Dreistündige Eignungsprüfung Macht der neue Psychologietest die Studienplatzvergabe wirklich gerechter?

Wer Psychologie studieren will, muss bislang vielerorts ein Einser-Abi nachweisen. Ein neuer Eignungstest soll helfen, die eigenen Chancen zu verbessern. Wie er abläuft, wie viel er kostet und wem er nützt.
Neuer Eignungstest in Psychologie: Jede Menge Multiple-Choice-Fragen (Symbolbild)

Neuer Eignungstest in Psychologie: Jede Menge Multiple-Choice-Fragen (Symbolbild)

Foto: Klaus Vedfelt / Getty Images

Seit Jahrzehnten treffen im Studienfach Psychologie zu viele Bewerber:innen auf zu wenige Plätze: Im Wintersemester 2021/22 bewarben sich laut Statistischem Bundesamt  39.788 Interessierte auf einen Bachelorplatz – nur 5554 Personen bekamen am Ende einen. Der NC zum vergangenen Winter etwa an der Freien Universität Berlin  oder der Universität zu Köln : 1,0.

Damit auch Studienbewerber:innen mit schlechterem Abiturschnitt eine Chance haben, gibt es ab diesem Jahr einen bundesweit einheitlichen Eignungstest. Aber: Macht er die Platzvergabe wirklich fairer? Wer sollte unbedingt am Test teilnehmen – und für wen lohnt er sich nicht? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie läuft der Test ab?

»Ba-Psy-DGPs« heißt der dreistündige  Eignungstest, der auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPS) entwickelt wurde. Am 20. und 21. Mai findet er erstmals an elf Standorten statt (eine Übersicht gibt es hier ). Wer teilnehmen möchte, muss sich spätestens bis zum 31. März online anmelden  – und bis zum 7. April eine Gebühr in Höhe von 100 Euro bezahlen. Schnell sein lohnt sich: Dann hat man bessere Chancen, den Termin und den Testort frei zu wählen.

Der Test selbst besteht aus Multiple-Choice-Aufgaben in sechs Bereichen. Teilnehmende müssen etwa Übungen in Algebra und Stochastik lösen, Taschenrechner sind nicht erlaubt. Auch psychologisches Verständnis wird über Textaufgaben in Deutsch und Englisch abgefragt. »Die Texte haben mit Psychologie zu tun, aber im Wesentlichen geht es um Textverständnis. Von psychologischen Theorien oder Inhalten muss man noch nichts wissen«, sagt Psychologieprofessor Gerhard Stemmler, der die Durchführung des Tests koordiniert.

Was bringt der Test?

Mit dem erfolgreich abgelegten Test können sich Interessierte an allen teilnehmenden Hochschulen  bewerben, in der Regel fünf Jahre lang. Mit dabei sind bislang knapp 20 Hochschulen, etwa die Berliner Humboldt-Universität oder die Universitäten in Kassel, Mannheim und Leipzig. Zum Sommersemester 2024 wollen sich weitere anschließen. Sowohl die DGPS als auch die Hochschulen betonen, dass die Teilnahme am Test freiwillig sei und damit keine Voraussetzung für die Zulassung zum Studium.

Trotzdem: »Der Test kann die Chancen auf einen Studienplatz massiv verbessern«, sagt Stemmler. Denn an teilnehmenden Hochschulen zählt neben der Abiturnote künftig eben auch das Testergebnis. Wie groß der Einfluss ist, regeln allerdings die jeweiligen Zulassungsordnungen. Im Auswahlverfahren der Universität Heidelberg  etwa können Interessierte bis zu 60 Punkte bekommen: 30 durch die Abiturnote, 20 durch den Eignungstest und 10 für sonstige Leistungen wie einen Freiwilligendienst.

Wer am Test teilnimmt, erhält am Ende ein Zertifikat, auf dem unter anderem der eigene Prozentrang innerhalb aller Ergebnisse des Testjahres steht. Eine Person mit Prozentrang 99 weiß also: Nur ein Prozent der Teilnehmenden hat besser abgeschnitten. Wie genau dieser Prozentrang mit der Abinote verrechnet wird, auch das unterscheidet sich von Hochschule  zu Hochschule . Ob sich Bewerber:innen mit einem Prozentrang von 50 überhaupt Hoffnungen machen können, hängt am Ende also von vielen Faktoren ab.

Kann das Ergebnis die eigenen Chancen auch verschlechtern?

Nein, nur verbessern. Dass jeder Punkt zählt, zeigt indes ein Beispiel aus Baden-Württemberg. Dort wurde im vergangenen Jahr erstmals ein landesweiter, freiwilliger Studieneignungstest für Psychologie-Bachelorstudiengänge angeboten. Psychologieprofessor Stemmler weiß von einer Person mit einem Abiturschnitt von 2,8, die durch die Teilnahme am Test einen Studienplatz ergattern konnte – und von Einser-Kandidat:innen, die im Test sehr schlecht abschnitten und keinen Platz bekamen.

