Wie eine Bewerbung aussehen sollte »Es gibt Firmen, die akzeptieren eine WhatsApp-Nachricht«

Videos statt Lebenslauf: Wie sehen die Bewerbungen der Zukunft aus?
Foto: Gorodenkoff Productions OU / iStockphoto / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Viele Unternehmen beklagen schon heute einen Fachkräftemangel. Wenn die Babyboomer in den kommenden Jahren in Rente gehen, wird er sich in einigen Branchen noch einmal verstärken. Schul- und Studienabgänger:innen werden also händeringend gesucht. Was bedeutet das eigentlich für den Bewerbungsprozess? Müssen sich Unternehmen bald bei jungen Menschen bewerben – nicht andersrum?
In den USA macht die Social-Media-Plattform TikTok vor, wie sich Verfahren künftig verändern könnten. »TikTok Resumes« heißt das Pilotprojekt, bei dem sich Jobsuchende mit einem kurzen Video bei Unternehmen bewerben konnten. Auch in Deutschland gibt es Versuche, soziale Netzwerke für Recruiting-Zwecke einzusetzen. Die Deutsche Bahn, die Bundeswehr oder die Polizei etwa nutzten bereits Filter und Effekte auf Plattformen wie Instagram, um potenzielle Bewerber:innen zu erreichen.
Davon könnten wir in Zukunft mehr sehen, sagt Daniela Eisele-Wijnbergen, Professorin für Personalmanagement. Sie glaubt, dass einige Firmen zwangsläufig kreativer werden müssen – und sich Bewerber:innen schon jetzt auf die Veränderungen einstellen können.
SPIEGEL: Das Projekt »TikTok Resumes« war auf die USA begrenzt. Sind ähnlich innovative Bewerbungsprozesse auch in Deutschland denkbar?
Eisele-Wijnbergen: Hierzulande trauen sich nur einige wenige namhafte Unternehmen zu experimentieren. Sie nutzen zum Beispiel Chatbots, mit denen Bewerber:innen Fragen zur Arbeitskultur oder zum Bewerbungsprozess stellen können: Wie viele Jobs habt ihr? Könnte ich mit meinen Qualifikationen passen? Der Bot durchsucht die Nachrichten nach Schlagworten, etwa bestimmten Abschlüssen, erkennt, welche Kompetenzen dahinterstecken, schlägt in seinen Antworten passende Stellen vor und leitet dann zur Seite für Onlinebewerbung weiter.
Manche Chatbots schrecken allerdings ab, weil sie auf viele Fragen entweder gar keine Antwort liefern oder nur eine wenig hilfreiche Standardantwort. Das wird sich noch ändern. Bots könnten in Zukunft die Vorauswahl von Bewerber:innen übernehmen, etwa anhand von Noten.
SPIEGEL: Das klingt, als würde die gute alte Papierbewerbung langsam, aber sicher aussterben.
Eisele-Wijnbergen: Ich hoffe es! Schon als ich mich in den Neunzigerjahren mit meiner eigenen Website beworben habe, dachte ich, dass es bald keine Papierbewerbungen mehr geben würde. Doch noch heute berichten mir Studierende, dass sie ihre Unterlagen gern persönlich beim Unternehmen abgeben. Das sei für sie ein Ritual. Ich finde unnötiges Papier im Geschäftsleben befremdlich. Es kostet mehr Zeit und Geld. Das Ziel von Personaler:innen, geeignete Informationen über Bewerber:innen zu erhalten, kann man damit auch nicht besser erreichen.
Manchen Firmen reicht WhatsApp
SPIEGEL: Nehmen wir an, ein Chatbot hat mich auf die Bewerbungs-Webseite eines Unternehmens weitergeleitet. Muss ich dort nach wie vor Anschreiben und Lebenslauf hochladen – oder gibt es auch da neue Formen?
Eisele-Wijnbergen: Als Alternative zu Anschreiben und Lebenslauf werden teilweise schon jetzt Videos eingesetzt, in denen Bewerber:innen festgelegte Fragen beantworten. Zum Beispiel: Warum bewerben Sie sich bei uns? Warum sind Sie die Richtige für die Stelle? Oft kommen diese Frageformate aber erst im zweiten Schritt nach der Vorauswahl zum Einsatz.
Grundsätzlich wird die Bandbreite im Bewerbungsprozess immer größer. Inzwischen gibt es Firmen, die akzeptieren eine WhatsApp-Nachricht, in der jemand in einem Satz sein Interesse an einem Job bekundet oder nach einem Probearbeitstag fragt. Das sind meist Firmen, die Schwierigkeiten haben, überhaupt jemanden zu finden.
SPIEGEL: In welchen Branchen ist das der Fall?
Eisele-Wijnbergen: In der Pflege oder im IT-Bereich können schon heute häufig nicht alle Einstiegsstellen besetzt werden. Hier müssen Unternehmen neue Wege finden, um Personal zu gewinnen. Ich kenne trotzdem viele, die nur Stellenanzeigen schalten oder auf analogen Jobmessen unterwegs sind. Das wird in Zukunft nicht mehr reichen.
Es gibt aber andere Bereiche, die haben kein Problem, neues Personal zu finden – duale Studienplätze für Business Administration oder International Management bei Großkonzernen sind extrem gefragt. Dort werden sich auch in Zukunft ohne großen Aufwand seitens des Unternehmens viele junge Menschen bewerben. Die Lücke wird also immer weiter auseinanderklaffen: Standardprozesse einerseits, kreative Recruiting-Modelle andererseits.
Keine Zeit mehr mit Lebensläufen verschwenden
SPIEGEL: Wie kann ich mich als Bewerber:in auf die sich verändernden Prozesse einstellen?
Eisele-Wijnbergen: Viele Unternehmen nutzen bei Onlinebewerbungen bereits sogenannte One-Klick-Prozesse. Das heißt, Bewerber:innen können Daten von ihrem Xing- oder LinkedIn-Profil direkt übernehmen. Deshalb würde ich raten, sich ein gut gepflegtes Profil in einem Business-Netzwerk anzulegen und keine Zeit mit der Dateneingabe zu verschwenden. Der Fokus sollte auf dem Motivationsschreiben oder einem Video liegen.
SPIEGEL: Was muss ich bei Chatbots oder WhatsApp beachten?

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Eisele-Wijnbergen: Hinter Chatbots steckt eine KI, sie scannt zum Beispiel den Lebenslauf und bringt ihn mit ausgeschriebenen Stellen zusammen. Damit sich die richtigen Matches ergeben können, müssen Bewerber:innen im Lebenslauf auf die korrekte Benennung der Stationen achten und möglichst verbreitete Schlüssel- und Schlagworte verwenden.
Eine Bewerbungsmöglichkeit per WhatsApp bedeutet, dass die Unternehmen die erste Hürde sehr gering halten möchten. Hier genügt es, in einer kurzen Nachricht die wesentlichen Vorzüge der eigenen Person zu beschreiben, Interesse an der Stelle zu bekunden und nach dem weiteren Ablauf zu fragen.
SPIEGEL: Und brauchen wir jetzt alle Kameratrainings für eventuelle TikTok-Bewerbungen?
Eisele-Wijnbergen: Für Videos allgemein werden Trainings üblich werden, ja. Die meisten Menschen kommen nicht mehr umhin, viel per Video zu kommunizieren. Das gilt nicht nur für Bewerbungen. An unserer Hochschule machen wir jetzt zum Beispiel ein Kameratraining für die Lehrenden, um unser Wissen später an die Studierenden weitergeben zu können.