Familienunternehmerin aus Oberbayern »Sauna boomt einfach – gerade jetzt«

Saunabauerin Daria Reinbold: »Wir sind super dankbar, dass wir zu den Branchen gehören, denen es auch während Corona gutgeht«
Foto: Christine OlmaDer Raum ist fast leer. Daria Reinbold filmt an diesem Samstag im Dezember mit ihrer Handykamera ins Rund der Ausstellungsfläche. Man sieht eine Holzkabine, daneben ein paar Holzmuster, ansonsten: nichts. Im Fall von Daria Reinbold ist Leere ein Zeichen von Erfolg. Ihre Familie baut und verkauft Saunen – und das so erfolgreich wie selten zuvor in den mehr als 50 Jahren, seit das Familienunternehmen gegründet wurde.
Daria Reinbold, 30, bildet die dritte Generation im Saunabau-Betrieb Reinbold, den ihr Großvater Andreas 1964 im oberbayerischen Konstein aufgebaut hat. Rund um Konstein, Landkreis Eichstätt, gibt es vor allem Natur, Wallfahrtskirchen und den Blick auf die Burg Wellheim, der viele Radtouristen anlockt. Doch immer mehr Menschen kommen nicht nur zum Radeln: Sie fahren nach Konstein, um sich eine Sauna zu gönnen.
Sie reisen dann aus München an, aus Ingolstadt, den gut verdienenden Großstädten in der Region. Während der Corona-Pandemie, erzählt Reinbold, ließen sich viele Kundinnen und Kunden über Video zum Beratungsgespräch zuschalten, dann auch von weiter weg. In guten Wochen liefern die Reinbolds gerade zwei Saunakabinen aus, den Großteil an Privatkunden.
Etwa 30.000 Familienbetriebe stehen jedes Jahr vor einem Generationenwechsel, schätzt das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM). Künftig werden es wohl noch mehr werden: »In den kommenden Jahren, wenn der große Schwung der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen wird, werden auch die Unternehmensübergaben ansteigen«, sagt die IfM-Mittelstandsforscherin Rosemarie Kay. Daran werde auch Corona nicht viel ändern, mittelfristig zumindest.
Doch der Wechsel läuft selten ohne Konflikte ab. Wenn heute junge Chefs das Ruder übernehmen, dann sind das Digital Natives, aufgewachsen in einem vereinten Europa, mit größerem Bewusstsein für Klima und Umwelt. Sie wollen Traditionsunternehmen nachhaltiger, digitaler und zukunftsfähiger machen. Dazu kommt: In Zeiten der Globalisierung muss sich die junge Garde gegen Konkurrenten aus aller Welt behaupten. Und seit der Corona-Pandemie auch noch gegen eine neue Wirtschaftskrise.
Wie bewältigen junge Firmenchefs diese Herausforderungen?
Wie krempeln sie die Betriebe ihrer Eltern um – und zu welchen Schwierigkeiten führt das?
In der Reihe »Die neue Garde« stellt SPIEGEL Start Familienunternehmen vor, in denen jetzt die Jungen dran sind, und sucht Antworten auf diese Fragen.
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»Wir sind super dankbar, dass wir zu den Branchen gehören, denen es auch während Corona gut geht«, sagt Tochter Daria. Gewinner der Krise zu sein, das klinge immer blöd. In ihrem Fall jedoch trifft es durchaus zu. Kurzarbeit habe es für ihre momentan acht Mitarbeitenden bisher nicht gegeben. Und auch die Betriebsferien im vergangenen August seien von zwei Wochen auf eine verkürzt worden. Gearbeitet werde derzeit häufig auch an Samstagen – weil der Berg an Projekten sonst einfach nicht kleiner werde.
»Ich will nicht sagen, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, aber Hotels, Restaurants und Physiotherapeuten erleben gerade ganz andere Zeiten«, sagt Reinbold. »Sauna, Wellness und Gesundheit daheim boomt einfach – gerade jetzt.«
Deutschland ist Sauna-Hochburg
Und tatsächlich: In keinem Land der Welt saunieren absolut betrachtet so viele Menschen wie in Deutschland, etwa 10.000 öffentliche Saunaanlagen gibt es hierzulande. »Gerade das gemeinschaftliche Nacktschwitzen beider Geschlechter in der Trockensauna ist ein Stück deutscher Kultur«, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Sauna-Bundes, Rolf-Andreas Pieper, schon 2018 im SPIEGEL.
Mehr als 26 Millionen Menschen in Deutschland sind in ihrer Freizeit »häufig« oder »ab und zu« Gast in einer Sauna oder in einem Dampfbad, das zeigen Zahlen der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse aus dem vergangenen Jahr. Und auch die Sauna für zu Hause ist beliebt: Laut Sauna-Bund-Chef Pieper haben 1,7 Millionen Deutsche eine Sauna in den eigenen vier Wänden.
Und das, obwohl die Sauna hierzulande ein verhältnismäßig neues Phänomen ist. Erstmals fanden Saunen wohl während der Olympischen Spiele 1936 in Berlin Beachtung: Finnische Sportler baten damals um den Bau einer Sauna, um sich entspannen und so ihre körperliche Leistungsfähigkeit aufrechterhalten zu können. Nach dem Krieg eröffneten einige Veteranen, die das Saunabaden an der Ostfront kennengelernt hatten, erste Schwitzbäder in Deutschland.
Eine fixe Idee brachte die Sauna nach Oberbayern
Wie die Sauna in den Sechzigerjahren dann ins oberbayerische Konstein kam, kann auch Daria Reinbold nur schemenhaft nacherzählen. Ihr Großvater Andreas führte damals noch eine Tischlerei und bekam eines Tages einen besonderen Auftrag: Ein Heizungsbauer aus der Gegend, ein passionierter Saunagänger, hatte einen eigenen Saunaofen entwickelt – und bat Andreas Reinbold, sich um die Holzverkleidung zu kümmern. »Als die Leute merkten, wie wohltuend so eine Sauna sein kann, wollten auch andere in der Region eine haben«, sagt Daria Reinbold.
Die Sauna aus Oberbayern wurde zur Geschäftsidee. Andreas Reinbold baute seine Tischlerei um und spezialisierte sich auf den Saunabau. 30 Jahre später übergab er den Betrieb an seinen Sohn Albrecht. Dass auch Daria irgendwann von ihrem Vater übernehmen würde, war aber keineswegs immer klar.

