Berufseinstieg als Modedesignerin »In meiner Branche kommt es bei Bewerbungen nicht auf die Noten an«

Designerin Ludes modelt auch selbst: »Bei Fashion Weeks kann man gut Kontakte knüpfen«
Foto: Dascha HaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Lena Ludes, 26, hat an einer Modeschule eine Ausbildung zur »Internationalen Fashion Designerin« gemacht und arbeitet jetzt auf Malta bei einem Label, das Brautmode und Kleider für besondere Anlässe in Handarbeit herstellt.
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»Meinen Abschluss an der Modeschule habe ich während der Coronapandemie gemacht, im April 2020. Ein eigenes Label wollte ich nicht gleich gründen, sondern erst einmal als Angestellte bei einem etablierten Designer Erfahrungen sammeln. Ich wusste: Jetzt, mitten in der Krise, einen festen Job zu finden, wird schwer. Mit etwas Eigeninitiative gelang es mir aber – sogar in einem anderen Land.
Initiativbewerbung als Modedesignerin
Zwei Modelabels fand ich, die mir gut gefielen. Keines von beiden hatte eine Stelle ausgeschrieben. Ich bewarb mich trotzdem und schickte mein Portfolio mit Arbeitsproben an beide.
Einer der beiden Designer hat gar nicht auf meine Initiativbewerbung geantwortet. Die andere Designerin schon. Ihr Label gibt es seit drei Jahren, es hat zehn Mitarbeiter:innen und stellt Braut- und Festmoden als Maßanfertigungen her. Auf Malta ist es recht bekannt. Sie wollte mich einstellen – erst einmal als Praktikantin, unbezahlt.
Das kam für mich aber nicht infrage. Ich hatte meinen Abschluss von der Modeschule und wusste, was ich kann. Also sagte ich, dass ich für ein Praktikum bezahlt werden wollte. Sie stimmte zu. Ich bekam nicht viel, aber immerhin ein bisschen Geld.
Meine Chefin merkte schnell, dass ich eine gute Hilfe war. Zwei Monate nach Beginn meines Praktikums bot sie mir eine feste Stelle an. Mittlerweile arbeite ich seit rund einem Jahr dort. Ich nähe, designe und fertige Illustrationen für die Entwürfe an. Dafür bekomme ich acht Euro die Stunde, in einem normalen Monat komme ich auf rund 900 Euro brutto. Auf Malta liegt der Mindestlohn bei 4,53 Euro . Das Leben hier ist in vielen Bereichen günstiger als in Deutschland: Die Mieten und die Krankenkassenbeiträge sind niedriger und ich zahle momentan keine Steuern, weil ich mit meinem Gehalt unter der Freigrenze liege.
Mir ist es wichtiger, Berufserfahrung zu sammeln und dazuzulernen, als viel Geld zu verdienen. In meiner Branche kommt es bei Bewerbungen nicht so sehr auf die Noten an, sondern auf das Portfolio: Was hat man in der Ausbildung und danach gemacht? Welche Arbeitsproben kann man vorweisen?
Entscheidung für die Modeschule
In kreativen Dingen war ich schon immer gut. In meiner Schulzeit habe ich nachmittags eine Kunstschule besucht und gelernt, mit Öl-, Acryl- und Aquarellfarben zu malen. Auch Mode hat mich schon immer interessiert, deshalb bewarb ich mich an einer berufsbildenden Modeschule in Düsseldorf . Dazu brauchte ich eine Mappe, aber ich hatte immer so viel gezeichnet und gemalt, dass ich dafür keine neuen Arbeitsproben anfertigen musste.

Eines von Ludes' Gemälden
Foto: Lena LudesIn der Ausbildung haben wir so ziemlich alle Arbeitsschritte vom Entwurf eines Kleidungsstücks bis hin zum Marketing gelernt. Wir haben gezeichnet, genäht und fotografiert. Vom Nähen hatte ich anfangs überhaupt keine Ahnung, jetzt könnte ich es fast im Schlaf.
