entscheiden »EIN JÄMMERLICHER HAUFEN«
Wofür sie sich entscheiden soll, weiß Natalicia da Cruz Winter, 32, einfach nicht. Mit vier Praktika und einem Auslandssemester in England hat die Kommunikationswissenschaftlerin schon einen guten Überblick über Jobs in den Medien. Aber was ist das Richtige für Sie?
Die Antwort fand die Studentin hinter Tür Nummer 521 in der Ziegelstraße 13c, Berlin-Mitte. Das Gebäude liegt in einem Hinterhof, und kaum einer würde hier das Career Center der Humboldt-Universität vermuten. Kein Schild weist draußen darauf hin, und auch im langen Gang des fünften Stocks muss der Ratsuchende rätseln, welche Zimmer zum Career Center gehören.
Doch wer endlich einen der drei Berater entdeckt hat, findet nützliche Informationen zur Berufs- und Karriereplanung, Hilfe bei der Praktikumssuche, Kontakte zu Unternehmen, Tipps zu Bewerbungen und eine Datenbank mit Praktikums- und Arbeitsstellen.
Da Cruz Winter trifft sich heute zum vierten Mal mit dem Berater Michael Lüdtke. »Im ersten Gespräch haben wir über die Chancen geredet, die Möglichkeiten, die für mich offen wären«, sagt da Cruz Winter, »trotz meiner Praktika kannte ich vieles noch nicht.« Jetzt sieht die Studentin schon klarer: »Nun in der vierten Sitzung habe ich schon gespürt, wo meine wirklichen Interessen sind, unabhängig von Gehalt, von Macht, von Position. Das ist einfach das, was ich mag.«
Berater Lüdtke, der seit dem Start des Career Centers im Januar 2000 dabei ist, sieht seine Aufgabe auch als »eine Art Coaching«, das den Berufsanfängern hilft, ihre eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen. Bei 37 000 Humboldt-Studenten sind die drei Mitarbeiter allerdings überfordert.
Das Humboldt-Center bietet deswegen auch zahlreiche berufsbezogene Seminare und Veranstaltungen an. Die sind alle fast immer ausgebucht und haben lange Wartelisten.
Wie in Berlin haben nach dem Vorbild angelsächsischer und französischer Hochschulen inzwischen die meisten Universitäten irgendeine Form der Berufsberatung - tatsächliche Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche für Studenten aber können nur die wenigsten leisten.
»Die meisten Unis sagen, sie hätten ein Career Center«, meint Gero Federkeil, der beim Bielefelder Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die arbeitsmarktbezogenen Angebote der Universitäten untersucht hat. »Im Endeffekt stellt sich dann aber oft heraus, dass es sich dabei um ein Büro unter der Kellertreppe handelt, in dem eine ABM-Kraft sitzt.« Dabei, so Federkeil, seien gerade die Berufsperspektiven entscheidend für die Qualität eines Ausbildungsangebots.
So hat das CHE in seinem jüngsten Hochschulranking versucht, berufsbezogene Dienstleistungen mit in die Gesamtbewertung der einzelnen Universitäten aufzunehmen. Die Hochschulverwaltungen wurden unter anderem zum Budget, Personal und Veranstaltungsangebot ihrer Career Center befragt.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Oft, so Federkeil, sei zwar ein Wille erkennbar, der Bestand des Career Centers auf Dauer aber nicht gesichert. »Wenn nur eine ABM-Kraft eingestellt ist, liegt zumindest nahe, dass mit dem Auslaufen der ABM-Stelle auch das Career Center aufgibt«, meint er. Federkeil schätzt, dass ein Drittel der deutschen Career Center noch nicht einmal über ein eigenständiges Budget verfügt.
