Berufseinstieg als Floristin »50 Quadratmeter, auf denen ich alles so machen kann, wie ich es möchte«

Bis sie ihren Traumjob als Floristin ausüben konnte, musste Sarah Rieschl einige Umwege gehen. Jetzt hat sie ihr eigenes Geschäft. Hier erzählt sie, wie sie mit Bräuten umgeht, die mit Pinterest-Fotos in den Laden kommen.
Aufgezeichnet von Helene Flachsenberg
Floristin Sarah Rieschl: »Mir wurde immer klarer: Ich gehöre in einen Blumenladen«

Floristin Sarah Rieschl: »Mir wurde immer klarer: Ich gehöre in einen Blumenladen«

Foto: Sarah Rieschl

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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Sarah Rieschl, 28, betreibt seit gut einem Jahr ein Floristik-Geschäft in Lindau am Bodensee.

Mein erstes Jahr im Job

Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .

Zur Serie

»Mein Laden heißt ›Sarahs Liebe zur Blume‹, denn genau deshalb mache ich meinen Job: Ich liebe Blumen. Mich fasziniert, wie viel man aus dem, was die Natur bereitstellt, gestalten kann. Meine Mutter ist Floristin, als Kind habe ich ihr oft geholfen, wenn sie zu Hause an Sträußen oder Gestecken arbeitete. Schon damals wusste ich, dass ich auch Floristin werden möchte.

Nach meinem Realschulabschluss musste ich allerdings feststellen, dass das gar nicht so leicht ist. Es gibt immer weniger Blumenläden, der Branche fehlt Nachwuchs. Vermutlich haben viele junge Menschen keine Lust, sechs Tage die Woche zu arbeiten, außerdem verdient man oft gerade mal den Mindestlohn.

Im näheren Umkreis gab es keine Ausbildungsbetriebe, ich hätte einen Führerschein gebraucht oder ewig mit Bus und Bahn fahren müssen. Also begann ich zunächst eine Ausbildung zur Arzthelferin. Nach einem halben Jahr schmiss ich hin, denn mir wurde immer klarer: Ich gehöre nicht in eine Arztpraxis. Ich gehöre in einen Blumenladen.

Inzwischen hatte ich den Führerschein und fand eine Ausbildungsstelle in einem Blumenladen mit Gärtnerei, etwa eine halbe Stunde entfernt von meinem Heimatort. Dort lernte ich viel über Botanik und Techniken des Blumenbindens. Und ich begann, meinen eigenen Stil zu entwickeln: Meine Sträuße sind modern, locker und verspielt, ich arbeite gern mit Trockenblumen.

Als ich nach dem Ende meiner Ausbildung eine Anstellung suchte, war das erneut eine Herausforderung. Kein Blumenladen in der Umgebung brauchte eine Vollzeitkraft. Und die meisten boten eher einen traditionellen Stil an: Sträuße, in denen die Blumen oben Kopf an Kopf stehen, mit einer Standard-Blatt-Manschette untendrunter. Das war überhaupt nicht mein Ding.

»Dass ich doch noch einen eigenen Laden eröffnet habe, war Zufall.«

Einen eigenen Laden konnte ich mir damals aber noch nicht vorstellen – zu viel Stress, dachte ich. Stattdessen verkaufte ich in einer Bäckerei Semmeln und zog nebenher ein erstes kleines Projekt auf: Ich kaufte mir eine Ape, so ein kleines dreirädriges Rollermobil aus Italien, und baute die Transportfläche zum Blumen-Selbstbedienungsladen um. Dort bot ich Sträuße und Gestecke an, die ich nach der Arbeit in der Bäckerei zu Hause angefertigt hatte. Die Ape kam super an. Nur haben leider immer wieder Menschen meine Blumen geklaut, Sachen im Wert von 80 Euro mitgenommen, aber bloß einen Cent in die Kasse geworfen. Sehr ärgerlich.

Dass ich doch noch einen eigenen Laden eröffnet habe, war Zufall. Ich war mit meinem Freund im Ort unterwegs, als wir ein kleines leer stehendes Geschäft sahen und er sagte: Sarah, willst du dir das nicht mal anschauen? Das Geschäft hatte Fenster ringsherum, war direkt an der Hauptstraße. Es sah so süß und nett aus, ich konnte mir direkt alles vorstellen. Nach kurzem Überlegen beschloss ich: Ich probiere das einfach.

Werkstück von Floristin Rieschl: »Modern, locker und verspielt«

Werkstück von Floristin Rieschl: »Modern, locker und verspielt«

Foto: Sarah Rieschl

Jetzt habe ich knapp 50 Quadratmeter, auf denen ich alles genau so machen kann, wie ich es möchte: lässig und persönlich, ein bisschen anders als anderswo. Zum Beispiel gibt es bei mir im Laden kein ›Sie‹, jeder, der reinkommt, wird geduzt. Die Sträuße binde ich so, wie sie mir gefallen. Die meisten Kunden wissen das zum Glück zu schätzen.

Was viele aber nicht sehen: Hinter jedem Strauß steckt viel mehr Arbeit als das Binden selbst. Ich muss kalkulieren, wie viele Blumen ich brauche, sie bestellen, mit Händlern in Kontakt sein. Je nach Saison habe ich eine andere Auswahl, im Sommer zum Beispiel versuche ich, nur regionale Blumen anzubieten.

Viel Geld mache auch ich mit meinem Laden nicht. Je nach Saison ist es sehr unterschiedlich, wie viel am Ende des Monats übrig bleibt. Für mich ist das aber in Ordnung, ich kann davon leben. Und das Geschäft ist nun mal mein Herzensprojekt.

Eine meiner liebsten Aufgaben sind Hochzeiten, diese Aufträge machen auch einen großen Teil meines Umsatzes aus. Gleichzeitig sind sie oft besonders viel Aufwand. Es gibt Besprechungen lange im Voraus, die Kundinnen haben oft sehr genaue Vorstellungen. Sie haben etwa auf Instagram oder Pinterest Fotos gesehen und wollen exakt das haben. Dabei verstehen viele nicht, dass über solchen Bildern oft Tausende Filter liegen und es in der Natur eine Blume in der Farbe vielleicht gar nicht gibt. Gar nicht so einfach.

Der Verkauf von Schnittblumen für den Alltag ist hingegen ziemlich zurückgegangen, seit die Preise überall steigen. Ich kann das verstehen – Blumen sind eben Luxus. Trotzdem möchte ich nie wieder etwas anderes machen. Wie gesagt: Ich liebe Blumen einfach.«

Wie wird man Florist:in?

Blumen und Pflanzen sind das Arbeitsmaterial von Florist:innen: Daraus fertigen sie für unterschiedliche Anlässe Sträuße, Kränze, Gestecke oder Arrangements. Manche Florist:innen sind auf Hochzeiten oder Beerdigungen spezialisiert, andere statten Verkaufsräume, Schaufenster oder Messen mit Blumenschmuck aus.

Der Weg in den Beruf  führt über eine dreijährige Ausbildung in einem Betrieb und an einer Berufsschule. Neben Kenntnissen über Pflanzen und deren Pflege lernt man dort auch Grundlagen der Betriebsführung.

Einer Auswertung des Karriereportals Stepstone  zufolge verdienen Florist:innen im Schnitt 28.000 Euro brutto pro Jahr. Betriebe, die zum Bundesverband deutscher Floristen gehören, bezahlen Auszubildenden und Angestellten einen Tariflohn. In den alten Bundesländern liegt der für fertig ausgebildete Florist:innen bei 13,31 Euro pro Stunde .

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