Berufseinstieg als Justizvollzugsbeamtin »Mulmig war mir bei der Arbeit noch nie«

Über Umwege landete Franziska Regusewicz beruflich im Knast: Als Justizvollzugsbeamtin betreut sie Gefangene. Hier erzählt sie, was sie an ihrem Job liebt – und wie sich weibliche und männliche Insassen unterscheiden.
Aufgezeichnet von Benjamin Ansari
Justizvollzugsbeamtin Regusewicz: »Dass ich einmal beruflich im Gefängnis landen würde, hätte ich früher nie gedacht«

Justizvollzugsbeamtin Regusewicz: »Dass ich einmal beruflich im Gefängnis landen würde, hätte ich früher nie gedacht«

Foto: Barbara Deifel

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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Franziska Regusewicz, 24, arbeitet seit August als Justizvollzugsbeamtin auf Probe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim in München.

Mein erstes Jahr im Job

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Zur Serie

»Bitte nennt uns nicht Gefängniswärter oder gar ›Schließer‹. Als Justizvollzugsbeamte kümmern wir uns nicht nur ums Auf- und Abschließen der Türen in der JVA, sondern um die ganze Versorgung, die Betreuung und Beaufsichtigung der Gefängnisinsassen.

Dass ich einmal beruflich im Gefängnis landen würde, hätte ich früher nie gedacht. Zwar war mein Opa JVA-Beamter in Hessen, meine Mutter hatte als Kind mit ihm auf dem JVA-Gelände gelebt und erzählte ab und zu davonich selbst hatte aber keinen Bezug zu dem Job. Nach Realschulabschluss und Auslandsaufenthalt machte ich erst mal eine Ausbildung zur Medienkauffrau und arbeitete eineinhalb Jahre in dem Beruf – bis ich realisierte, dass ich nicht mein ganzes Berufsleben am Schreibtisch sitzen will.

Ich wollte mehr Abwechslung – und hatte plötzlich doch den Wunsch, mehr zu erfahren über den Alltag im Gefängnis und die persönlichen Schicksale der Insassen. Also bewarb ich mich für die Ausbildung zur JVA-Beamtin. Der Bewerbungsprozess war nicht ganz einfach, ich musste wie alle bayerischen Beamtenanwärter erst den sogenannten LPA-Test bestehen, der Allgemeinwissen abfragt, dazu noch einen Sporttest, ein Einzel- und Gruppengespräch sowie einen weiteren Eignungstest.

»Weibliche Gefangene haben andere Wünsche, etwa was Kosmetik und Hygiene anbelangt – und auch mehr Redebedarf.«

Die Ausbildung dauerte 18 Monate: An der Justizvollzugsakademie in Straubing hatte ich Theoriefächer wie Sozial- und Vollzugspädagogik, Psychologie, Straf- und Strafprozessrecht, außerdem lernte ich den Umgang mit Schusswaffen und die waffenlose Selbstverteidigung. Den praktischen Teil absolvierte ich an den JVA in Landshut und Regensburg, da lief ich mit den Ausbildern mit, übte etwa die Kontrolle von Hafträumen und Gefangenen.

Im Frauenvollzug in München

Mein jetziger Arbeitsort, die JVA München-Stadelheim, ist mit 1300 Insassen und 660 Beamten eines der größten Gefängnisse Deutschlands. Seit August 2022 arbeite ich hier als Beamtin auf Probe in der Frauenabteilung. Dort sitzen 150 Frauen ein, sogar eine Abteilung für Mütter mit Kind gibt es. Wir Frauen sind hier unter uns, Männer dürfen nicht im Frauenvollzug arbeiten. Auch sonst ist der Job als JVA-Beamter kein typischer Männerberuf mehr, in meinem Ausbildungsjahrgang waren etwa 30 Prozent der Anwärter weiblich.

Ob man im Frauen- oder Männervollzug arbeitet, unterscheidet sich durchaus: Weibliche Gefangene haben andere Wünsche, etwa was Kosmetik und Hygiene anbelangt – und auch mehr Redebedarf, vor allem wenn es Probleme zwischen den Gefangenen gibt. Männer schweigen Konflikte eher in sich rein oder klären es unter sich, so meine Erfahrung.

