Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Mathematik gewusst hätte

Gutes Einstiegsgehalt, viele Jobangebote: Mathematiker sind gefragt. Aber was wird gefordert? Die Studentin Alice Rolf erklärt ihr Fach – und gibt drei nützliche Tipps.
Aufgezeichnet von Lisa Srikiow
Das Mathestudium beinhaltet auch viele Gruppenübungen, dann arbeitet man zum Beispiel gemeinsam an der Tafel (Symbolbild)

Das Mathestudium beinhaltet auch viele Gruppenübungen, dann arbeitet man zum Beispiel gemeinsam an der Tafel (Symbolbild)

Foto: Anchiy / E+ / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die 30 beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020, die beiden Fächer »Wirtschaftsingenieurwesen mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt« und »Wirtschaftsingenieurwesen mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt« haben wir zusammengefasst.

App, Software, Suchmaschine – all das funktioniert dank mathematischer Algorithmen. Dass wir als Gesellschaft auf Mathematikerinnen und Mathematiker angewiesen sind, erleben wir gerade besonders deutlich: In der Coronakrise beraten sie Politiker und berechnen zum Beispiel anhand von Modellierungen die Infektionswellen. Auch weil sie analytisch und logisch denken und schon im Studium gelernt haben, knifflige Aufgaben zu lösen, sind Mathematikerinnen auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt.

Alice Rolf ist 20 Jahre alt und studiert Mathematik in Münster, gerade hat sie mit ihrem Master begonnen. Sie sagt, für ein Mathestudium reicht nicht nur Talent. Was wirklich zählt: sich gegenseitig unterstützen und durchhalten, wenn es frustrierend wird.

Die Entscheidung fürs Mathestudium

»Ich fing nach dem Abitur an, Physik mit Mathematik im Nebenfach zu studieren. Aber schon im ersten Semester merkte ich, dass mir Mathe viel mehr Spaß macht – weil man sich darin grundlegendere Fragen stellt, die man aus der Schule oder dem Alltag nicht kennt. Ein Beispiel: Warum hat Pi unendlich viele Nachkommastellen?

Ich war überrascht, wie sehr sich das Studium von dem unterscheidet, was man in der Schule lernt. Eine typische Fragestellung im Schulunterricht lautete zum Beispiel: Berechne die Hoch- und Tiefpunkte dieser ganz bestimmten Funktion. An der Universität liegt der Fokus nicht mehr auf dem Rechnen. Wir fragen uns: Was ist überhaupt eine Funktion? Mit welcher Funktion kann ich überhaupt bestimmen, ob es Hoch- und Tiefpunkte gibt? Zirkel, Lineale, Taschenrechner – das alles braucht man im Studium eher selten. Die wichtigsten Arbeitsmittel sind Stift und Papier.«

Formale Voraussetzungen für ein Mathematik-Studium:

  • Wer an einer Universität studieren möchte, benötigt in der Regel das Abitur ; für Fachhochschulen mindestens die Fachhochschulreife. Ein Numerus Clausus  (NC) wird nur selten vorausgesetzt.

  • Je nach Hochschule kann es auch ein gesondertes Auswahlverfahren geben.

Was man sonst noch mitbringen sollte: Man muss in der Schule kein absolutes Mathe-Ass gewesen sein – Freude am Lösen kniffliger Aufgaben sollte man aber haben. Auch Durchhaltevermögen und Ausdauer sind wichtig: Es kann sein, dass man mehrere Tage an einer einzigen Aufgabe arbeitet.

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Das Mathematik-Studium ist anstrengend, man sollte nicht zu entspannt rangehen. Ich würde sagen, drei Viertel sind Fleiß, ein Viertel Talent. Neben den Vorlesungen gibt es auch Übungen, für die man Aufgaben innerhalb einer Woche bearbeiten muss – und das jede Woche. An manchen Aufgaben arbeite ich fünf Stunden, und zusätzlich muss ich noch die Inhalte der Vorlesungen wiederholen.

Die Übungszettel sind dafür gedacht, sie mit anderen im Team zu diskutieren. Nicht nur, weil es dann schneller geht, sondern auch, weil wir uns gegenseitig neue Lösungswege aufzeigen und uns motivieren. Dabei schreibt und malt man auch öfter mal an die Tafel. Als ich im Sommer kurz an der Uni war, stand da immer noch ein Tafelbild, das ich mit einem Kommilitonen kurz vor Corona erstellt hatte.«

Typische Pflichtmodule: Analysis, Lineare Algebra, Numerik, Stochastik

Wahlmöglichkeiten: Differentialgeometrie, Funktionalanalysis, Algebra, Topologie, Logik

»Ich kann nur jedem raten, aktiv auf andere zuzugehen und sich eine gute Lerngruppe aufzubauen – mit Kommilitoninnen und Kommilitonen aus der Orientierungswoche, der Fachschaft oder der Übung. Außerdem sollte man sich nicht scheuen, den Übungsleitern viele Fragen zu stellen. Oft läuft es so: Sobald sich eine Person traut, den Dozenten etwas zu fragen, folgen ganz schnell die Nächsten. Übrigens: Auch wenn das Studium fordernd ist – es bleibt Zeit für andere Interessen. Ich spiele gern Impro-Theater, das habe ich auch trotz des vielen Lernens geschafft.«

»In einem Mathestudium bauen alle Semester aufeinander auf. Oft kann man aber ab dem dritten Semester anfangen, die Vorlesungen frei zu wählen und sich so zu spezialisieren. Mir hat die Vorlesung Topologie II aus dem Gebiet der theoretischen Mathematik viel Spaß gemacht. Ziel in der Topologie ist es, sogenannte topologische Räume zu klassifizieren. Dazu gehören zum Beispiel Kugeln, Donuts, Tassen oder Möbiusbänder. Ein Möbiusband entsteht, wenn man einen schmalen Streifen Papier einmal verdreht und dann zusammenklebt. Topologie baut also auf Geometrie auf, aber auch auf der Mengenlehre.

Theoretische Mathematik hat für mich auch etwas von Kunst. Manche Beweise und Beweismethoden empfinde ich als sehr elegant. Ich denke da zum Beispiel an den Beweis der Irrationalität von Wurzeln aus dem Vorkurs.«

Berufsaussichten nach dem Studium

»Ich habe mir vorgenommen, nach dem Master im Bereich der Topologie zu promovieren und dann in die Forschung zu gehen. Mathematikerinnen und Mathematiker haben aber auf dem Arbeitsmarkt auch sonst gute Chancen. Das berichten unsere Dozentinnen und auch ältere Kommilitonen. Ich denke, das liegt daran, dass Mathematiker gewohnt sind, logisch zu denken und Probleme systematisch zu lösen – und sie bringen eine hohe Frustrationstoleranz mit.«

Branchen und Gehälter:

Mit der zunehmenden Digitalisierung und der wachsenden Bedeutung von künstlicher Intelligenz, Datensätzen und Algorithmen ist auch das Arbeitsfeld  für Mathematikerinnen und Mathematiker gewachsen. Sie arbeiten etwa als Datenanalytiker , in Unternehmensberatungen, bei Marktforschungsinstituten oder im Bereich Risikoermittlung für Versicherungem.

Berufseinsteiger verdienen laut dem Stepstone-Gehaltsreport  durchschnittlich 48.231 Euro brutto im Jahr.

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