Die Reinbolds: Albrecht, Andreas und Daria
Foto:Privat
Ihr Weg führte nach der Schule zunächst weg aus Oberbayern. Für das Marketing- und Kommunikationsstudium zog sie erst nach Friedrichshafen, später nach London und Berlin. »Ich bin froh, dass meine Eltern damals gesagt haben: Daria, geh raus in die Welt, schau dir das alles an, lerne neue Leute kennen«, sagt Reinbold. Nach dem Studium koordinierte sie in Berlin für eine Hotelagentur die PR-Arbeit. Als sie nach sieben Jahren keine Lust mehr aufs Stadtleben hatte, beschloss sie, nach Oberbayern zurückzukehren.
Ein halbes Jahr habe sie überlegt, ob sie den Schritt zurück nach Konstein und in die Selbstständigkeit wagen sollte, erinnert sich Reinbold. Am Ende entschied sie sich dafür.
Daria Reinbold
»Als ich meinen Freunden erzählte, dass ich die Firma übernehmen wollte, fragten nicht wenige: Wie kannst du das machen? Als Frau einen Handwerksbetrieb leiten?« Doch Reinbolds Entschluss stand fest: Seit 2018 lebt sie wieder in Konstein und arbeitet im elterlichen Betrieb mit. »Meine Bereiche sind Marketing, Kommunikation und Kundenmanagement. Ich möchte den Betrieb weiterentwickeln, vor allem digitalisieren«, sagt sie. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird sie die Firma ganz übernehmen, so der Plan. Und schon jetzt hat sie einiges verändert.
Auch Arbeit am Handy ist Arbeit
Dank Daria haben die Reinbolds inzwischen eine Internetseite für den Betrieb, Kundinnen und Kunden von außerhalb werden per Videochat durch die Werkstatt und an ihre neue Sauna herangeführt. Bei manchen Mitarbeitenden sei sie damit anfangs auf Vorurteile gestoßen, erzählt Reinbold: »Dass ich, wenn ich am Handy bin, auch arbeite, mussten einige erst mal verstehen.« Trotzdem sei ihr jetziger Job genau der richtige. »Hier kann ich Dinge ansprechen und gestalten, das wäre in meinem alten Job in zehn Jahren nicht möglich gewesen.«

Daria Reinbold mit Vater Albrecht in der Werkstatt
Foto:Privat
Eine Sache konnte Reinbold bislang allerdings nicht verändern: Die Tischlerei und auch der Saunabau seien tatsächlich eine Männerwelt, sagt sie. Sie würde gern mehr Schreinerinnen ins Unternehmen holen, gerade arbeiteten dort nur Männer. Die letzte Frau sei nach kurzer Zeit wieder gegangen: zu Audi. »Es gab Zeiten, Mitte der Neunziger, da ist die halbe Belegschaft Richtung Ingolstadt gezogen. Dort wird einfach besser bezahlt.«
Wer kauft momentan eine Sauna?
Gerade sind die Zeiten besser, es läuft gut bei Reinbold Saunabau – und das mitten in der Coronakrise. Wie schafft man es, Menschen Luxus zu verkaufen, wenn gerade viele nicht an Luxus denken können?
»Wir profitieren natürlich von all denen, die seit Monaten im Homeoffice sitzen und Entspannung brauchen oder etwas für ihre Gesundheit tun wollen«, sagt Reinbold. Die Kunden wünschen sich dann zum Beispiel eine Sauna mit direktem Zugang zu Wohn- oder Schlafzimmer, sie wollen aus der Sauna Fußball schauen oder nach der Dusche direkt im Bett entspannen. LED-Farblichter, Musikanlage, Sternenhimmel: »Wir können einiges bieten«, sagt Reinbold. Bei etwa 8500 Euro gehe es los, nach oben hin sei alles offen.
Und wenn die Corona-Pandemie irgendwann vorbei ist und der Sauna-Boom abflaut? »Dann haben wir den kreativen Anspruch, als Betrieb innovativ zu denken und das Geschäftsmodell anzupassen«, sagt Daria Reinbold.
Einen Bürojob in der Großstadt will sie jedenfalls nicht mehr: »Ich habe hier zu Hause eine Sauna. In Berlin oder London wäre das wahrscheinlich nie denkbar gewesen.«