Gehaltsvorstellungen »Einen Berufsanfänger, der 80.000 Euro fordert, lade ich gar nicht erst ein«

In der Ausschreibung werde ich nach meiner Gehaltsvorstellung gefragt – was soll ich darauf antworten? Personaler und Coach Florian Walter erklärt, wie man auf eine angemessene Summe kommt. Und warum Mamas Freundin helfen kann.
Ein Interview von Katharina Hölter
Wie viel möchte ich verdienen? Wer zum Bewerbungsgespräch geht, sollte eine Antwort auf diese Frage parat haben. (Symbolbild)

Wie viel möchte ich verdienen? Wer zum Bewerbungsgespräch geht, sollte eine Antwort auf diese Frage parat haben. (Symbolbild)

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Katleho Seisa / E+ / Getty Images

SPIEGEL: Als ich zum ersten Mal in einer Stellenanzeige dazu aufgefordert wurde, meine Gehaltsvorstellung zu nennen, war ich völlig verunsichert. Ich wusste nicht, was zu viel ist – und was zu wenig. Wie finde ich eine Antwort auf diese Fragen?

Florian Walter: Eine Bewerbung ist vergleichbar mit einer Schul- oder Studienarbeit. Am besten setzt man sich vorher so mit dem Unternehmen auseinander, als würde man ein Referat darüber vorbereiten. Vor allem Informationen über die Branche sind wichtig: Als Bürokauffrau kann ich im Bankensektor sicherlich mehr verdienen als in einem Gastronomiebetrieb. Tarifverträge und Gehaltstabellen lassen sich zudem online schnell finden.

Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger verfügen oft auch über ein größeres Netzwerk, als sie ahnen. Es kann zum Beispiel hilfreich sein, sich im Freundeskreis der Eltern umzuhören. Vielleicht arbeitet die Tochter eines Arbeitskollegen des Vaters genau bei dem Automobilkonzern, bei dem man sich gerade bewirbt, oder bei einem vergleichbaren.

SPIEGEL: Das wäre schon ein großer Zufall. Was halten Sie stattdessen davon, bei Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIn zu recherchieren?

Walter: Es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich frühzeitig dort zu registrieren und ein Netzwerk aufzubauen – zum Beispiel mit Schülerinnen oder Ex-Kommilitonen aus höheren Jahrgängen, die schon arbeiten. Jemand völlig Fremden anzuschreiben und nach seinem oder ihrem Gehalt zu fragen, halte ich für schwierig. Mein alternativer Tipp: Man kann sich am Anfang ruhig auf Jobs bewerben, die einem nicht zu 100 Prozent zusagen. So hat man die Möglichkeit, Gespräche zu führen und den eigenen Marktwert zu testen. Wie viel wird mir geboten? Wie viel kann ich bei anderen verlangen?

SPIEGEL: Und, wie viel kann ich verlangen?

Walter: Berufseinsteigerinnen sollten für sich einen Korridor festlegen. Was möchte ich mindestens verdienen? Was hätte ich am Ende gern? Wie hoch wäre mein Traumgehalt? Ich würde empfehlen, in der schriftlichen Bewerbung eine Zahl zu nennen, die zwischen den ersten beiden Werten liegt. Im Gespräch sollten Bewerber dann nachfragen, welche Vergütungen es noch gibt: Wird Urlaubsgeld gezahlt? Gibt es Weihnachtsgeld, einen Zuschuss zur Altersvorsorge oder zum Nahverkehr?

Zu hohe Forderungen: eine Gefahr

SPIEGEL: Kann man sich mit einer zu hohen Forderung aus dem Rennen werfen?

Walter: Ja, wenn ein Kandidat mit seiner Forderung deutlich über dem liegt, was wir für eine Stelle zu zahlen bereit sind, kann es dazu kommen. Überspitzt gesagt: Einen Berufsanfänger, der 80.000 Euro Jahresgehalt fordert, lade ich gar nicht erst ein. Denn wenn der Gehaltswunsch des Kandidaten so weit von der Vorstellung des Unternehmens entfernt ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man im Laufe der Bewerbungsgespräche zu einer Einigung kommt, die beide Seiten glücklich macht.

