
Neu im Team Wer hat hier eigentlich das Sagen?


Nicht immer spiegelt das Organigramm die tatsächliche Hierarchie wider (Symbolbild)
Foto:Matthieu Spohn / Getty Images
Wer einen neuen Job antritt, kann die Hierarchie im Team am Organigramm oder an den Jobtiteln ablesen – zumindest theoretisch: Da gibt es eine Teamleitung, Juniors und Seniors oder das C-Level, also die Führungsebene mit den »Chiefs«. In der Praxis aber sind Teams komplexe soziale Gebilde, die man erst einmal durchschauen muss. Sonst fällt man schlimmstenfalls direkt beim Einstieg auf die Nase.
Aller Anfang ist schwer. Das gilt für Beziehungen, das Leben in einer neuen Stadt und natürlich auch den Berufseinstieg. Wie etabliere ich mich im Team, ohne mich selbst aufzugeben? Wie beweise ich, was ich draufhabe, ohne die Ellenbogen auszufahren? Und ab wann kann ich eigentlich ein Sabbatical verlangen?
Über diese und ähnliche Themen schreibt in dieser Kolumne Jeannine Budelmann, Jahrgang 1986. Sie ist kaufmännische Geschäftsführerin von HANZA Tech, einem Unternehmen, das industrielle Elektronik entwickelt und herstellt. Außerdem berät sie als Coachin bei Problemen im Berufsleben.
So wie ich vor einigen Jahren, als ich an einer Hochschule arbeitete. Hierarchisch betrachtet standen alle wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, zu denen auch ich gehörte, auf einer Ebene: gleicher Tarifvertrag, gleiche Arbeitszeit, ähnliche Aufgaben. Eine Mitarbeiterin war aber schon wesentlich länger da als die anderen, es hatte sich etabliert, mit ihr zu sprechen, bevor man seinen Urlaub einreichte. Ich wusste davon nichts – und beantragte meinen ersten Urlaub (eigentlich regelkonform) direkt bei meinem Chef. Bei den Kolleg:innen im Team war ich nach diesem Anfängerfehler erst einmal unten durch. Ich hatte unbewusst eine informelle Hierarchie missachtet und damit in ihren Augen signalisiert, dass ich mich für etwas Besseres hielt.
Natürlich gibt es formelle Hierarchien, die sich in Organigrammen widerspiegeln. Häufig gibt es aber auch, wie bei uns an der Hochschule damals, informelle Hierarchien, die sogar im Widerspruch zu den formellen stehen können. Das kann beispielsweise passieren, wenn Führungspersonen ihrer Führungsaufgabe nicht richtig nachkommen : In besonders krassen Fällen übernimmt dann etwa jemand die Aufgaben des Teamleiters, der diese Funktion auf dem Papier gar nicht innehat.
Um sich optimal ins Team einfügen zu können, sollte man solche sozialen Dynamiken unbedingt kennen.
In den ersten Wochen
Ist man ganz frisch im Team, kann man die ersten Wochen nutzen, um sich etwas zurückzunehmen und genau zu beobachten. In der Regel werden informelle Hierarchien nicht offen kommuniziert. Sie müssen auch nicht zwingend allen Beteiligten bewusst sein. Man kann sie aber erkennen, indem man Antworten auf folgende Fragen sucht:
Wen fragen Teammitglieder um Rat?
Werden Ergebnisse von (fast) allen Mitgliedern immer mit demselben Mitglied besprochen, bevor sie an die Führungskraft weitergegeben werden?
Gibt es Kolleg:innen, die der Führungskraft regelmäßig offen widersprechen oder sie gar auflaufen lassen?
Gibt es Kolleg:innen, die die Führungskraft übergehen und regelmäßig Dinge direkt mit der nächsthöheren Ebene besprechen?
Wer nicht alle Beobachtungen einordnen kann, darf gerade als Neuling ganz unbedarft und unvoreingenommen die Kolleg:innen fragen, wer schon wie lange dabei ist oder welche Aufgaben hat. Aus den Antworten ergibt sich in der Regel ein ganz gutes Bild.
Kennt man die formellen und informellen Hierarchien, kann man sich Gedanken darüber machen, wie man sich selbst innerhalb des Teams positionieren möchte – und dabei die gewonnenen Erkenntnisse nutzen. Möchte man etwa ein bestimmtes Projekt durchsetzen, ist es gut, die Meinungsführer:innen im Team auf seiner Seite zu haben. So kann es sich lohnen, mit einer Projektidee erst einmal informell an diese Personen heranzutreten und Feedback einzuholen. So kann man signalisieren, dass man die informelle Hierarchie respektiert – und das Projekt gleichzeitig so aufstellen, dass es auch inhaltlich größere Zustimmung bekommt.
Nach einigen Monaten
Sobald man weiß, wie das Team funktioniert, sollte man sich die Frage stellen, was man langfristig selbst darin erreichen möchte.
Wer sich vor allem wohlfühlen möchte, passt sein Verhalten am besten ans Team an. Nachdem ich damals verstanden hatte, dass wir an der Hochschule einen zwar informellen, aber dennoch bindenden Prozess für Urlaubsanträge hatten, hielt ich mich daran. Ich suchte das Gespräch mit der betreffenden Kollegin und erklärte ihr, dass ich es nicht besser gewusst hatte. Die schlechte Stimmung im Team legte sich. Gefühlt mag es sich um eine Kleinigkeit handeln. Durch solche Anpassungen kann man sich und den anderen aber das Leben sehr viel leichter machen – und zeigen, dass man sich gut in ein Team einfügen kann. Das werden auch die Vorgesetzten gern sehen, wenn sie sich nach Kandidat:innen für die nächste Beförderung umschauen.
Manchmal können informelle Hierarchien aber auch destruktiv sein. Ist das Team gespalten, können etwa manche Teammitglieder anderen Dinge vorenthalten und so die Arbeit behindern. Dann bringt es einen auf der Karriereleiter nicht weiter, sich an diese Kultur anzupassen.
Die betreffenden Kolleg:innen direkt zu konfrontieren, ist allerdings selten empfehlenswert. Dabei besteht die Gefahr, indirekt die Führungskraft zu kritisieren. Denn eigentlich wäre es ja deren Aufgabe, die Mitarbeitenden in Schach zu halten. Besser ist es, in solchen Fällen vertraulich – und vorsichtig – mit der Führungskraft zu sprechen. Beispielsweise: »Ich hatte dich in unserem letzten Meeting so verstanden – nun bittet mich Kolleg:in X, das Gegenteil zu tun. Ich bin gerade unsicher, wie ich mich verhalten soll. Habe ich etwas falsch verstanden?« So hat die Führungskraft die Möglichkeit, informellen Hierarchien selbst auf die Schliche zu kommen.