Quereinstieg in die IT-Branche »Mittlerweile bekomme ich wöchentlich neue Jobangebote«

BWL-Studium, Traineeship, erster Job: Laura arbeitete jahrelang auf eine Karriere in der Modebranche hin. Bis sie im Corona-Shutdown ihre Leidenschaft für das Programmieren entdeckte.
Aufgezeichnet von Ronja Ebeling
Laura, 28: Während des Shutdowns das Programmieren für sich entdeckt

Laura, 28: Während des Shutdowns das Programmieren für sich entdeckt

Foto: privat

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Lebensläufe müssen nicht geradlinig sein, Biografien haben Brüche – das macht sie so spannend. In der Serie »Und jetzt?« erzählen Menschen von Wendepunkten in ihrem Leben, von Momenten, in denen sie Entscheidungen getroffen und etwas Neues gemacht haben. Dieses Mal: Laura, 28, arbeitete hart für eine Karriere in der Modeindustrie. Doch während der Coronapandemie entschied sie sich für einen Quereinsteig in die IT.

Und jetzt?

Alle bisherigen Folgen von »Und jetzt?« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie standen selbst schon mal an einem Wendepunkt und möchten uns davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .

»Ich habe BWL studiert, weil mir das solide erschien. Gleichzeitig lässt sich das Fach mit einer kreativen Branche wie der Modeindustrie verbinden. Für eine Karriere dort habe ich hart gearbeitet. Doch dann kam alles anders: Während des ersten Shutdowns entdeckte ich meine Leidenschaft fürs Programmieren und meldete mich schließlich für ein Bootcamp für Quereinsteiger:innen an.

Als das Programm begann, dachte ich erst, ich hätte mir zu viel vorgenommen. Doch es hat sich ausgezahlt: Ich habe direkt im Anschluss eine Stelle als DevOps-Engineer bekommen – und bin froh, einen Job mit Zukunft zu haben.

Nach meinem Bachelor in BWL habe ich ein Traineeship bei einer internationalen Modekette gemacht. Mein Ziel war, eines Tages im Headquarter des Unternehmens in Großbritannien zu arbeiten und für die Firma um die Welt zu fliegen. Meine Freund:innen und meine Familie unterstützten diesen Plan. Sie sagten, der Job passe perfekt zu mir, weil ich kreativ und kommunikativ sei.

Aus Langeweile das Programmieren gelernt

Nach meinem Traineeship arbeitete ich weiter bei dem Modeunternehmen, als Store-Manager-Assistentin. Dann kam der erste Corona-Shutdown, alle Geschäfte schlossen – und ich hatte kaum mehr etwas zu tun.

Unterfordert und unzufrieden saß ich im Homeoffice und fing irgendwann an, mir auf Jobportalen Stellenausschreibungen anzusehen. Immer wieder las ich dort technische Begriffe, die mir nichts sagten. Irgendwann tippte ich einfach ›Data Analysis, was ist das?‹ in die YouTube-Suche ein – und verlor mich direkt in einem sechsstündigen Tutorial.

Früher dachte ich immer, IT sei trocken und langweilig. Doch je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr kreative Gestaltungsmöglichkeiten entdeckte ich. In den folgenden Wochen schaute ich mir jeden Tag Videos an, während ich Nudeln mit Pesto auf meine Gabel stocherte. Ich brachte mir Programmiersprachen wie Python und JavaScript bei. Mein erstes eigenes Projekt war ein kleines Storytelling-Game, eine Art digitale Bilderbuchgeschichte.

»Meine Eltern sahen in mir die Kreative, die sich für Mode interessierte.«

Meine plötzliche Begeisterung für IT verwunderte nicht nur mich, sondern auch alle um mich herum. Eigentlich war meine Schwester die mit dem Händchen für Zahlen, sie hatte den Mathe-Leistungskurs und eine Karriere in der IT-Branche gewählt. ›Das ist doch nichts für dich, Laura‹, sagten meine Eltern. Sie sahen in mir die Kreative, die sich für Mode interessierte. Doch ich ließ mich nicht entmutigen. Programmieren machte mir einfach Spaß.

Quereinstieg in die IT – nur wie?

Ich suchte im Internet nach Möglichkeiten, um ohne Berufserfahrung in die IT-Branche einzusteigen. So entdeckte ich eine Akademie, die ein zwölfwöchiges Bootcamp zum DevOps-Engineer, eine Art Software-Entwicklerin, anbietet – kostenfrei über ein Stipendium, und nicht für Tausende Euros, wie ich es eigentlich von so einer Umschulung erwartet hatte. Die Akademie suchte gezielt nach Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben, etwa Migrant:innen, ältere Menschen oder solche wie mich, die keinerlei Erfahrung in dem Bereich haben.

Für mich war dieses Bootcamp ein Jackpot. In meine Bewerbung schrieb ich, dass ich mir alles mit Videos selbst beigebracht hatte. Und wurde tatsächlich angenommen.

Laura an ihrem neuen Arbeitsplatz

Laura an ihrem neuen Arbeitsplatz

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privat

Das Bootcamp selbst war harte Arbeit – drei Monate Vollzeit-Programm. Neben Programmieren und technischem Know-how lernten wir Scrum-Methoden und Zeitmanagement. Zum Teil fanden die Seminare online statt, zum Teil in der Düsseldorfer Niederlassung der Akademie.

Ein Quereinstieg ist immer auch mit Momenten des Zweifelns verbunden. Als ich das erste Mal im Unterrichtszimmer saß und auf dem Computer Zahlen und Formeln anstarrte, die ich nicht verstand, hatte ich kurz Angst, mich überschätzt zu haben. Doch als ich mich umschaute, sah ich bei den anderen genau die gleichen Fragezeichen. Das erleichterte mich. Am Ende habe ich das Bootcamp erfolgreich abgeschlossen – und wurde direkt von einem IT-Beratungsunternehmen übernommen, das die Akademie unterstützt.

Ein Job mit Zukunft

Dass ich eine Quereinsteigerin bin, sehe ich nicht als Nachteil. Das Bootcamp hat mich gut auf die Arbeitswelt vorbereitet. Als DevOps-Engineer kann ich nun das Gelernte in der Praxis anwenden und täglich noch weiter in die Materie einsteigen.

Mir macht das Programmieren nach wie vor Spaß. Außerdem fühlt es sich gut an, zu wissen, dass mein Job auch in Zukunft gebraucht wird. Mittlerweile bekomme ich wöchentlich neue Jobangebote bei LinkedIn.

In der Modebranche war die Konkurrenz groß, BWL ist ein Massenstudienfach. Leute, die programmieren können, sind dagegen gefragt. Je nach Berufserfahrung, Arbeitgeber und Spezialisierung liegt das durchschnittliche Gehalt für DevOps-Engineers bei 60.000 Euro im Jahr. Ich bekomme schon heute rund 20 Prozent mehr Gehalt als in meinem alten Job.

Ich habe auch mehr Möglichkeiten, meine Arbeit selbst zu gestalten. Dazu möchte ich noch mehr Bereiche der IT kennenlernen, um mir irgendwann einen Schwerpunkt setzen zu können. Vielleicht komme ich so doch noch irgendwann ins Ausland: als Digital-Nomadin, die am Strand programmiert

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