entscheiden »EHRE, FREIHEIT, VATERLAND«
Der Münchner Polizeihauptmeister zeigte ungewöhnlichen Bildungseifer. Im hohen Alter von 45 Jahren schrieb sich der Beamte aus der Polizeidirektion Verkehr zum Studium der Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ein.
Der Spätstudent verfolgte mit der Immatrikulation allerdings nur ein einziges Ziel: Er wollte so die Möglichkeit haben, Mitglied der Burschenschaft »Danubia« zu werden. Die Studentenverbindung schien dem Ordnungshüter die rechte Heimat zu sein: Die Danuben sind die Ultras unter den ohnehin häufig konservativen Verbindungen. Der Beamte hatte seit Jahren seine Kollegen mit rassistischen Hass-Tiraden auf »Nigger«, »Zigeunerpack« und das demokratische »Scheiß-System« genervt. Mehrfach wurde er deswegen zwangsversetzt, ohne freilich den braunen Ton zu wechseln.
Die 1848 gegründete Danubia steht am äußersten rechten Rand der mehr als 3000 deutschsprachigen Korporationen. Als erste und bisher einzige bayerische Studentenverbindung bekam sie von CSU-Innenminister Günther Beckstein Anfang September das zweifelhafte Prädikat »verfassungsfeindliche Organisation« - sogar rückwirkend zum 1. Januar 2001. Danubia-Korporierte dürfen daher nicht mehr in den Staatsdienst aufgenommen werden, außer sie können trotz Mitgliedschaft den Beweis für ihre Verfassungstreue erbringen. Der farbentragende Polizeihauptmeister wurde aufgefordert, alle Kontakte zu seinen Bundesbrüdern abzubrechen.
Mit Sorge beobachten die Verfassungsschützer einen verstärkten Zulauf von Rechtsextremen bei Studentenverbindungen. »Rechtskonservativ zu sein, das Haar gescheitelt zu tragen, Traditionen zu wahren und Umgangsformen, das ist wieder schick bei den jungen Intellektuellen«, meint ein Sprecher des bayerischen Landesverfassungsamtes. Gleichzeitig versucht die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), gegen die ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht läuft, an den Universitäten Fuß zu fassen, so die Münchner Verfassungsschützer: »Die NPD sucht Ersatzstrukturen. Eine davon sind die Burschenschaften.«
In Greifswald ist der stellvertretende NPD-Kreisvorsitzende Mathias Rochow Mitglied der Burschenschaft »Rugia«. In der Gießener »Dresdensia Rugia« findet sich ein Mitglied des hessischen NPD-Landesvorstandes. Teile der »Jenensia« in Jena arbeiteten mit dem »Thüringer Heimatschutz« zusammen, den der Verfassungsschutz zur militanten rechten Szene zählt. Als es Streit über die politische Linie gab, spalteten sich die meisten Rechtsaktiven von der Verbindung ab und gründeten einen eigenen Verein mit dem markigen Namen »Normannia«.
Im Visier der Staatsschützer sind auch rechtsgerichtete Burschenschaften wie die »Frankonia« in Erlangen und die »Teutonia« in Regensburg. Sie stehen zwar noch nicht auf der Liste der verfassungsfeindlichen Organisationen, so Beckstein, aber ihr Treiben sei »Besorgnis erregend«.
Die Hamburger »Germania« tat sich auf ihrer
* Oben: beim Deutschen Burschentag auf der Wartburg bei Eisenach 1996; links: beim so genannten Marktfrühschoppen der Marburger Burschenschaften in Marburg an der Lahn.
Website mit Sprüchen hervor wie »Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt! Wir singen trotzdem, auch wenn die Gutmenschen mal wieder leer drehen.« Die Germanen, so ein Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes aus dem Jahr 1993, würden kein Hehl »aus ihrer Ablehnung der Demokratie und ihrer Befürwortung des >Führerprinzips< machen«. Selbst Hamburgs vier schlagende Corps lehnen es ab, mit den rechten Burschenschaften auf dem Paukboden die Klingen zu kreuzen.
Die Danubia geriet Anfang des Jahres gar mit der Polizei in Konflikt - als Unterschlupf für einen gewalttätigen Neonazi. Der Grieche Artemios T., 31, war nach einer Geburtstagsfeier in dem als rechter Szenetreff bekannten Münchner Lokal »Burg Trausnitz« auf dem Gehweg von Skinheads zusammengeschlagen und schwer verletzt worden.