Als Berufseinsteigerin erhalte ich in der Besoldungsgruppe A7 ein Grundgehalt von 2700 Euro brutto. Dazu kommen die sogenannte Justizvollzugszulage von 170 Euro, auch Gitterzulage genannt, sowie Schichtzuschläge: Wer mehr Nacht- und Wochenenddienste macht, kriegt auch mehr raus. Im Schnitt lande ich so bei etwa 2600 netto monatlich, damit bin ich sehr zufrieden.

Arbeitsalltag im Schichtbetrieb

Als JVA-Beamter arbeitet man im Schichtbetrieb. Einen festen Arbeitsalltag gibt es nicht, gerade als Neuling rotiere ich viel durch. Jeder Tag ist daher anders, das liebe ich an dem Job.

In der Frühschicht drehe ich um 6 Uhr morgens eine Runde und sperre alle Zellen auf. Meist trinken die Gefangenen dann zusammen Kaffee oder rauchen eine Zigarette, bevor sie zur Arbeit ausrücken. In Bayern dürfen Untersuchungsgefangene arbeiten, Strafgefangene müssen es, wenn sie nicht im Rentenalter sind. Unsere Insassen arbeiten zum Beispiel in einer Schneiderei oder übernehmen Putzdienste. Gegen Mittag prüfe ich dann die Zellen von innen, Tür, Gitter, Fenster und Klo, schaue, dass alles aufgeräumt und sauber ist, sich die Wäsche nicht türmt und keine Waffen oder Drogen im Raum versteckt sind.

Im Spätdienst kümmere ich mich um den Hofgang: Eine Stunde täglich dürfen die Gefangenen an die frische Luft. Danach ist Aufschlusszeit, die Insassen dürfen kochen, duschen, alte Wäsche tauschen oder mit persönlichen Anliegen zu uns ins Stationsbüro kommen.

»Eine Waffe trage ich bei der Arbeit nie. Waffen sind in der ganzen Anstalt verboten.«

Im Nachtdienst prüfen wir mit Kontrollrunden, dass alle Zwischentüren auch wirklich zu sind und alle die Nachtruhe wahren. Das mag entspannt klingen – doch mitunter sind die Nächte sehr unruhig, wenn etwa neue Insassen angekommen sind, die wegen kleiner Anliegen wie einer Kopfschmerztablette den Notrufknopf drücken.

Eine Waffe trage ich bei der Arbeit nie. Waffen sind in der ganzen Anstalt verboten. In den Wachtürmen bewahren wir zwar Gewehre auf, doch auf den Stationen tragen wir nur Schlüsselbund und Alarmgerät. Droht Gefahr, drücke ich auf den Knopf, liege ich am Boden, löst das Gerät automatisch Alarm aus. Gebraucht habe ich es noch nie – Kollegen allerdings schon, als Gefangene aggressiv wurden und sie bedrohten.

So was passiert aber sehr selten. Kleine Konflikte kommen natürlich vor, aber die meisten Insassen wissen selbst, dass wir nicht an ihrer Misere schuld sind. Auch hängen in den Gebäuden Kameras. Mulmig war mir bei der Arbeit jedenfalls noch nie – auch wenn Freunde oft skeptisch auf den Job blicken. Vorsicht schadet aber natürlich nicht.

Der Umgang im Knast ist meist freundlich distanziert. Nur mit genug Distanz können wir unserer Vorbildfunktion gerecht werden: Wir wollen die Insassen resozialisieren, sodass sie draußen wieder in einen geregelten Alltag zurückfinden und sozial verantwortlich handeln. Das heißt auch: Räume ich selbst mein Büro nicht auf, kann ich auch nicht vom Gefangenen erwarten, dass er seine Zelle sauber hält. Wir JVA-Beamte müssen mit gutem Beispiel vorangehen.«

Wie wird man Justizvollzugsbeamt:in?

Als Justizvollzugsbeamt:in geht man freiwillig ins Gefängnis – um dort Geld zu verdienen. Vorher muss man die Ausbildung zum Beamten/zur Beamtin im mittleren Justizvollzugsdienst  schaffen, sie dauert eineinhalb bis zwei Jahre. Dafür braucht es je nach Bundesland den mittleren Bildungsabschluss, teils reicht auch schon der Hauptschulabschluss.

Der theoretische Teil der Ausbildung findet in Justizvollzugsschulen statt, der praktische in Justizvollzugsanstalten. Währenddessen verdienen die Beamtenanwärter:innen je nach Bundesland zwischen 1259 und 1368 Euro brutto.  Obendrauf kommen eventuell Zulagen.

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