Wer sollte nicht am Test teilnehmen?

Bewerber:innen aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten oder Zweitstudienbewerber:innen bringt der Test nichts. Gleiches gilt für Bewerber:innen, die über die Wartezeitquote zugelassen werden wollen. Statt etwa der Abiturnote zählt hier ausschließlich, wie viele Semester sie auf einen Studienplatz gewartet haben – das Testergebnis würde dementsprechend gar nicht berücksichtigt.

Wie kann man sich auf den Test vorbereiten?

Abgefragt werden könnte etwa folgende Rechenaufgabe:

Eine Forscherin beobachtet im Rahmen einer Studie das Verhalten von 60 Tieren, darunter: Flamingos, Gänse, Affen und Esel. Wie viele Affen hat die Forscherin beobachtet, wenn 32 Tiere Federn hatten und 52 Tiere keine Esel waren?

a) 20

b) 23

c) 24

d) 31

Diese und weitere Übungsaufgaben mitsamt Lösungen sowie Videos zum Test gibt es kostenlos hier . Wer wissen will, ob Psychologie überhaupt das richtige Fach ist, kann sich erst einmal am Online-Self-Assessment für Psychologie (OSA-Psych)  versuchen. Der enthält auch Beispielaufgaben, die auf den Eignungstest vorbereiten sollen.

Kann man den Test wiederholen?

Ja, aber erst nach fünf Jahren.

Warum wurde der Test überhaupt eingeführt?

Ähnlich wie in der Psychologie gibt es in der Medizin seit Jahren mehr Bewerber:innen als Studienplätze. Im Jahr 2017 urteilte das Bundesverfassungsgericht deshalb, dass das Zulassungsverfahren für Medizinstudierende allein über die Abiturnote verfassungswidrig sei. Die Begründung: Das Auswahlverfahren verletze die Chancengleichheit der Studierenden – und müsste deshalb neu geregelt werden.

Für Psychologie-Studiengänge gilt das Urteil zwar nicht, trotzdem soll der Test dort nun helfen. Denn: »Hochschulen haben den Auftrag, eine gerechte Verteilung der Studienplätze an Bewerber vorzunehmen«, sagt Psychologieprofessor Stemmler.

Macht der Test die Vergabe von Plätzen denn wirklich gerechter?

Das wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Studien  zum Medizinertest aber konnten nachweisen, dass er über die Abiturnote hinaus den Studienerfolg zuverlässig vorhersagen kann. Das bedeutet: Er kann sowohl potenziell schwache Bewerber:innen mit Abiturbestnoten ermitteln, als auch potenziell erfolgreiche Studierende mit weniger guten Noten – und dadurch letzteren ein Studium ermöglichen. In der Psychologie zeichnen Studien  ein ähnliches Bild.

Was sagen die Studierenden zum Test?

Der größte Kritikpunkt: »Mit 100 Euro ist die Prüfung zu teuer und benachteiligt Schüler und Schülerinnen aus finanziell schwächeren Situationen.« Das zumindest sagt Konrad Mario Rothe Paparoni, Psychologiestudent an der Universität Hildesheim. Als Konferenzrat koordiniert er die politische Arbeit der Psychologie-Fachschaften-Konferenz, der Interessenvertretung der Psychologiestudierenden im deutschsprachigen Raum. In der Praxis sei der Test eben nicht optional, weil er die Chancen von Bewerber:innen deutlich verbessern würde. »Diesen impliziten Zwang, den Test absolvieren zu müssen, sehen manche Fachschaften sehr kritisch.«

Insgesamt seien viele Studierenden und Fachschaften aber zufrieden: »Der Test verspricht eine fairere Verteilung von Bachelorplätzen«, sagt Rothe Paparoni. Denn Abiturbestnoten seien je nach Bundesland unterschiedlich einfach zu erlangen. »Jetzt bekommen Schüler und Schülerinnen eine weitere leistungsbasierte Möglichkeit, doch noch an einen Studienplatz zu kommen.« Viele Forderungen  der Studierenden seien zudem umgesetzt worden, etwa dass Testinhalte und -struktur transparent seien und kostenloses Übungsmaterial angeboten werde.

Für Rothe Paparoni steht jedenfalls fest: »Ich hätte damals an dem Test teilgenommen – obwohl er bei mir vermutlich eher Einfluss auf meinen Studienort gehabt hätte: Vielleicht hätte ich dann einen Platz in meinem Wunschort Göttingen bekommen und wäre nicht nach Hildesheim gezogen.«

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