"Eine Befriedigung, die Geld mir nie geben könnte" – Warum wir unsere Hobbys nicht zum Beruf machen
Dieser Beitrag wurde am 11.07.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Millennials wollen flexibel arbeiten, sich selbst verwirklichen, ihre Work-Life-Balance im Griff behalten – zumindest ist das das Ergebnis zahlreicher Studien (Zukunftsinstitut). Und es ist häufig der Gesprächstenor, wenn man sich mit seinen Freunden abends auf ein Bier trifft. Mehr Freizeit, weniger Arbeit.
Aber warum nicht einfach das beruflich machen, womit man seine Freizeit so gerne verbringt? Würde das nicht die Selbstverwirklichung bringen, die sich alle so sehr wünschen?
Den Schritt wagen die wenigsten. Aber warum? Den Tag mit seiner Leidenschaft verbringen und auch noch Geld damit verdienen – klingt doch eigentlich nach einer Traumvorstellung.
Fünf junge Erwachsene erzählen von ihren Hobbys – und warum sie sie nicht zum Beruf machen wollen.
Lena, 20, engagiert sich in der freiwilligen Feuerwehr.
Seit zehn Jahren bin ich Mitglied der freiwilligen Feuerwehr Blumberg. Hauptberuflich mache ich gerade eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten. Früher war ich in der Jugendfeuerwehr, seit ich 18 bin, fahre ich als aktives Mitglied bei Einsätzen mit. Gerade, wenn ich mit Freunden über mein Hobby rede oder sie mich nach meinen letzten Einsätzen fragen, ist es oft Thema, warum ich mein Hobby nicht zum Beruf machen möchte. Meine Antwort: Mich erfüllt es, mich ehrenamtlich zu engagieren. Ob es am Samstagvormittag bei der Jugendfeuerwehr ist oder jemandem an einem Sonntag bei einem Verkehrsunfall zu helfen.
Lena
In Blumberg sind wir bei der freiwilligen Feuerwehr in erster Linie Kameraden. Einige davon sind zu meinen engen Freunden geworden. Wir unterhalten uns viel über unsere Berufe, darüber, wie unser Alltag aussieht und helfen uns gegenseitig. Wären meine Kameraden meine Kollegen, würden viele Gesprächsthemen einfach wegfallen und ich wäre vielleicht sogar froh, sie nach einer anstrengenden 24-Stunden-Schicht nicht mehr sehen zu müssen. Deshalb bin ich glücklich darüber, dass wir ein gemeinsames Hobby teilen – aber nicht den gleichen Job.
Fabian, 24, schreibt eigene Songs und produziert Musik.
Mein Hobby ist es, Musik zu machen, sie selbst aufzunehmen und am Ende ein fertiges Produkt in den Händen zu halten, das ich komplett selbst entwickelt habe. Dafür fahre ich an vielen Wochenenden aus Nürnberg zu meinen Eltern aufs Land, um in einem Gartenschuppen Songs aufzunehmen und ganz in Ruhe zu arbeiten. Dabei bin ich meist alleine, um möglichst unabhängig zu sein.
Mittlerweile spiele ich alle Instrumente selbst, singe den Text ein und füge am Ende alles am Computer zusammen. Den fertigen Song am Ende immer wieder anzuhören und mit anderen teilen zu können, ist für mich das Schönste daran. Ich stecke fast meine komplette Freizeit in die Musik, designe auch meine Cover selbst und trete als "Big Gainer" gemeinsam mit befreundeten Musikern auf.
Obwohl die Musik einen so großen Teil meines Lebens einnimmt, will ich mein Hobby nicht zum Beruf machen. Ich studiere Design und will später auch als Designer arbeiten. Ich glaube, dass das Musikmachen ein undankbarerer Beruf ist. Man bekommt dafür nur sehr wenig finanzielle Wertschätzung. Streamingdienste zahlen quasi nichts, Verträge gibt es nur für etablierte Musiker, die trotzdem häufig nicht von ihrer Musik leben können. Mir ist die finanzielle Absicherung wichtiger als die Musik zu meinem Beruf zu machen.
Fabian
Musik macht mir Spaß. Deshalb ist es mir egal, ob ich damit Geld verdiene oder nicht. Die Freiheit, es nicht tun zu müssen, sondern es zu machen, weil es mir Spaß macht, ist mir wichtiger als alles andere.
Louisa*, 26, schreibt erotische Geschichten.
*Louisa heißt eigentlich anders. Sie möchte anonym bleiben, ihr echter Name ist der Redaktion bekannt.
Ich bin Medizinstudentin im vierten Semester, stehe kurz vor dem Physikum und schreibe in meiner Freizeit erotische Romane. Von meinem Hobby wissen nicht besonders viele Menschen, nur mein Mann und eine Handvoll Freundinnen. Meine Familie weiß nur, dass ich eigene Geschichten verfasse, aber nicht genau, worum es geht. Deshalb schreibe ich ab und zu "Alibi"-Texte ohne erotische Handlungen, die ich ihnen zeigen kann, wenn ich von meinem Hobby erzähle.