SPIEGEL: Gibt man denn immer das Jahresgehalt an? Oder kann man auch in Monaten rechnen?

Walter: Man sollte das Jahresgehalt angeben, schon um böse Überraschungen zu vermeiden. Wer bei einer monatlichen Gehaltsforderung von 13 Gehältern ausgegangen ist, ist enttäuscht, wenn es doch nur zwölf gibt.

Ich plädiere übrigens dafür, nicht zwingend bei dem Unternehmen anzufangen, bei dem man am meisten verdient. Wer davon träumt, ins Ausland zu gehen, sollte lieber Ausschau nach einem international aufgestellten Unternehmen halten und dafür vielleicht ein bisschen weniger Verdienst in Kauf nehmen. Ob mich die Arbeit mit Glück erfüllt, hängt nicht vom Gehalt ab.

SPIEGEL: Nehmen wir an, ich werde zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Wie setze ich meine Gehaltsvorstellung auch durch?

Walter: Das erste Jobinterview, das man führt, ist natürlich immer das schwierigste – ganz unabhängig von der Gehaltsfrage. Wie immer gilt: Vorbereitung ist alles. Um ein Bewerbungsgespräch durchzuspielen, empfehle ich wieder den Freundeskreis der Eltern. Wenn man die Fragen mit der eigenen Familie übt, fehlt der Nervenkitzel. Im Bewerbungsoutfit der Freundin der Mutter gegenüberzusitzen, kommt einem richtigen Bewerbungsgespräch viel näher. Mit ihr kann ich auch die Gehaltsfrage besprechen – sie hat vielleicht selbst Erfahrung im Verhandeln.

Wenig Spielraum zu Beginn

SPIEGEL: Wie begründe ich gerade als Berufseinsteigerin meine Gehaltsvorstellung? Außer Praktika kann ich ja schlicht noch nicht viel vorweisen.

Walter: Die eigene Verhandlungsposition hängt am Anfang vor allem davon ab, wie gefragt das eigene Profil ist. Eine Softwareentwicklerin hat bessere Chancen auf ein üppiges Gehalt als ein Einzelhandelskaufmann. Aus meiner Erfahrung als Personaler muss ich ehrlicherweise sagen, dass es gerade für Berufsanfänger oft wenig Verhandlungsspielraum gibt. Vor allem in großen Konzernen sind die Gehaltsstrukturen fix.

SPIEGEL: Aber was, wenn mir das Angebot nicht zusagt?

Walter: Dann würde ich antworten: »Ich habe mir aber mindestens die Summe X vorgestellt« – und die Reaktion des Arbeitgebers abwarten. Mit den eigenen Qualifikationen oder besonderen Kenntnissen zu argumentieren, kann helfen. Nicht empfehlen würde ich, dem Gegenüber vorzurechnen, wie viel man zum Leben braucht, wie teuer die Miete ist oder wie viel der alte Fiat kostet.

Manchmal kommt zum Jahresgehalt außerdem eine variable Vergütung hinzu. Eine Autoverkäuferin sollte zum Beispiel fragen, ob sie pro verkauftem Auto einen fixen Betrag oder einen prozentualen Anteil erhält.

SPIEGEL: Wann kann ich das Thema Gehalt wieder bei meiner Chefin oder meinem Chef ansprechen?

Walter: Das Jahresgespräch ist ein guter Zeitpunkt – unter der Voraussetzung, dass es positiv verläuft. Generell sollte erst einmal ein Jahr vergehen, in dem man sich behaupten kann. Es reicht nicht, ein Projekt erfolgreich abgeschlossen zu haben, das rechtfertigt lediglich eine Sonderzahlung. Für mich als Personaler zählt vor allem, ob der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dauerhaft verantwortungsvollere Aufgaben übernimmt oder deutlich mehr an Erfahrung hinzugewonnen hat.

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