Berufseinstieg als Nachhaltigkeitsprüferin »Ich wollte nicht mehr jeden Tag Powerpoint-Folien pinseln«

In ihrem Job bei einer Unternehmensberatung fehlte Lara Künstler der Sinn. Nun überprüft sie für TÜV Süd, ob Firmen soziale und ökologische Standards einhalten – eine Dienstleistung, die immer gefragter ist.
Aufgezeichnet von Helene Flachsenberg
TÜV-Süd-Mitarbeiterin Künstler: Von der Unternehmensberatung in die Nachhaltigkeitsbewertung

TÜV-Süd-Mitarbeiterin Künstler: Von der Unternehmensberatung in die Nachhaltigkeitsbewertung

Foto: TÜV SÜD

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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Lara Künstler, 28, arbeitet seit Juli 2022 als Expertin für Nachhaltigkeit bei TÜV Süd.

Mein erstes Jahr im Job

Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .

Zur Serie

»Im Bachelor habe ich Medien- und Kommunikationsmanagement studiert, im Master Digitales Management. Schon damals wählte ich den Schwerpunkt Sustainability Management, legte also einen Fokus auf Nachhaltigkeit. Dass ich nun tatsächlich in dem Bereich arbeite, ist trotzdem eher ein Quereinstieg. Die meisten meiner Kolleg:innen sind Ingenieur:innen, und manchmal merke ich schon, dass die ganz andere Fachkenntnisse haben.

»Wenn sie ›TÜV‹ hören, denken die meisten erst mal, dass ich irgendwas mit Autos mache.«

Nach meinem Masterabschluss habe ich erst drei Jahre in einer Unternehmensberatung gearbeitet. Ich mochte das Team und habe viel gelernt, vor allem, was Projektmanagement angeht. Aber irgendwann merkte ich, dass mir der Sinn bei der Arbeit fehlt. Ich wollte nicht mehr jeden Tag Powerpoint-Folien pinseln. Also googelte ich nach Stellenangeboten zum Schlagwort Nachhaltigkeit – und stieß auf TÜV Süd.

Das Vorstellungsgespräch lief gut und ich bekam eine Stelle in der damals noch sehr neuen Abteilung ›Geschäftsentwicklung und Investitionsprojekte‹. Mein Jobtitel lautet Expertin für Nachhaltigkeit, bezahlt werde ich nach Tarifvertrag. Als Einstiegsgehalt bekommt man zwischen 50.000 und 60.000 Euro brutto im Jahr, dazu ein ÖPNV-Job-Ticket.

Wenn sie ›TÜV‹ hören, denken die meisten Menschen erst mal, dass ich irgendwas mit Autos mache. Die Kfz-Hauptuntersuchung ist eindeutig unsere bekannteste Dienstleistung, aber wir prüfen und zertifizieren noch ganz viele andere Sachen: Aufzüge etwa oder 3D-Drucker, aber auch Organisationsstrukturen von Unternehmen. Immer mehr geht es dabei um Nachhaltigkeit.

Seit etwa zwei Jahren bieten wir ein entsprechendes Assessment an. Dafür arbeiten meine Kolleg:innen und ich mit einem Fragenkatalog, den TÜV Süd entwickelt hat. Er basiert auf den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Die decken alle Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung ab, ökologische wie Klimaschutz, aber auch soziale wie Bildung oder Gleichberechtigung. Die Unternehmen, die wir prüfen, müssen zu all diesen Aspekten Auskunft geben. Am Ende sagen wir ihnen, wie nachhaltig sie derzeit handeln und in welchen Bereichen sie sich verbessern sollten. Ein Zertifikat – so was wie die TÜV-Plakette fürs Auto – gibt es dafür noch nicht, daran arbeiten wir gerade. Wohl aber haben wir für jedes Nachhaltigkeitsziel Benchmarks festgelegt, also Kennzahlen, an denen wir unsere Bewertung ausrichten.

Ein Nachhaltigkeitsziel heißt zum Beispiel ›Armut bekämpfen‹. Von einem Unternehmen wollen wir dazu etwa wissen: Wie hoch ist das durchschnittliche Jahreseinkommen der Mitarbeitenden? Das vergleichen wir dann mit Einkommensdaten aus der Region oder der Stadt, um zu sehen, ob man davon gut leben kann. Ein anderes Ziel heißt ›Gesundheit und Wohlbefinden‹, da fragen wir ab, ob es für die Mitarbeitenden Präventivmaßnahmen oder Unterstützung bei Suchtkrankheiten gibt.

Jede ihrer Antworten müssen die Unternehmen mit einem Nachweis belegen. Ich glaube, das ist schon typisch TÜV: Wir prüfen jeden Beleg, jedes Dokument ganz genau. Manchmal ist das ein bisschen mühselig, weil wir wiederholt nachfragen und die Nachweise einholen müssen. Und wir müssen sehr kritisch hinschauen, denn natürlich versuchen manche, sich besser darzustellen und Dinge zu beschönigen.

»Aber jetzt weiß ich, dass das, was ich tue, wirklich etwas bringt.«

Weil unsere Kund:innen aus ganz unterschiedlichen Branchen kommen, ermitteln wir die Kennzahlen immer wieder neu. Da haben diejenigen meiner Kolleg:innen einen Vorteil, die Umweltingenieurwesen oder ähnliche Fächer studiert haben – das habe ich vor allem am Anfang gemerkt. Wenn es zum Beispiel um Baustoffe ging oder Emissionen, musste ich oft länger recherchieren, um zu verstehen: Was ist da ein guter Wert? Wie müssen Baustoffe zusammengesetzt sein, wie hoch dürfen Emissionen sein, um der Umwelt möglichst wenig zu schaden? Inzwischen habe ich mich ganz gut eingefunden, man lernt ja mit der Zeit dazu.

Unsere Abteilung ist noch jung, aber wir bekommen viele Anfragen. Das liegt auch am ›Green Deal‹ , den die EU vorletztes Jahr beschlossen hat: Auf Unternehmen kommen viele neue Regeln zu, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Manche – gerade kleinere und mittelständische – Unternehmen haben sich bisher gar nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst. Für die sind wir mit unserem Service ein Wegbegleiter.

Wenn ich Kund:innen unsere Ergebnisse vorstelle, muss ich dafür noch immer Powerpoint-Präsentationen basteln, obwohl ich das ja eigentlich nie wieder machen wollte. Aber jetzt weiß ich, dass das, was ich tue, wirklich etwas bringt. Denn schon kleine Veränderungen können ein großer Hebel sein. Ein Unternehmen hat zum Beispiel in der Kantine auf regionale Lebensmittel umgestellt, nachdem wir aufgezeigt haben, wie CO2-intensiv die Lieferkette für das Essen war.«

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