Mit den erotischen Texten habe ich in meiner Pubertät begonnen. Damals habe ich Fanfictions anonym im Internet veröffentlicht, in denen es um ausgedachte Geschichten von realen Bands oder Musikern ging. Mit 16 war ich in einer Fanfiction-Community sogar richtig erfolgreich. Meine Texte wurden oft gelesen und kommentiert. Zwei Romane sind in der Schulzeit fertig geworden, einer während des Studiums und momentan arbeite ich an zweien gleichzeitig. Veröffentlicht habe ich aber noch keinen davon.
Ich habe schon darüber nachgedacht, unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Aber ich denke, Autorinnen und Autoren sind erfolgreicher, wenn sie als reale Person auftreten und man ihnen zum Beispiel bei Instagram folgen kann.
Das kommt für mich als angehende Ärztin aber nicht in Frage. Vielleicht würden meine zukünftigen Patientinnen und Patienten mir dann nicht mehr uneingeschränkt vertrauen.
Louisa*
Mein Hobby macht mir Spaß und entspannt mich. Ich schreibe häufig an meinen Geschichten, wenn ich gerade gestresst bin. Im Endeffekt schreibe ich mir selbst die Bücher, die ich gern lesen möchte. Manchmal träume ich zwar davon, eine berühmte Autorin zu werden. Aber ich weiß nicht, ob ich irgendwann so viel Mut und Kraft finde, das tatsächlich anzugehen. Die Hemmschwelle, mein Hobby öffentlich zu machen, ist für mich einfach zu hoch. Deshalb stehen meine Romane heute immer noch nur in meinem Regal.
Mario, 30, nimmt mit seinem besten Freund eigene Hörspiele auf
Eigentlich arbeite ich als Industriemechaniker. Aber seit 15 Jahren produziere ich neben meinem Beruf eine eigene Hörspielreihe gemeinsam mit meinem besten Freund. Angefangen haben wir in der zehnten Klasse, weil wir beide immer noch gerne Hörspiele wie "Die drei Fragezeichen" gehört haben. Früher haben wir die Folgen im Kinderzimmer aufgenommen, heute machen wir das in einem umgebauten Gartenpavillon, den wir provisorisch mit Decken schallisoliert haben. Mittlerweile versuchen wir, zwei Folgen von "Samy und Scott" im Jahr aufzunehmen, die wir online über YouTube und eine eigene Website anbieten.
Dabei haben wir nie den Anspruch, Geld zu verdienen. Dann müssten wir viel mehr Mühe und Zeit in dieses Projekt stecken. Wir machen es für uns, weil wir Spaß daran haben.
Mario
Viel wichtiger als die Hörspiele hauptberuflich zu produzieren oder von den Einnahmen leben zu können, ist mir, dass ich und mein bester Freund immer noch regelmäßig Zeit miteinander verbringen. Ich glaube, dass wir uns dadurch häufiger sehen, als wenn wir uns nur so verabreden würden. Es ist nicht selbstverständlich, seine Freunde aus der Schulzeit zu behalten und sich nicht aus den Augen zu verlieren. Deshalb bin ich froh, dass wir dieses gemeinsame Hobby teilen.
Hanna, 19, hat schon als Kind am Theater gesungen
Ich habe fast zehn Jahre lang am Aalto-Theater in Essen gesungen. Offiziell darf man als Kind dabei kein Geld verdienen, es gab aber Aufwandsentschädigungen, die höher waren als die Bezahlung bei anderen Schülerjobs. Irgendwann habe ich angefangen in einer Bigband, in Chören, Ensembles und sogar in einer Rockband zu singen. Bei Auftritten gab es zwar gelegentlich ein bisschen Geld, das Singen war für mich aber immer nur ein Hobby. Ob ich für einen Auftritt bezahlt wurde oder nicht war mir immer egal. Mir geht es bis heute nur um den Spaß.
Obwohl das Singen meine große Leidenschaft ist, möchte ich es nicht beruflich machen. Ich habe mich dagegen entschieden, weil mir das Einkommen nicht sicher genug ist. Aber auch wegen der Arbeitszeiten: Die Auftritte wären abends, ich müsste danach abbauen und käme erst spät nach Hause. Das ist für mich ein großes Argument gegen den Beruf der Sängerin. Weil die meisten anderen Menschen tagsüber arbeiten, wären die Zeitfenster, in denen ich mich um soziale Kontakte bemühen könnte, sehr klein.
Hanna
Ich glaube zwar, dass das Singen das einzige ist, was ich wirklich gut kann. Mein Ziel ist es jetzt aber, entweder als PR-Beraterin zu arbeiten oder Jura zu studieren. Meine Eltern haben mir immer gesagt, ich solle etwas Vernünftiges machen und die Musik lieber als Hobby neben meinem eigentlichen Beruf sehen. Meine Freunde sagen mir hingegen immer wieder, dass ich unbedingt Sängerin werden müsse und mit meinem jetzigen Berufsziel meine Berufung ignorieren würde. Der Gesang bleibt aber trotzdem mein Hobby – das ist einfach sicherer.