Neben der Modeschule habe ich als Verkäuferin in Modegeschäften gearbeitet und ein Praktikum bei einem Label auf Bali gemacht. Außerdem habe ich für einen befreundeten Designer gemodelt, bin außerdem bei den Fashion Weeks auf Malta und in Paris für kleinere Labels gelaufen. Bei solchen Events kann man gut Kontakte knüpfen.
An die Arbeit mit direktem Kontakt zu Kund:innen musste ich mich erst einmal gewöhnen. Ich wusste nicht, welche Fragen ich ihnen stellen muss und kannte die Abläufe noch nicht. Ein Kleidungsstück für eine echte Kundin anzufertigen, ist etwas ganz anderes, als es an der Modeschule zu entwerfen und zu nähen.
Von der Wunschvorstellung zum Kleid
Meine Chefin, die Hauptdesignerin, entwirft auch eigene Kollektionen. Aber bei den Maßanfertigungen haben die Kundinnen das letzte Wort. Mit ihnen gemeinsam suchen wir die Stoffe aus und besprechen, wie das Kleid aussehen soll. Dann überlegen wir im Team, wie wir die Ideen der Kundin umsetzen können, und fertigen Zeichnungen an.
Modedesigner ist, anders als zum Beispiel Ärztin oder Wirtschaftsprüfer, keine geschützte Berufsbezeichnung, das heißt: Jede und jeder kann sich Modedesigner nennen, wie zum Beispiel Influencer:innen, die ein eigenes Label gründen. Wer das Handwerk in einer Ausbildung oder einem Studiengang lernt, kann anschließend die Abschlussbezeichnung führen, zum Beispiel als »staatlich geprüfte Modedesignerin«.
Will man sich mit strukturierten Lehrinhalten zur Modedesignerin oder zum Modedesigner ausbilden lassen, hat man zwei Möglichkeiten: eine Ausbildung an einer Modeschule oder ein Studium im Bereich Modedesign an einer Kunsthochschule, Universität oder Fachhochschule.
Viele der Modeschulen werden privat geführt. Die Ausbildung dort kostet im Schnitt 400 bis 600 Euro pro Monat. Für die Bewerbung wird meistens eine Mappe mit Zeichnungen und anderen Arbeitsproben verlangt.
Mit einer Ausbildung oder einem Studium als Modedesigner kann man nicht nur als selbstständiger oder angestellter Designer bei einem Modelabel arbeiten. Absolvent:innen arbeiten unter anderem auch als Kostümdesigner beim Theater oder bei Filmproduktionen, als Modejournalistinnen, als Maßschneider, Modeillustratorinnen oder als Modeeinkäufer. In diese Berufsfelder können auch ähnliche Ausbildungen und Studiengänge wie Modemanagement, Modejournalismus und Kostümdesign führen.
Alle Mitarbeiterinnen arbeiten in allen Phasen der Fertigung mit, aber jede ist auf einen Arbeitsschritt spezialisiert. Ich bin, zusammen mit einer ausgebildeten Schneiderin, vor allem für das Nähen verantwortlich. Das macht mir genauso viel Spaß wie Schnitte oder Illustrationen anzufertigen oder mir selbst Designs zu überlegen.
Im Atelier kann es schon mal hektisch werden, und manchmal ist man von sieben Uhr morgens bis acht Uhr abends dort. Wenn wir eine Stickerei nicht fertig bekommen, kann die Kundin schließlich nicht deswegen ihre Hochzeit verschieben.
Ich designe zwar jetzt nicht unter meinem eigenen Namen für mein eigenes Label, aber ich arbeite gern in einem Team und lerne viel. In meiner Freizeit beschäftige ich mich wieder mit meinem alten Hobby: Ich zeichne Porträts mit Kohle, Bleistift und Aquarell. Irgendwann würde ich damit gern auch Geld verdienen.
Auf lange Sicht weiß ich nicht, wo ich beruflich hin möchte. Für selbstständige Designer ist der Markt gerade sehr überfüllt. Jede zweite Influencerin gründet ihr eigenes Modelabel. Aber vielleicht versuche ich es in ein paar Jahren. Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn man etwas wirklich will, dann wird das auch funktionieren.«
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