
Feedback geben im Job So sagen Sie, was nervt – aber konstruktiv


Es liegt an dir, nicht an mir: Kritik üben will gelernt sein (Symbolbild)
Foto: Francesco Carta / Getty ImagesAller Anfang ist schwer. Das gilt für Beziehungen, das Leben in einer neuen Stadt und natürlich auch den Berufseinstieg. Wie etabliere ich mich im Team, ohne mich selbst aufzugeben? Wie beweise ich, was ich draufhabe, ohne die Ellenbogen auszufahren? Und ab wann kann ich eigentlich ein Sabbatical verlangen?
Über diese und ähnliche Themen schreibt in dieser Kolumne Jeannine Budelmann, Jahrgang 1986. Sie ist kaufmännische Geschäftsführerin von HANZA Tech, einem Unternehmen, das industrielle Elektronik entwickelt und herstellt. Außerdem berät sie als Coachin bei Problemen im Berufsleben.
Ich vergesse ziemlich häufig Dinge. Das meine ich nicht böse. Aber es passiert. Und so habe ich Anfang dieses Jahres vergessen, ein Mitarbeitergespräch zu führen. Der Mitarbeiter ist erst ein paar Monate in unserem Team, wir kennen uns also noch nicht gut. Deshalb hat er sich nicht getraut, mich darauf anzusprechen. Ich kann das nachvollziehen. Einen Vorgesetzten auf Fehler anzusprechen benötigt einen gewissen Mut. Gleichzeitig weiß ich aus der anderen Perspektive, wie unangenehm es als Vorgesetzte sein kann, Mitarbeiter:innen auf Probleme anzusprechen.
Um diese Scheu zu überwinden, hilft eine Feedback-Methode, die aus dem Coaching kommt. Coaches machen ihre Klient:innen mithilfe dieser Technik auf problematische Verhaltensmuster aufmerksam – und zeigen auf, welche Auswirkungen diese haben. Darauf aufbauend können die Klient:innen dann an ihrem Verhalten arbeiten. Was im Coaching hilft, funktioniert auch im Berufsalltag.
Gutes Feedback hat eine Struktur
Bevor Sie sich jedoch ungefragt zum persönlichen Coach Ihrer Kolleg:innen aufschwingen, erst einmal die wichtigste Regel: Holen Sie sich immer die Erlaubnis ein, bevor Sie ein Feedback geben! Ein unerlaubtes Feedback kann (zu Recht) als Grenzüberschreitung wahrgenommen werden. Fragen Sie ganz einfach: »Darf ich dir ein Feedback geben?« Meist wird die Person bejahen. Wenn nicht, versuchen Sie es zu einem etwas späteren, entspannteren Zeitpunkt noch einmal.
Wenn Sie loslegen wollen, ist es wichtig, dem Gegenüber nicht direkt alles vor die Füße zu kippen. Dem ständig verspäteten Kollegen also nicht zu sagen: »Wir sitzen alle hier und warten nur auf dich. Das nervt!« Für ein professionelles Feedback folgen Sie stattdessen folgender Struktur:
Ich nehme wahr: Hier nennen Sie eine Beobachtung, die Sie gemacht haben, und formulieren diese möglichst neutral. Je konkreter, desto besser. In unserem Beispiel also: »Ich habe wahrgenommen, dass du zu unserer Besprechung, die heute für 9.30 Uhr angesetzt war, zu spät gekommen bist« oder: »Mir ist aufgefallen, dass ...«
Daraus leite ich ab: Im nächsten Schritt kommt Ihre persönliche Interpretation ins Spiel. Damit Ihr Gegenüber nicht in eine Abwehrhaltung gerät, ist es sehr wichtig, beide Stufen deutlich zu trennen. Also weiter: »Daraus leite ich ab, dass dir dieses Treffen nicht besonders wichtig ist.« Oder: »Bei mir entsteht dadurch der Eindruck, dass ...«
Ressourcenorientierung: Dieser Schritt fällt bei einem positiven Feedback deutlich leichter, ist aber auch bei einem negativen Feedback wichtig, weil man dem Gespräch ein positives Ende geben kann. Es geht darum, aus dem beschriebenen Problem etwas Konstruktives abzuleiten, mit dem die Person weiterarbeiten kann. Überlegen Sie sich also, welche positiven Eigenschaften und Fähigkeiten ihr:e Kolleg:in mitbringt – und inwiefern die helfen könnten, das Problem zu lösen. Im Beispielfall wäre beispielsweise denkbar: »Ich habe dich als gewissenhafte Person kennengelernt, der Teamarbeit wichtig ist. Die steht auch bei unseren Besprechungen an erster Stelle.«
Wahrscheinlich hatte besagte:r Kolleg:in ganz banale Gründe, zu spät zu kommen: etwa enge Kitabetreuungszeiten oder einen regelmäßigen Termin, der immer genau bis 9.30 Uhr geht. In jedem Fall bietet das Feedback einen Einstieg, konstruktiv daran zu arbeiten, dass es künftig besser läuft. Grundsätzlich gilt: Für ein Feedback sollten Sie sich Zeit nehmen – aber gleichzeitig möglichst bald das Gespräch suchen.
Beobachtungsfallen
Wer Feedback nach dieser Technik gibt, vermeidet es, im Eifer des Gefechts emotional und subjektiv Kritik zu üben. Gerade im beruflichen Kontext ist das wichtig, schließlich wollen Sie Kolleg:innen nicht einfach anschnauzen. Doch bei aller vermeintlichen Objektivität: Auch hier lauern Fallen, die eine objektive Einschätzung der Situation erschweren – und die man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man seine vermeintlich objektive Wahrnehmung kommuniziert:
Sympathie/Antipathie: Wenn ich eine Person besonders sympathisch finde (oder das Gegenteil), bin ich häufig voreingenommen. Vielleicht ist eine andere Kollegin ebenfalls oft unpünktlich – weil Sie sich mit ihr gut verstehen, fällt Ihnen das aber nicht auf?
Halo-Effekt: Ein auffälliges Merkmal überstrahlt alle anderen Merkmale. Kann heißen: Der verspätete Kollege ist vielleicht nur besonders geräuschvoll, wenn er durch die Tür zur Besprechung kommt. Seine Kollegin hingegen ist der leise Typ, ihr Zuspätkommen zieht so weniger Aufmerksamkeit auf sich.
Sich selbst erfüllende Prophezeiung: Es gibt inzwischen gut gesicherte Erkenntnisse , dass sich Menschen häufig so verhalten, wie man es von ihnen erwartet. Teams, deren Führungskräfte hervorragende Leistungen erwarten, liefern nachweislich bessere Leistungen als fachlich genauso leistungsstarke Teams, deren Führungskräfte eine schlechte Leistung erwarten.
Feedback zu üben lohnt sich. Wer schon zu Beginn des Arbeitslebens damit anfängt, wird es mit der Zeit wesentlich einfacher finden, unangenehme, aber auch angenehme Situationen anzusprechen. Und so seine Nerven zu schonen.