Bevor die Polizei eintraf, brachte ein Mitglied der »Teutonia« den mutmaßlichen Haupttäter und aktenkundigen Neonazi Christoph Schulte in ein sicheres Versteck: in die Villa der Danubia im vornehmen Stadtteil Bogenhausen. Dort durfte Schulte angeblich im so genannten Leichenkeller - der verbindungseigenen Ausnüchterungszelle für Alkoholleichen - übernachten. Tags darauf floh er in die Niederlande. Wochen später wurde Schulte geschnappt, in München wird ihm wegen versuchten Mordes der Prozess gemacht.
Burschenschaftler und Skinheads sind nicht selten Brüder im Geiste. Die Websites der Danubia ("Ehre-Freiheit-Vaterland") oder der Germania wimmelten lange vor Links zum nationalen Flügel in Deutschland und Österreich. Inzwischen sind die Korporationen vorsichtiger geworden. Im Internet-Gästebuch gleichgesinnter Verbindungen aber grüßt man sich immer noch mit »Heil« und lädt zu einschlägigen Treffen mit rechten Referenten.
Besucher wollen in der Villa der Danubia Hitlers »Mein Kampf« und angedeutete Hakenkreuze gesehen haben. Aus der Danubia kam auch Hans-Ulrich Kopp, Mitbegründer des rechtsgerichteten Rep-Ablegers »Republikanischer Hochschulbund«. Der Rep-Vorsitzende Rolf Schlierer gehörte der »Burschenschaftlichen Gemeinschaft« an, einem stramm rechten Kartell um die Münchner Danubia.
Unter den Studentenverbindungen sind die braunen Brüder eine kleine radikale Minderheit. Die meisten Mitglieder von Burschenschaften, Corps, Sänger-, Turner- und Landsmannschaften pflegen nur ihre akademischen Saufrituale ("Kneipen« oder »Kommerse") und die karrierefördernden Beziehungen zu ihren »Alten Herren«. Die Rechtsextremen stoßen überwiegend auf Ablehnung. 1996 gründete sich der Dachverband »Neue Deutsche Burschenschaften«. Neun Verbindungen verließen den ursprünglichen Dachverband »Deutsche Burschenschaften« (DB), weil ihnen das Gedankengut zu national wurde. Über die Grenzen von 1937, sagten die Abweichler, wollten sie nun wirklich nicht mehr diskutieren. Inzwischen haben sich 21 Korporationen den Neuen DB angeschlossen.
Die Universitäten tun sich allerdings schwer, zwischen guten und bösen Verbindungen zu unterscheiden. Die LMU hat nach der Fluchthilfe für Schulte die Danubia aus einem Schaukasten verbannt, in dem Korporationen ihre Termine aushängen. Mehr, erklärte Rektor Andreas Heldrich, könne er nicht tun, weil die Verbindung eine private Organisation sei und nicht Teil der Universität. Er müsse auch aufpassen, dass nicht alle Verbindungen in einen Topf geworfen werden.
Dem linken Flügel der LMU-Studenten war das viel zu wenig. Die Studentenvertretung Asta forderte, den Schaukasten gleich ganz abzuschaffen. Als sich die Hochschulleitung weigerte, überklebte der Asta den Kasten mit dem Plakat »Alte Herren - Neue Rechte. Schattenseiten der Universität«.
Sie sind noch immer eine starke Verbindung: die »Alten Herren«, die vor Jahrzehnten den »Lebensbund« mit ihren Kommilitonen schlossen und nun als Chefärzte, Professoren, Oberstaatsanwälte oder Gerichtspräsidenten angesehene Positionen bekleiden.
Der Lebensbund hält auch unter dubiosen Umständen. Bereits zweimal in den vergangenen Jahren trieben in Würzburg Studenten in vollem Wichs tot im Main. Vermutlich sturzbetrunken ins Wasser gekippt und dann ertrunken, sagt die Polizei.
Doch die Promillekonzentration im Blut der jungen Männer ließ nicht auf einen Vollrausch schließen. Und: An der Stelle, an der das Unglück geschehen sein soll, kann man gar nicht ins Wasser fallen. Auch das mussten die Ermittler einräumen.
Danach wurde viel gemunkelt über Mutproben und mörderische Aufnahmerituale, über Prügeleien mit Punks und rivalisierenden Korporationen. Doch die Kameraden aus den betroffenen Burschenschaften schwiegen eisern - treu bis in den Tod. CONNY NEUMANN