
Probleme mit Vorgesetzten Liegt es an mir – oder am Chef?


Wer ist hier das Problem? Bei Konflikten mit den Vorgesetzten sollte man in alle Richtungen denken
Foto: Nuthawut Somsuk / iStockphoto / Getty ImagesAller Anfang ist schwer. Das gilt für Beziehungen, das Leben in einer neuen Stadt und natürlich auch den Berufseinstieg. Wie etabliere ich mich im Team, ohne mich selbst aufzugeben? Wie beweise ich, was ich draufhabe, ohne die Ellenbogen auszufahren? Und ab wann kann ich eigentlich ein Sabbatical verlangen?
Über diese und ähnliche Themen schreibt in dieser Kolumne Jeannine Budelmann, Jahrgang 1986. Sie ist kaufmännische Geschäftsführerin von HANZA Tech, einem Unternehmen, das industrielle Elektronik entwickelt und herstellt. Außerdem berät sie als Coachin bei Problemen im Berufsleben.
Egal wie flach die Hierarchien am Arbeitsplatz sind: Irgendeine höhere Ebene gibt es immer. Und in den allermeisten Fällen gibt es mit Vorgesetzten auch mal Reibung. Besonders als Berufseinsteiger:in kann es verunsichern, wenn man harsche Kritik bekommt – schließlich möchte man doch gefallen.
Ich erinnere mich zum Beispiel bis heute an eine Situation in einem neuen Job: Ich hatte mir wahnsinnige Mühe mit einer Präsentation vor meinem Chef gegeben. Seine Reaktion: »Komm mir nicht mit Problemen, sondern mit Lösungen.« Ich war persönlich tief getroffen und hatte wochenlang an der Situation zu knacken.
Heute würde ich mit seiner Ansage anders umgehen und mir zuerst die Frage stellen: Woran lag es, dass mein Chef ungehalten war? An mir – oder vielleicht doch an ihm? Denn auch wenn die Antwort selten monokausal ist: Wenn es mit dem Vorgesetzten knirscht, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Sowohl beim Vorgesetzten als auch bei sich selbst.
Wenn es an einem selbst liegt
Zunächst einmal kann es sein, dass es tatsächlich einen sachlichen Grund gibt, weshalb Ihre Vorgesetzten unzufrieden sind. In meinem Fall muss ich rückblickend sagen: Ich habe wirklich keine Lösungen präsentiert. Meine Analyse hat wahrscheinlich einen pessimistischen und passiven Eindruck auf meinen Chef gemacht. Mir war damals einfach noch nicht klar, dass er von mir mehr erwartete, als nur die Probleme zu analysieren. Heute würde ich ihm antworten: »Danke für dein Feedback! Mir war leider nicht bewusst, dass du von mir erwartet hast, dass ich Lösungen erarbeite. Ich werde das nachholen und künftig berücksichtigen.«
Prüfen Sie also zunächst einmal die Aussagen von Vorgesetzten ganz objektiv auf ihren Inhalt, auch wenn Sie emotional getroffen sind. Eigene Fehler zuzugeben führt in der Regel zu einer besseren Kommunikation und erleichtert es Ihren Chef:innen, dasselbe zu tun.
Außerhalb der Sachebene gibt es aber noch andere Faktoren, die dazu führen können, dass es zwischen Ihnen und Ihrer Führungskraft zu Spannungen kommt – und die mehr mit Ihnen selbst als mit dem Verhalten der Vorgesetzten zu tun haben.
Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn Sie sich bei einer Person unwohl fühlen, fragen Sie sich, ob es Menschen in Ihrem Umfeld gab oder gibt, die eine ähnliche Sprache, ähnliche Gesten oder ein ähnliches Äußeres haben wie die Führungskraft. Es passiert unterbewusst immer wieder, dass man problembehaftete Situationen aus der Vergangenheit auf andere Menschen überträgt. Dafür, dass Ihre Chefin aussieht wie die fiese Lehrerin, die Ihnen immer schlechte Noten gegeben hat, kann sie ja nichts. Wenn Sie sich solche Verknüpfungen bewusst machen, werden Sie ganz automatisch weniger hart mir Ihrer Chefin ins Gericht gehen.
Wenn es an den Vorgesetzten liegt
Manchmal haben Vorgesetzte lediglich einen schlechten Tag. Wenn die Chefin grundsätzlich fair ist, sollte man über einen kommunikativen Ausrutscher wohlwollend hinwegsehen. Wir sind schließlich alle nicht perfekt.
Leider ist es aber statistisch gesehen so, dass wir bei Führungskräften nicht zwangsläufig davon ausgehen dürfen, dass diese auch Führungsqualitäten besitzen.
Manche Menschen sind schlicht und einfach nicht für Führungspositionen geeignet. Häufig wissen sie das auch selbst, zumindest unterbewusst. Sie fühlen sich minderwertig und wollen gleichzeitig nach außen zeigen, dass sie alles im Griff haben. Auch wenn es schwerfällt: Versetzen Sie sich einmal in diese Lage! Das ist sicherlich kein schönes Gefühl.
Meine Erfahrung ist: Wenn ich mir vor einem Gespräch mit solchen Personen bewusst mache, unter welchem Druck diese eigentlich stehen, bin ich gelassener. Ich kommuniziere automatisch weniger eskalativ und ich beziehe harsche Äußerungen nicht mehr so sehr auf mich.
Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit, dass Sie es tatsächlich mit krankhaftem Verhalten zu tun haben. So gibt es Studien, die besagen, dass der Anteil an Psychopathen in Chefetagen sechsmal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt ist. Ganz wichtig hierbei: Sie sind wahrscheinlich kein:e ausgebildete:r Psycholog:in. Eine Diagnose können Sie also nicht stellen. Wenn Sie aber das Gefühl haben, dass Ihre unmittelbaren Chef:innen ernsthafte Probleme haben, sollten Sie sich Unterstützung beim Betriebsrat, Kolleg:innen oder einer Vertrauensperson im Unternehmen holen. Sie können niemanden therapieren. In solchen Fällen ist der Selbstschutz die oberste Prämisse. Werden Chef:innen ausfällig oder verhalten sich in anderer Weise inakzeptabel, sorgen Sie dafür, dass Sie Gespräche unter Zeugen führen.
Wenn Sie keine Unterstützung finden, kann es ratsam sein, selbst die Reißleine zu ziehen und das Unternehmen zu verlassen, bevor die Situation Auswirkungen auf die eigene psychische Gesundheit hat.
Es kann also viele Gründe geben, warum Sie und Ihre Vorgesetzten sich in die Haare bekommen. Im Alltag wird es meist der Fall sein, dass mehrere Faktoren zusammenkommen. Dann hilft es, die oben stehenden Tipps der Reihe nach durchzugehen.