Beispiele dafür gibt es viele, eines dafür ist der Career Service der Universität Augsburg. 1997 hatte der Vorsitzende der Kommission »Berufsperspektiven für Geisteswissenschaftler«, der Psychologie-Professor Wolfgang Michaelis, den Dienst ins Leben gerufen. Der Professor stellte zunächst Hilfskräfte seines Lehrstuhls für das Zentrum ab und wartete auf ihm in Aussicht gestelltes Personal und Geldmittel.
Als er im Januar 2001 erfuhr, dem Career Service werde keine Vollzeitstelle zur Verfügung gestellt werden, schmiss der Professor hin. Seither teilt der Service in Kooperation mit dem Arbeitsamt und der FH Augsburg noch eine 76-seitige Broschüre aus und beschäftigt eine Halbtagssekretärin. »Hier noch von einem Career Service zu sprechen ist nicht zutreffend«, sagt Michaelis resigniert. Den einzig aktiven Part in der neuen Initiative Studium & Beruf in Augsburg übernehme das Arbeitsamt. »Das Arbeitsamt macht da eben, was es sonst auch machen würde«, sagt Michaelis, »dazu brauche ich keinen Career Service.«
Deutsche Hochschulen sind nicht auf den beruflichen Erfolg ihrer ehemaligen Eleven angewiesen - deshalb kommt auch der Ausbau der Career Center nicht voran. »Es fehlt ganz einfach der Anreiz, etwas zu tun«, sagt Federkeil vom CHE. Während englische und amerikanische Universitäten ihren Absolventen bei der Vorbereitung auf das Berufsleben und bei der Jobsuche helfen müssten, um an gute Studenten zu kommen, spielten die beruflichen Perspektiven der Absolventen für deutsche Hochschulen kaum eine Rolle.
Hinzu komme das Spannungsverhältnis zwischen Hochschule, Arbeitsamt und Wirtschaft, meint der Leiter des Instituts Student und Arbeitsmarkt an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Harro Honolka: »Viele Universitäten haben sogar Angst vor einem Eingriff in die Hochschulautonomie.«
Honolkas Institut, eines der größten Career Center in der Bundesrepublik, hat damit keine Probleme. Immerhin verfügt das Gemeinschaftsprojekt von Industrie- und Handelskammer München, dem Arbeitsamt und der Universität über ein jährliches Budget von 450 000 Euro und fünf Vollzeitkräfte, dazu nutzt Honolka Räume der Universität für sein Programmangebot kostenlos.
»Im Vergleich zu amerikanischen oder englischen Universitäten sind wir trotzdem ein jämmerlicher Haufen«, sagt er und erzählt, dass an der London University 18 Vollzeitkräfte beschäftigt seien. Besonderes Glanzstück dort wie an anderen angelsächsischen Hochschulen: Das Placement Center, in dem die Universität ihre Absolventen aktiv vermittelt. Das ist laut Honolka »der entscheidende Punkt«, aber die deutschen Career Center kümmern sich kaum darum.
Honolka will jetzt mehr für das »Placement« tun. Neben Kursen für Studenten und einer Praktikanten-Börse hat das Institut ein Mentoring-Programm eingerichtet, in dem ehemalige Studenten Berufseinsteiger begleiten sollen.
Vielleicht überlässt die Uni interessierten Unternehmen auch Räume für Veranstaltungen auf dem Campus - gegen Geld allerdings. Denn, so Honolka, viele Unternehmen wollten sich nur vor Ort die Besten herauspicken: »Da müssen die Studenten sich erst bewerben, um überhaupt zugelassen zu werden. Wer dann genommen wird, würde es auch ohne unsere Hilfe schaffen.«
LINKS ZUR KARRIEREHumboldt-Universität:www2.hu-berlin.de/kooperation/ career_center/Career Service Network der FU-Berlin:www.career-service-network.deUniversität Hannover:www.career.uni-hannover.deUniversität Münster:www.uni-muenster.de/careerserviceUniversität Rostock: www.careers.deUniversität München: www.uni-muenchen.de/conman/index.cfm?path=727Universität Augsburg:www.uni-augsburg.de/zentral/career-service/