur jedoch auch nicht anders«, sagt Dozentin Anja Neuber.
6. Kann ich die Klausur auch auf Papier schreiben?
Oft sind Onlineklausuren tatsächlich nur ein Weg, um eine Prüfung erfolgreich zu bestehen. Wer nicht die notwendige Technik oder andere gute Gründe hat, kann die Klausur oft auch weiterhin auf Papier schreiben. Wegen der Corona-Auflagen verzögern sich die Termine allerdings häufig. Manche Prüfungstermine aus dem Frühjahr und Sommer werden beispielsweise erst jetzt nachgeholt. Wer geplante Onlineprüfungen auf Papier schreiben möchte, sollte das also frühzeitig anmelden – und sich darauf einstellen, dies auch begründen zu müssen.
Alternativ gibt es in manchen Studiengängen auch mündliche Prüfungen. Bislang scheint das aber eher die Ausnahme zu sein.
7. Kann ich Onlineklausuren auch zu einem anderen Termin schreiben, der mir besser passt?
Wiederholungen und Zweittermine schreibt schon die Prüfungsordnung vor. Eine komplett freie Terminwahl scheint online leicht umsetzbar zu sein. Dennoch ist dieses Modell bislang sehr selten. Ihre Fakultät an der Uni Köln biete pro Semester zwei Ausweichtermine an, sagt etwa Anja Neuber. Zusätzliche Zeitfenster, um sich prüfen zu lassen, würden nicht angeboten.
8. Was ist, wenn ich Nachfragen zu einer Aufgabe habe?
Auch hier lohnt es sich, möglichst früh im Semester über geplante Onlineklausuren zu sprechen. Denn in Massenklausuren mit Proctoring-Programmen (siehe Frage 4) kann es sein, dass gar keine Lehrkräfte anwesend sind. Einfacher haben Studierende es dagegen bei sogenannte Open-Book-Klausuren. Hier dürfen sie ausdrücklich Dinge eigenständig nachschlagen und recherchieren. Der größte Gegner ist in solchen Fällen nicht der kritische Blick der Prüfenden, sondern die Zeit.
Grundsätzlich sind Nachfragen auch bei Onlineklausuren möglich. Bei Studentin Anna Ventker etwa waren die Dozierenden während der Klausur entweder in einem individuellen Meeting-Raum bei Zoom oder per E-Mail erreichbar. »Natürlich kostet jede Frage zusätzlich Zeit. Ich habe deshalb schon vor der Klausur einen zweiten Tab und mein Mailing-Programm geöffnet«, sagt Ventker.
Dozentin Anja Neuber ist während der Prüfungen für ihre Studierenden über Telefon, Chat und per Mail erreichbar: »Das klappt gut«, sagt sie, »beschwert hat sich noch niemand.«